Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite

Calender.
werden eure Augen auffgethan/ und werdet seyn wie
Gott/ und wissen was gut und böse ist.
Da der Sohn Got-
tes/ der allerbeste Prediger/ der jemals auff dem gantzen Erdboden
gangen/ der Meister mit der gelahrten Zunge/ der gewaltig predigte/
und nicht wie die Schrifftgelahrte/ mit den Juden im Tempel zu Je-
rusalem discurrirte Johan. 8. Da kamen die Prälaten und Estats-
Leute zu Jerusalem/ und deuteten ihm fast alle seine Wort anders
auß/ als seine Meynung war. Da er Johan. cap. 2. redete/ von dem
Tempel seines Leibes/ da wurde es ihm hernach/ als er gecreutziget
wurde/ also außgedeutet/ als ob er geredet habe von dem Tempel zu
Jerusalem. Jst das dem Sohn Gottes begegnet. was ist dann wun-
der daß mir armen Stümper dergleichen begegne. Wie kan Necta-
rius Butyrolambius,
der sich außgibt vor einen Medicum zu Am-
sterdam/ wissen/ ob die Espionen, welche von Jahren zu Jahren in
die Kirche zu S. Jacob sind geschickt worden/ alles recht angemercket/
und fideliter referiret haben? Dann wann solche Leute in die Kirche
gehen/ nicht auß Andacht oder auß Begierd etwas zu lernen/ und ihr
Leben auß der Predigt zu bessern/ sondern nur kommen auß curiosi-
tät/ wie die Phariseer/ welche offtmals auff Christum hielten/ und
laureten ob sie ihn fangen köndten in seiner Rede. So thut Gott der
heilige Geist solchen Leuten das Hertze nicht auff/ gleich wie Lydiä
der Purpurkrämerin/ sondern der Satan kommt/ wie auß der Para-
bel Luc. 8. zu sehen ist/ und nimbt das Wort von ihren Hertzen/ daß
sie nicht darauff Achtung geben/ wie ein Ding gemeynet sey/ wie es
appliciret werde. Gleichwie die Bienen auß den Blumen Honig
machen/ also saugen sie/ als gifftige Spinnen/ Gifft darauß. Als ich
erstlich nach Hamburg kam/ und mir alles Volck applaudirte, da
kam ich einsmals auff die Cantzel und sagte: Jhr meine liebe Zu-
hörer/ ich dancke euch vor die gute Affection/ so ich von
euch verspüret/ und versichere euch das/ wann ich euch
auff meinem Rücken tragen köndte biß in den Himmel/
ich wolte es thun. Alleinich werde euch jetzo etwas wün-
schen/ welches euch frembd und seltzam vorkommen
wird. Jch wünsche euch allesampt/ grossen und kleinen/
daß ihr heute lebendig möget zur Höllen fahren.
Und
schwiege darauff ein wenig stille. Als die Leute in der Kirchen seufftze-
ten/ und dachten/ was das vor ein Rede/ vor ein Wunsch seye von einem
Mann/ dem sie alles gutes gönneten/ da fuhr ich fort und sagte? Jch
wünsche euch nochmals/ daß ihr bey lebendigem Leibe
heute möget zur Höllen fahren mit Gedancken/ und möget
betrachten/ wie groß/ wie unaußsprechlich die Pein

der
P p iiij

Calender.
werden eure Augen auffgethan/ und werdet ſeyn wie
Gott/ und wiſſen was gut und boͤſe iſt.
Da der Sohn Got-
tes/ der allerbeſte Prediger/ der jemals auff dem gantzen Erdboden
gangen/ der Meiſter mit der gelahrten Zunge/ der gewaltig predigte/
und nicht wie die Schrifftgelahrte/ mit den Juden im Tempel zu Je-
ruſalem diſcurrirte Johan. 8. Da kamen die Praͤlaten und Eſtats-
Leute zu Jeruſalem/ und deuteten ihm faſt alle ſeine Wort anders
auß/ als ſeine Meynung war. Da er Johan. cap. 2. redete/ von dem
Tempel ſeines Leibes/ da wurde es ihm hernach/ als er gecreutziget
wurde/ alſo außgedeutet/ als ob er geredet habe von dem Tempel zu
Jeruſalem. Jſt das dem Sohn Gottes begegnet. was iſt dann wun-
der daß mir armen Stuͤmper dergleichen begegne. Wie kan Necta-
rius Butyrolambius,
der ſich außgibt vor einen Medicum zu Am-
ſterdam/ wiſſen/ ob die Eſpionen, welche von Jahren zu Jahren in
die Kirche zu S. Jacob ſind geſchickt worden/ alles recht angemercket/
und fideliter referiret haben? Dann wann ſolche Leute in die Kirche
gehen/ nicht auß Andacht oder auß Begierd etwas zu lernen/ und ihr
Leben auß der Predigt zu beſſern/ ſondern nur kommen auß curioſi-
taͤt/ wie die Phariſeer/ welche offtmals auff Chriſtum hielten/ und
laureten ob ſie ihn fangen koͤndten in ſeiner Rede. So thut Gott der
heilige Geiſt ſolchen Leuten das Hertze nicht auff/ gleich wie Lydiaͤ
der Purpurkraͤmerin/ ſondern der Satan kommt/ wie auß der Para-
bel Luc. 8. zu ſehen iſt/ und nimbt das Wort von ihren Hertzen/ daß
ſie nicht darauff Achtung geben/ wie ein Ding gemeynet ſey/ wie es
appliciret werde. Gleichwie die Bienen auß den Blumen Honig
machen/ alſo ſaugen ſie/ als gifftige Spinnen/ Gifft darauß. Als ich
erſtlich nach Hamburg kam/ und mir alles Volck applaudirte, da
kam ich einsmals auff die Cantzel und ſagte: Jhr meine liebe Zu-
hoͤrer/ ich dancke euch vor die gute Affection/ ſo ich von
euch verſpuͤret/ und verſichere euch das/ wann ich euch
auff meinem Ruͤcken tragen koͤndte biß in den Himmel/
ich wolte es thun. Alleinich werde euch jetzo etwas wuͤn-
ſchen/ welches euch frembd und ſeltzam vorkommen
wird. Jch wuͤnſche euch alleſampt/ groſſen und kleinen/
daß ihr heute lebendig moͤget zur Hoͤllen fahren.
Und
ſchwiege darauff ein wenig ſtille. Als die Leute in der Kirchen ſeufftze-
ten/ und dachtẽ/ was das vor ein Rede/ vor ein Wunſch ſeye von einem
Mann/ dem ſie alles gutes goͤnneten/ da fuhr ich fort und ſagte? Jch
wuͤnſche euch nochmals/ daß ihr bey lebendigem Leibe
heute moͤget zur Hoͤllen fahrẽ mit Gedanckẽ/ und moͤget
betrachten/ wie groß/ wie unaußſprechlich die Pein

der
P p iiij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0641" n="599"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Calender.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">werden eure Augen auffgethan/ und werdet &#x017F;eyn wie<lb/>
Gott/ und wi&#x017F;&#x017F;en was gut und bo&#x0364;&#x017F;e i&#x017F;t.</hi> Da der Sohn Got-<lb/>
tes/ der allerbe&#x017F;te Prediger/ der jemals auff dem gantzen Erdboden<lb/>
gangen/ der Mei&#x017F;ter mit der gelahrten Zunge/ der gewaltig predigte/<lb/>
und nicht wie die Schrifftgelahrte/ mit den Juden im Tempel zu Je-<lb/>
ru&#x017F;alem <hi rendition="#aq">di&#x017F;currirte</hi> Johan. 8. Da kamen die Pra&#x0364;laten und E&#x017F;tats-<lb/>
Leute zu Jeru&#x017F;alem/ und deuteten ihm fa&#x017F;t alle &#x017F;eine Wort anders<lb/>
auß/ als &#x017F;eine Meynung war. Da er Johan. cap. 2. redete/ von dem<lb/>
Tempel &#x017F;eines Leibes/ da wurde es ihm hernach/ als er gecreutziget<lb/>
wurde/ al&#x017F;o außgedeutet/ als ob er geredet habe von dem Tempel zu<lb/>
Jeru&#x017F;alem. J&#x017F;t das dem Sohn Gottes begegnet. was i&#x017F;t dann wun-<lb/>
der daß mir armen Stu&#x0364;mper dergleichen begegne. Wie kan <hi rendition="#aq">Necta-<lb/>
rius Butyrolambius,</hi> der &#x017F;ich außgibt vor einen <hi rendition="#aq">Medicum</hi> zu Am-<lb/>
&#x017F;terdam/ wi&#x017F;&#x017F;en/ ob die <hi rendition="#aq">E&#x017F;pionen,</hi> welche von Jahren zu Jahren in<lb/>
die Kirche zu S. Jacob &#x017F;ind ge&#x017F;chickt worden/ alles recht angemercket/<lb/>
und <hi rendition="#aq">fideliter referiret</hi> haben? Dann wann &#x017F;olche Leute in die Kirche<lb/>
gehen/ nicht auß Andacht oder auß Begierd etwas zu lernen/ und ihr<lb/>
Leben auß der Predigt zu be&#x017F;&#x017F;ern/ &#x017F;ondern nur kommen auß <hi rendition="#aq">curio&#x017F;i-</hi><lb/>
ta&#x0364;t/ wie die Phari&#x017F;eer/ welche offtmals auff Chri&#x017F;tum hielten/ und<lb/>
laureten ob &#x017F;ie ihn fangen ko&#x0364;ndten in &#x017F;einer Rede. So thut Gott der<lb/>
heilige Gei&#x017F;t &#x017F;olchen Leuten das Hertze nicht auff/ gleich wie Lydia&#x0364;<lb/>
der Purpurkra&#x0364;merin/ &#x017F;ondern der Satan kommt/ wie auß der Para-<lb/>
bel Luc. 8. zu &#x017F;ehen i&#x017F;t/ und nimbt das Wort von ihren Hertzen/ daß<lb/>
&#x017F;ie nicht darauff Achtung geben/ wie ein Ding gemeynet &#x017F;ey/ wie es<lb/><hi rendition="#aq">appliciret</hi> werde. Gleichwie die Bienen auß den Blumen Honig<lb/>
machen/ al&#x017F;o &#x017F;augen &#x017F;ie/ als gifftige Spinnen/ Gifft darauß. Als ich<lb/>
er&#x017F;tlich nach Hamburg kam/ und mir alles Volck <hi rendition="#aq">applaudirte,</hi> da<lb/>
kam ich einsmals auff die Cantzel und &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Jhr meine liebe Zu-<lb/>
ho&#x0364;rer/ ich dancke euch vor die gute Affection/ &#x017F;o ich von<lb/>
euch ver&#x017F;pu&#x0364;ret/ und ver&#x017F;ichere euch das/ wann ich euch<lb/>
auff meinem Ru&#x0364;cken tragen ko&#x0364;ndte biß in den Himmel/<lb/>
ich wolte es thun. Alleinich werde euch jetzo etwas wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen/ welches euch frembd und &#x017F;eltzam vorkommen<lb/>
wird. Jch wu&#x0364;n&#x017F;che euch alle&#x017F;ampt/ gro&#x017F;&#x017F;en und kleinen/<lb/>
daß ihr heute lebendig mo&#x0364;get zur Ho&#x0364;llen fahren.</hi> Und<lb/>
&#x017F;chwiege darauff ein wenig &#x017F;tille. Als die Leute in der Kirchen &#x017F;eufftze-<lb/>
ten/ und dachte&#x0303;/ was das vor ein Rede/ vor ein Wun&#x017F;ch &#x017F;eye von einem<lb/>
Mann/ dem &#x017F;ie alles gutes go&#x0364;nneten/ da fuhr ich fort und &#x017F;agte? <hi rendition="#fr">Jch<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;che euch nochmals/ daß ihr bey lebendigem Leibe<lb/>
heute mo&#x0364;get zur Ho&#x0364;llen fahre&#x0303; mit Gedancke&#x0303;/ und mo&#x0364;get<lb/>
betrachten/ wie groß/ wie unauß&#x017F;prechlich die Pein</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">P p iiij</hi></fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">der</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[599/0641] Calender. werden eure Augen auffgethan/ und werdet ſeyn wie Gott/ und wiſſen was gut und boͤſe iſt. Da der Sohn Got- tes/ der allerbeſte Prediger/ der jemals auff dem gantzen Erdboden gangen/ der Meiſter mit der gelahrten Zunge/ der gewaltig predigte/ und nicht wie die Schrifftgelahrte/ mit den Juden im Tempel zu Je- ruſalem diſcurrirte Johan. 8. Da kamen die Praͤlaten und Eſtats- Leute zu Jeruſalem/ und deuteten ihm faſt alle ſeine Wort anders auß/ als ſeine Meynung war. Da er Johan. cap. 2. redete/ von dem Tempel ſeines Leibes/ da wurde es ihm hernach/ als er gecreutziget wurde/ alſo außgedeutet/ als ob er geredet habe von dem Tempel zu Jeruſalem. Jſt das dem Sohn Gottes begegnet. was iſt dann wun- der daß mir armen Stuͤmper dergleichen begegne. Wie kan Necta- rius Butyrolambius, der ſich außgibt vor einen Medicum zu Am- ſterdam/ wiſſen/ ob die Eſpionen, welche von Jahren zu Jahren in die Kirche zu S. Jacob ſind geſchickt worden/ alles recht angemercket/ und fideliter referiret haben? Dann wann ſolche Leute in die Kirche gehen/ nicht auß Andacht oder auß Begierd etwas zu lernen/ und ihr Leben auß der Predigt zu beſſern/ ſondern nur kommen auß curioſi- taͤt/ wie die Phariſeer/ welche offtmals auff Chriſtum hielten/ und laureten ob ſie ihn fangen koͤndten in ſeiner Rede. So thut Gott der heilige Geiſt ſolchen Leuten das Hertze nicht auff/ gleich wie Lydiaͤ der Purpurkraͤmerin/ ſondern der Satan kommt/ wie auß der Para- bel Luc. 8. zu ſehen iſt/ und nimbt das Wort von ihren Hertzen/ daß ſie nicht darauff Achtung geben/ wie ein Ding gemeynet ſey/ wie es appliciret werde. Gleichwie die Bienen auß den Blumen Honig machen/ alſo ſaugen ſie/ als gifftige Spinnen/ Gifft darauß. Als ich erſtlich nach Hamburg kam/ und mir alles Volck applaudirte, da kam ich einsmals auff die Cantzel und ſagte: Jhr meine liebe Zu- hoͤrer/ ich dancke euch vor die gute Affection/ ſo ich von euch verſpuͤret/ und verſichere euch das/ wann ich euch auff meinem Ruͤcken tragen koͤndte biß in den Himmel/ ich wolte es thun. Alleinich werde euch jetzo etwas wuͤn- ſchen/ welches euch frembd und ſeltzam vorkommen wird. Jch wuͤnſche euch alleſampt/ groſſen und kleinen/ daß ihr heute lebendig moͤget zur Hoͤllen fahren. Und ſchwiege darauff ein wenig ſtille. Als die Leute in der Kirchen ſeufftze- ten/ und dachtẽ/ was das vor ein Rede/ vor ein Wunſch ſeye von einem Mann/ dem ſie alles gutes goͤnneten/ da fuhr ich fort und ſagte? Jch wuͤnſche euch nochmals/ daß ihr bey lebendigem Leibe heute moͤget zur Hoͤllen fahrẽ mit Gedanckẽ/ und moͤget betrachten/ wie groß/ wie unaußſprechlich die Pein der P p iiij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/641
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/641>, abgerufen am 26.06.2024.