Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Calender. Und da Christus diese Parabel erzehlte/ sagte er: Gehehin und thue deßgleichen. Jhr sehet/ daß euere nechste reiche Freunde/ Hertz und Hand vor euch zuschliessen. Will euch nun dieser Mann helffen/ so nehmt es an. Und ist euch auch etwas darmit gedie- net/ so will ich die Obligation unterschreiben/ Allein ihr müsset cre- dit halten/ und mich nicht stecken lassen. Jch unterschriebe die Obli- gation, der Jude aber gibt dem Mann nicht mehr als vier hundert Marck/ und macht hernach eine alte Rechnung/ und behält dafür die Obligation von zwey tausend Marck in Händen. Weil nun der Ju- de dem guten Mann nicht die völlige Summa geliefert hatte/ so kun- te er auch zu seinem Zweck nicht gereichen/ und gieng al so dieser An- schlag den er hatte zurück. Als nun der Zahlungs Termin kam/ lieff mir der Jude/ der Lumpenhund/ offt in der Wochen zwey/ dreymal übern Hals/ und wenn er nicht selbst kommen kunte/ schickte er mir ein paar deutsche Juden ins Hauß/ und wann ich nicht zu Hauß war/ setzt er sich bey die Thür/ biß ich kam. Jch kund endlich das Ding nicht länger leiden/ und resolvirte mich/ ich wolte dem Juden die auf mein Wort außgelegte vier hundert Marck wieder geben. Er aber sagte nein/ er habe meine Hand über zwey tausend Marck. Endlich bekam der Mann selbsten Mittel/ contentirte den Juden/ und schickte mir die Obligation, welche zerschnitten war/ wieder ins Hauß/ und thäte mir vollkommene satisfaction in diesem Stück. Wie ich dann den Juden durch Notarium und Zeugen hiervon fragen/ und mir dar- über ein Instrument will auffrichten lassen. Jch frage unterdessen alle Phariseer und Schrifftgelehrte/ welche der Teuffel nicht gar be- sessen hat/ ob ich hierinnen gehandelt habe wider mein Christenthum/ wider die erste oder ander Tafel des Gesetzes/ wider Ehrbarkeit und Redlichkeit? Jch frage/ ob unter funfftzig Phariseern einer sey/ der sei- nem Nechsten in Nöthen so viel dienen werde/ wann er nicht zehen- fach Pfand von ihm unter Händen habe? Wie sonsten groß und kleine meiner Gütigkeit mißbraucht haben/ und mich seithero stecken lassen/ das ist dir am besten bekant/ und ihr eigen Gewissen wird ihnen davon Zeugnüß geben. Allein ich bin nunmehr der neuen Religion worden. Es kam vergangenen Sommer ein vornehmer Herr zu mir/ welcher Land und Leute genung hatte/ der wolte sich in Krieg begeben und Volck werben/ und sprach mich umb eine Summa Geld an. Jch ant- wortete: Gnädiger Herr/ Jch wolte euer Gnaden gerne dienen. Al- lein ich bin erstlich nicht bey Gelde/ zum andern bin ich der neuen Religion. Er fragte/ was denn das für eine neue Religion sey? Jch antwortete: Es sind unser etliche/ welche einen eigenen Orden ange- fangen haben/ und haben allerhand leges und statuta, darauff wir ge- schworen haben. Als erstlich/ tragen wir keine Messer bey uns/ damit wir
Calender. Und da Chriſtus dieſe Parabel erzehlte/ ſagte er: Gehehin und thue deßgleichen. Jhr ſehet/ daß euere nechſte reiche Freunde/ Hertz und Hand vor euch zuſchlieſſen. Will euch nun dieſer Mann helffen/ ſo nehmt es an. Und iſt euch auch etwas darmit gedie- net/ ſo will ich die Obligation unterſchreiben/ Allein ihr muͤſſet cre- dit halten/ und mich nicht ſtecken laſſen. Jch unterſchriebe die Obli- gation, der Jude aber gibt dem Mann nicht mehr als vier hundert Marck/ und macht hernach eine alte Rechnung/ und behaͤlt dafuͤr die Obligation von zwey tauſend Marck in Haͤnden. Weil nun der Ju- de dem guten Mann nicht die voͤllige Summa geliefert hatte/ ſo kun- te er auch zu ſeinem Zweck nicht gereichen/ und gieng al ſo dieſer An- ſchlag den er hatte zuruͤck. Als nun der Zahlungs Termin kam/ lieff mir der Jude/ der Lumpenhund/ offt in der Wochen zwey/ dreymal uͤbern Hals/ und wenn er nicht ſelbſt kommen kunte/ ſchickte er mir ein paar deutſche Juden ins Hauß/ und wann ich nicht zu Hauß war/ ſetzt er ſich bey die Thuͤr/ biß ich kam. Jch kund endlich das Ding nicht laͤnger leiden/ und reſolvirte mich/ ich wolte dem Juden die auf mein Wort außgelegte vier hundert Marck wieder geben. Er aber ſagte nein/ er habe meine Hand uͤber zwey tauſend Marck. Endlich bekam der Mann ſelbſten Mittel/ contentirte den Juden/ und ſchickte mir die Obligation, welche zerſchnitten war/ wieder ins Hauß/ und thaͤte mir vollkommene ſatisfaction in dieſem Stuͤck. Wie ich dann den Juden durch Notarium und Zeugen hiervon fragen/ und mir dar- uͤber ein Inſtrument will auffrichten laſſen. Jch frage unterdeſſen alle Phariſeer und Schrifftgelehrte/ welche der Teuffel nicht gar be- ſeſſen hat/ ob ich hierinnen gehandelt habe wider mein Chriſtenthum/ wider die erſte oder ander Tafel des Geſetzes/ wider Ehrbarkeit und Redlichkeit? Jch frage/ ob unter funfftzig Phariſeern einer ſey/ der ſei- nem Nechſten in Noͤthen ſo viel dienen werde/ wann er nicht zehen- fach Pfand von ihm unter Haͤnden habe? Wie ſonſten groß und kleine meiner Guͤtigkeit mißbraucht haben/ und mich ſeithero ſtecken laſſen/ das iſt dir am beſten bekant/ und ihr eigen Gewiſſen wird ihnen davon Zeugnuͤß geben. Allein ich bin nunmehr der neuen Religion worden. Es kam vergangenen Sommer ein vornehmer Herꝛ zu mir/ welcher Land und Leute genung hatte/ der wolte ſich in Krieg begeben und Volck werben/ und ſprach mich umb eine Summa Geld an. Jch ant- wortete: Gnaͤdiger Herꝛ/ Jch wolte euer Gnaden gerne dienen. Al- lein ich bin erſtlich nicht bey Gelde/ zum andern bin ich der neuen Religion. Er fragte/ was denn das fuͤr eine neue Religion ſey? Jch antwortete: Es ſind unſer etliche/ welche einen eigenen Orden ange- fangen haben/ und haben allerhand leges und ſtatuta, darauff wir ge- ſchworen haben. Als erſtlich/ tragen wir keine Meſſer bey uns/ damit wir
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Calender.
Und da Chriſtus dieſe Parabel erzehlte/ ſagte er: Gehe
hin und thue deßgleichen. Jhr ſehet/ daß euere nechſte reiche
Freunde/ Hertz und Hand vor euch zuſchlieſſen. Will euch nun dieſer
Mann helffen/ ſo nehmt es an. Und iſt euch auch etwas darmit gedie-
net/ ſo will ich die Obligation unterſchreiben/ Allein ihr muͤſſet cre-
dit halten/ und mich nicht ſtecken laſſen. Jch unterſchriebe die Obli-
gation, der Jude aber gibt dem Mann nicht mehr als vier hundert
Marck/ und macht hernach eine alte Rechnung/ und behaͤlt dafuͤr die
Obligation von zwey tauſend Marck in Haͤnden. Weil nun der Ju-
de dem guten Mann nicht die voͤllige Summa geliefert hatte/ ſo kun-
te er auch zu ſeinem Zweck nicht gereichen/ und gieng al ſo dieſer An-
ſchlag den er hatte zuruͤck. Als nun der Zahlungs Termin kam/ lieff
mir der Jude/ der Lumpenhund/ offt in der Wochen zwey/ dreymal
uͤbern Hals/ und wenn er nicht ſelbſt kommen kunte/ ſchickte er mir ein
paar deutſche Juden ins Hauß/ und wann ich nicht zu Hauß war/
ſetzt er ſich bey die Thuͤr/ biß ich kam. Jch kund endlich das Ding nicht
laͤnger leiden/ und reſolvirte mich/ ich wolte dem Juden die auf mein
Wort außgelegte vier hundert Marck wieder geben. Er aber ſagte
nein/ er habe meine Hand uͤber zwey tauſend Marck. Endlich bekam
der Mann ſelbſten Mittel/ contentirte den Juden/ und ſchickte mir
die Obligation, welche zerſchnitten war/ wieder ins Hauß/ und thaͤte
mir vollkommene ſatisfaction in dieſem Stuͤck. Wie ich dann den
Juden durch Notarium und Zeugen hiervon fragen/ und mir dar-
uͤber ein Inſtrument will auffrichten laſſen. Jch frage unterdeſſen
alle Phariſeer und Schrifftgelehrte/ welche der Teuffel nicht gar be-
ſeſſen hat/ ob ich hierinnen gehandelt habe wider mein Chriſtenthum/
wider die erſte oder ander Tafel des Geſetzes/ wider Ehrbarkeit und
Redlichkeit? Jch frage/ ob unter funfftzig Phariſeern einer ſey/ der ſei-
nem Nechſten in Noͤthen ſo viel dienen werde/ wann er nicht zehen-
fach Pfand von ihm unter Haͤnden habe? Wie ſonſten groß und kleine
meiner Guͤtigkeit mißbraucht haben/ und mich ſeithero ſtecken laſſen/
das iſt dir am beſten bekant/ und ihr eigen Gewiſſen wird ihnen davon
Zeugnuͤß geben. Allein ich bin nunmehr der neuen Religion worden.
Es kam vergangenen Sommer ein vornehmer Herꝛ zu mir/ welcher
Land und Leute genung hatte/ der wolte ſich in Krieg begeben und
Volck werben/ und ſprach mich umb eine Summa Geld an. Jch ant-
wortete: Gnaͤdiger Herꝛ/ Jch wolte euer Gnaden gerne dienen. Al-
lein ich bin erſtlich nicht bey Gelde/ zum andern bin ich der neuen
Religion. Er fragte/ was denn das fuͤr eine neue Religion ſey? Jch
antwortete: Es ſind unſer etliche/ welche einen eigenen Orden ange-
fangen haben/ und haben allerhand leges und ſtatuta, darauff wir ge-
ſchworen haben. Als erſtlich/ tragen wir keine Meſſer bey uns/ damit
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/624>, abgerufen am 26.06.2024. |