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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Calender.
daß ich Wein trincke. Nun wolte ich wünschen/ daß ich meine
Natur dazu zwingen könte/ daß ich das Bier vertragen könte/ wie
mancher allhier thut. Allein ich bin im Oberland geboren und erzo-
gen/ und bin meistentheils an Oertern gewesen/ da ich habe Wein
trincken müssen. Were so gut Brunnenwasser allhier/ wie im Ober
Teutschland/ so wolt ich keinen Tropffen Bier auff meine Zunge neh-
men/ sondern an statt deß Biers lauter Brunnenwasser trincken. Es
ist aber jederman bekant/ was für Wasser allhier sey. Und ich bin von
meiner Kindheit an gewohnt/ einen Trunck Wein zu thun. Daß ich
bey diesen Jahren meine Art zu leben verendern sol/ das würde nicht
geschehen können ohne grosse Verletzung meiner Gesundheit. Es sag-
te einsmals ein vornehmer Syndicus zu Hamburg: Vita hominis
consistit in calido & humido.
Hamburger Bier laß ich passiren
pro humido, sed non pro calido.
Er wirfft mir auch ferner für/
daß ich zu viel Pasteten fresse. Allein wann die Pastetenbecker
keinen grössern Verdienst haben/ als von mir/ so werden sie nicht lan-
ge in Hamburg bleiben können. Jch ruffe alle meine Haußgenossen/
und die jenigen/ welche jemals mit mir gessen haben/ in Gastereyen
oder anderswo/ zu Zeugen an/ daß ich im Essen ein rechter Bauer sey/
und es mache wie die alte Teutschen/ von welchen Tacitus sagt: Ci-
bus, quem occupant, satiat.
Jch habe bißher den Brauch gehabt/
daß/ wann ich zum H. hochwürdigen Abendmal gangen/ ich allezeit
meinen Beichtvater Herrn Magister Johann Jägern/ welcher fast
länger im Predigampt gewesen/ als ich auff der Welt gelebet habe/
gebeten habe/ er wolle das Mittagsbrodt mit mir essen. Nun pflegt
man an einem solchen Tag wol etwas extraordinari zu thun. Jch
habe ihn aber/ als ich diese verfluchte Paßquil gelesen hatte/ auff seine
Seel und Gewissen gefragt/ ob er gesehen habe/ daß ich Uberfluß in
Tractamenten liebe? Da hat er mir geantwortet: Nein/ sondern ich
habe meinen Kindern gesagt/ daß der Herr nicht greiffe nach den be-
sten/ sondern nach den gröbsten Tractamenten. Und was bekümmert
sich ein ander darumb/ was ich in meinem Hause esse oder trincke? Jch
frage ja nicht darnach/ ob ein ander Crammetsvögel oder Speck und
Grützkohl esse. Jch gönne einem jeden/ auch meinem ärgsten Feind/
daß ihm Gott seinen Bissen segnen und wol bekommen lassen wolle.
Was thut mir auch vonnöthen/ daß ich mich umb solcher Dinge wil-
len coujomren lasse? Wie mancher vornehmer Graf und Herr ist in
Teutschland/ der mir im fall der Noth so gut zu essen und zu trincken
geben würde/ als er es an seiner Tafel hat/ wann ich mich in seine
Dienst begeben wolte? Wann ich zu Pasteten/ zu Tellerleckerey und
Schmarotzerey lust hätte/ wolte ich zu Hamburg occasion genug
dazu finden. Allein ich werde viel glaubwürdige Leut finden/ welche

mir
O o v

Calender.
daß ich Wein trincke. Nun wolte ich wuͤnſchen/ daß ich meine
Natur dazu zwingen koͤnte/ daß ich das Bier vertragen koͤnte/ wie
mancher allhier thut. Allein ich bin im Oberland geboren und erzo-
gen/ und bin meiſtentheils an Oertern geweſen/ da ich habe Wein
trincken muͤſſen. Were ſo gut Brunnenwaſſer allhier/ wie im Ober
Teutſchland/ ſo wolt ich keinen Tropffen Bier auff meine Zunge neh-
men/ ſondern an ſtatt deß Biers lauter Brunnenwaſſer trincken. Es
iſt aber jederman bekant/ was fuͤr Waſſer allhier ſey. Und ich bin von
meiner Kindheit an gewohnt/ einen Trunck Wein zu thun. Daß ich
bey dieſen Jahren meine Art zu leben verendern ſol/ das wuͤrde nicht
geſchehen koͤnnen ohne groſſe Verletzung meiner Geſundheit. Es ſag-
te einsmals ein vornehmer Syndicus zu Hamburg: Vita hominis
conſiſtit in calido & humido.
Hamburger Bier laß ich paſſiren
pro humido, ſed non pro calido.
Er wirfft mir auch ferner fuͤr/
daß ich zu viel Paſteten freſſe. Allein wann die Paſtetenbecker
keinen groͤſſern Verdienſt haben/ als von mir/ ſo werden ſie nicht lan-
ge in Hamburg bleiben koͤnnen. Jch ruffe alle meine Haußgenoſſen/
und die jenigen/ welche jemals mit mir geſſen haben/ in Gaſtereyen
oder anderswo/ zu Zeugen an/ daß ich im Eſſen ein rechter Bauer ſey/
und es mache wie die alte Teutſchen/ von welchen Tacitus ſagt: Ci-
bus, quem occupant, ſatiat.
Jch habe bißher den Brauch gehabt/
daß/ wann ich zum H. hochwuͤrdigen Abendmal gangen/ ich allezeit
meinen Beichtvater Herꝛn Magiſter Johann Jaͤgern/ welcher faſt
laͤnger im Predigampt geweſen/ als ich auff der Welt gelebet habe/
gebeten habe/ er wolle das Mittagsbrodt mit mir eſſen. Nun pflegt
man an einem ſolchen Tag wol etwas extraordinari zu thun. Jch
habe ihn aber/ als ich dieſe verfluchte Paßquil geleſen hatte/ auff ſeine
Seel und Gewiſſen gefragt/ ob er geſehen habe/ daß ich Uberfluß in
Tractamenten liebe? Da hat er mir geantwortet: Nein/ ſondern ich
habe meinen Kindern geſagt/ daß der Herꝛ nicht greiffe nach den be-
ſten/ ſondern nach den groͤbſten Tractamenten. Und was bekuͤmmert
ſich ein ander darumb/ was ich in meinem Hauſe eſſe oder trincke? Jch
frage ja nicht darnach/ ob ein ander Crammetsvoͤgel oder Speck und
Gruͤtzkohl eſſe. Jch goͤnne einem jeden/ auch meinem aͤrgſten Feind/
daß ihm Gott ſeinen Biſſen ſegnen und wol bekommen laſſen wolle.
Was thut mir auch vonnoͤthen/ daß ich mich umb ſolcher Dinge wil-
len coujomren laſſe? Wie mancher vornehmer Graf und Herꝛ iſt in
Teutſchland/ der mir im fall der Noth ſo gut zu eſſen und zu trincken
geben wuͤrde/ als er es an ſeiner Tafel hat/ wann ich mich in ſeine
Dienſt begeben wolte? Wann ich zu Paſteten/ zu Tellerleckerey und
Schmarotzerey luſt haͤtte/ wolte ich zu Hamburg occaſion genug
dazu finden. Allein ich werde viel glaubwuͤrdige Leut finden/ welche

mir
O o v
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[585/0627] Calender. daß ich Wein trincke. Nun wolte ich wuͤnſchen/ daß ich meine Natur dazu zwingen koͤnte/ daß ich das Bier vertragen koͤnte/ wie mancher allhier thut. Allein ich bin im Oberland geboren und erzo- gen/ und bin meiſtentheils an Oertern geweſen/ da ich habe Wein trincken muͤſſen. Were ſo gut Brunnenwaſſer allhier/ wie im Ober Teutſchland/ ſo wolt ich keinen Tropffen Bier auff meine Zunge neh- men/ ſondern an ſtatt deß Biers lauter Brunnenwaſſer trincken. Es iſt aber jederman bekant/ was fuͤr Waſſer allhier ſey. Und ich bin von meiner Kindheit an gewohnt/ einen Trunck Wein zu thun. Daß ich bey dieſen Jahren meine Art zu leben verendern ſol/ das wuͤrde nicht geſchehen koͤnnen ohne groſſe Verletzung meiner Geſundheit. Es ſag- te einsmals ein vornehmer Syndicus zu Hamburg: Vita hominis conſiſtit in calido & humido. Hamburger Bier laß ich paſſiren pro humido, ſed non pro calido. Er wirfft mir auch ferner fuͤr/ daß ich zu viel Paſteten freſſe. Allein wann die Paſtetenbecker keinen groͤſſern Verdienſt haben/ als von mir/ ſo werden ſie nicht lan- ge in Hamburg bleiben koͤnnen. Jch ruffe alle meine Haußgenoſſen/ und die jenigen/ welche jemals mit mir geſſen haben/ in Gaſtereyen oder anderswo/ zu Zeugen an/ daß ich im Eſſen ein rechter Bauer ſey/ und es mache wie die alte Teutſchen/ von welchen Tacitus ſagt: Ci- bus, quem occupant, ſatiat. Jch habe bißher den Brauch gehabt/ daß/ wann ich zum H. hochwuͤrdigen Abendmal gangen/ ich allezeit meinen Beichtvater Herꝛn Magiſter Johann Jaͤgern/ welcher faſt laͤnger im Predigampt geweſen/ als ich auff der Welt gelebet habe/ gebeten habe/ er wolle das Mittagsbrodt mit mir eſſen. Nun pflegt man an einem ſolchen Tag wol etwas extraordinari zu thun. Jch habe ihn aber/ als ich dieſe verfluchte Paßquil geleſen hatte/ auff ſeine Seel und Gewiſſen gefragt/ ob er geſehen habe/ daß ich Uberfluß in Tractamenten liebe? Da hat er mir geantwortet: Nein/ ſondern ich habe meinen Kindern geſagt/ daß der Herꝛ nicht greiffe nach den be- ſten/ ſondern nach den groͤbſten Tractamenten. Und was bekuͤmmert ſich ein ander darumb/ was ich in meinem Hauſe eſſe oder trincke? Jch frage ja nicht darnach/ ob ein ander Crammetsvoͤgel oder Speck und Gruͤtzkohl eſſe. Jch goͤnne einem jeden/ auch meinem aͤrgſten Feind/ daß ihm Gott ſeinen Biſſen ſegnen und wol bekommen laſſen wolle. Was thut mir auch vonnoͤthen/ daß ich mich umb ſolcher Dinge wil- len coujomren laſſe? Wie mancher vornehmer Graf und Herꝛ iſt in Teutſchland/ der mir im fall der Noth ſo gut zu eſſen und zu trincken geben wuͤrde/ als er es an ſeiner Tafel hat/ wann ich mich in ſeine Dienſt begeben wolte? Wann ich zu Paſteten/ zu Tellerleckerey und Schmarotzerey luſt haͤtte/ wolte ich zu Hamburg occaſion genug dazu finden. Allein ich werde viel glaubwuͤrdige Leut finden/ welche mir O o v

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/627>, abgerufen am 22.11.2024.