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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Abgenöhtigte
Allein er saget auch in nachfolgenden Capittel: was sollen wir dann
hierauff sagen? Sollen wir dann in Sünden verharren/ auff daß die
Gnade desto mächtiger werde? das sey ferne. Wie solten wir in Sün-
den wollen wandeln/ deren wir abgestorben sind? darauß wir sehen/
daß wir zwar nicht sollen verzweiffeln und verzagen/ wir sollen aber
auch nicht keck und sicher werden/ und auff Gottes Barmhertzigkeit
sündigen. Denn wer auff Barmhertzigkeit sündiget/ dem wird mit
Unbarmhertzigkeit gelohnet werden. Wir sollen nicht seyn wie die
Bäume/ welche nur Blätter haben/ und keine Frucht bringen/ son-
dern wir sollen seyn wie die Bäume so geflantzet sind an den Wasser-
bächen/ welche Frucht bringen zu rechter Zeit. Früchte/ Früchte
wil Gott von uns haben/ dann ein solcher Baum/ der nit Frucht brin-
get wird abgehauen/ und ins Feuer geworffen werden.

Jhr höret/ daß der Sohn Gottes im heutigen Evangelio saget:
Es werden nicht alle/ die zu mir sagen: HErr/ HErr/ ins
Himmelreich kommen/ sondern die den Willen thun mei-
nes Vaters im Himmel.
Das gantze Pabstum ist voll Domine,
Domine,
HErr/ HErr/ da ist ein hauffen Wachen/ Opffern/ Seel-
messen/ Wallfahrt und dergleichen. Aber sie thun hierinnen nicht den
Willen des Vaters im Himmel. Wir Lutheraner rühmen uns der
Reformation/ allein wir leben offt nicht wie die Menschen/ sondern
wie die Teuffel/ wir stincken für lauter Heucheley; Heucheley aber ist/
wann man viel gutes Dinges saget/ und doch nicht darnach thut.
Mancher weiß von Religions-Sachen artig zu disputiren/ allein er
führt ein Leben wie ein Heid/ der nichts von Gott weiß. Viel sind/
von denen man sagen könte: Du bist ein guter Christ/ biß auff
das Thun.
Allein bey einem rechtschaffenen Christen soll und muß
Glauben und Leben bey einander seyn. Damit sich nun jederman
lerne erkennen/ so gehet Christus der HErr im heutigen Evangelio
durch alle Stände/ und giebet einem jeden seinen Text/ und saget: Es
werden viel zu mir sagen an jenem Tage/ HErr/ HErr/
haben wir nicht in deinem Namen geweissaget?
Das ist
ein Text für die Geistliche/ die ihr heiliges Ampt/ durch ein ärgerlich
Leben unehren. Die werden sich am Jüngsten Tage verwundern/
warumb sie in die Hölle sollen? Dann werden sie sagen: HERR/
HErr/ haben wir nicht in deinem Namen geweissaget?

Haben wir nicht viel schöner Bücher von der Religion geschrieben?
Haben wir nicht wider die Papisten/ die Calvinisten/ die Juden und
andere Ketzer gar scharffsinnig disputiret? Haben wir nicht manche
tröstliche Predigt gehalten? Zum andern saget Christus/ es werden
ihr viel sagen am Jüngsten Tag; HErr/ HErr/ haben wir nit
in deinem Namen Teuffel außgetrieben?
Das ist ein Text für

die

Abgenoͤhtigte
Allein er ſaget auch in nachfolgenden Capittel: was ſollen wir dann
hierauff ſagen? Sollen wir dann in Suͤnden verharꝛen/ auff daß die
Gnade deſto maͤchtiger werde? das ſey ferne. Wie ſolten wir in Suͤn-
den wollen wandeln/ deren wir abgeſtorben ſind? darauß wir ſehen/
daß wir zwar nicht ſollen verzweiffeln und verzagen/ wir ſollen aber
auch nicht keck und ſicher werden/ und auff Gottes Barmhertzigkeit
ſuͤndigen. Denn wer auff Barmhertzigkeit ſuͤndiget/ dem wird mit
Unbarmhertzigkeit gelohnet werden. Wir ſollen nicht ſeyn wie die
Baͤume/ welche nur Blaͤtter haben/ und keine Frucht bringen/ ſon-
dern wir ſollen ſeyn wie die Baͤume ſo geflantzet ſind an den Waſſer-
baͤchen/ welche Frucht bringen zu rechter Zeit. Früchte/ Fruͤchte
wil Gott von uns haben/ dann ein ſolcher Baum/ der nit Frucht brin-
get wird abgehauen/ und ins Feuer geworffen werden.

Jhr hoͤret/ daß der Sohn Gottes im heutigen Evangelio ſaget:
Es weꝛden nicht alle/ die zu mir ſagen: HErr/ HErr/ ins
Himmelreich kommẽ/ ſondern die den Willen thun mei-
nes Vaters im Himmel.
Das gantze Pabſtum iſt voll Domine,
Domine,
HErꝛ/ HErꝛ/ da iſt ein hauffen Wachen/ Opffern/ Seel-
meſſen/ Wallfahrt und dergleichen. Aber ſie thun hierinnen nicht den
Willen des Vaters im Himmel. Wir Lutheraner ruͤhmen uns der
Reformation/ allein wir leben offt nicht wie die Menſchen/ ſondern
wie die Teuffel/ wir ſtincken fuͤr lauter Heucheley; Heucheley aber iſt/
wann man viel gutes Dinges ſaget/ und doch nicht darnach thut.
Mancher weiß von Religions-Sachen artig zu diſputiren/ allein er
fuͤhrt ein Leben wie ein Heid/ der nichts von Gott weiß. Viel ſind/
von denen man ſagen koͤnte: Du biſt ein guter Chriſt/ biß auff
das Thun.
Allein bey einem rechtſchaffenen Chriſten ſoll und muß
Glauben und Leben bey einander ſeyn. Damit ſich nun jedeꝛman
lerne erkennen/ ſo gehet Chriſtus der HErꝛ im heutigen Evangelio
durch alle Staͤnde/ und giebet einem jeden ſeinen Text/ und ſaget: Es
werden viel zu mir ſagen an jenem Tage/ HErꝛ/ HErꝛ/
haben wir nicht in deinem Namen geweiſſaget?
Das iſt
ein Text fuͤr die Geiſtliche/ die ihr heiliges Ampt/ durch ein aͤrgerlich
Leben unehren. Die werden ſich am Juͤngſten Tage verwundern/
warumb ſie in die Hoͤlle ſollen? Dann werden ſie ſagen: HERR/
HErꝛ/ haben wir nicht in deinem Namen geweiſſaget?

Haben wir nicht viel ſchoͤner Buͤcher von der Religion geſchrieben?
Haben wir nicht wider die Papiſten/ die Calviniſten/ die Juden und
andere Ketzer gar ſcharffſinnig diſputiret? Haben wir nicht manche
troͤſtliche Predigt gehalten? Zum andern ſaget Chriſtus/ es werden
ihr viel ſagen am Juͤngſten Tag; HErꝛ/ HErꝛ/ haben wir nit
in deinem Namen Teuffel außgetrieben?
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[640/0682] Abgenoͤhtigte Allein er ſaget auch in nachfolgenden Capittel: was ſollen wir dann hierauff ſagen? Sollen wir dann in Suͤnden verharꝛen/ auff daß die Gnade deſto maͤchtiger werde? das ſey ferne. Wie ſolten wir in Suͤn- den wollen wandeln/ deren wir abgeſtorben ſind? darauß wir ſehen/ daß wir zwar nicht ſollen verzweiffeln und verzagen/ wir ſollen aber auch nicht keck und ſicher werden/ und auff Gottes Barmhertzigkeit ſuͤndigen. Denn wer auff Barmhertzigkeit ſuͤndiget/ dem wird mit Unbarmhertzigkeit gelohnet werden. Wir ſollen nicht ſeyn wie die Baͤume/ welche nur Blaͤtter haben/ und keine Frucht bringen/ ſon- dern wir ſollen ſeyn wie die Baͤume ſo geflantzet ſind an den Waſſer- baͤchen/ welche Frucht bringen zu rechter Zeit. Früchte/ Fruͤchte wil Gott von uns haben/ dann ein ſolcher Baum/ der nit Frucht brin- get wird abgehauen/ und ins Feuer geworffen werden. Jhr hoͤret/ daß der Sohn Gottes im heutigen Evangelio ſaget: Es weꝛden nicht alle/ die zu mir ſagen: HErr/ HErr/ ins Himmelreich kommẽ/ ſondern die den Willen thun mei- nes Vaters im Himmel. Das gantze Pabſtum iſt voll Domine, Domine, HErꝛ/ HErꝛ/ da iſt ein hauffen Wachen/ Opffern/ Seel- meſſen/ Wallfahrt und dergleichen. Aber ſie thun hierinnen nicht den Willen des Vaters im Himmel. Wir Lutheraner ruͤhmen uns der Reformation/ allein wir leben offt nicht wie die Menſchen/ ſondern wie die Teuffel/ wir ſtincken fuͤr lauter Heucheley; Heucheley aber iſt/ wann man viel gutes Dinges ſaget/ und doch nicht darnach thut. Mancher weiß von Religions-Sachen artig zu diſputiren/ allein er fuͤhrt ein Leben wie ein Heid/ der nichts von Gott weiß. Viel ſind/ von denen man ſagen koͤnte: Du biſt ein guter Chriſt/ biß auff das Thun. Allein bey einem rechtſchaffenen Chriſten ſoll und muß Glauben und Leben bey einander ſeyn. Damit ſich nun jedeꝛman lerne erkennen/ ſo gehet Chriſtus der HErꝛ im heutigen Evangelio durch alle Staͤnde/ und giebet einem jeden ſeinen Text/ und ſaget: Es werden viel zu mir ſagen an jenem Tage/ HErꝛ/ HErꝛ/ haben wir nicht in deinem Namen geweiſſaget? Das iſt ein Text fuͤr die Geiſtliche/ die ihr heiliges Ampt/ durch ein aͤrgerlich Leben unehren. Die werden ſich am Juͤngſten Tage verwundern/ warumb ſie in die Hoͤlle ſollen? Dann werden ſie ſagen: HERR/ HErꝛ/ haben wir nicht in deinem Namen geweiſſaget? Haben wir nicht viel ſchoͤner Buͤcher von der Religion geſchrieben? Haben wir nicht wider die Papiſten/ die Calviniſten/ die Juden und andere Ketzer gar ſcharffſinnig diſputiret? Haben wir nicht manche troͤſtliche Predigt gehalten? Zum andern ſaget Chriſtus/ es werden ihr viel ſagen am Juͤngſten Tag; HErꝛ/ HErꝛ/ haben wir nit in deinem Namen Teuffel außgetrieben? Das iſt ein Text fuͤr die

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/682>, abgerufen am 28.09.2024.