Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Dissertatio, der Forcht halber unsicheres Thun ist. Aber die Bettler ohne alle in-quisition, werden leicht zugelassen/ nicht anderst als wann sie in sel- bigen Städten und Provintzen geboren und aufferzogen weren wor- den. Diese allein werden nicht examinirt und befragt. Jst auch kein wunder. Dann sie seynd von Christo unserm Heyland/ dem König aller König/ dem gantzen menschlichen Geschlecht über die massen befohlen. Von diesem haben sie Salvum conductum, von diesem haben sie Paßbrieff/ durch diese redet Christus alle Reich an/ es seyen Kauffherren/ vom Adel oder Fürsten/ oder was es für andere seyn mögen/ sprechend: Gebt DENEN/ und es wird euch gegeben wer- den. Wer wolt sich wideren/ ein wenig den jenigen zu geben/ wann Gott verspricht solches mit grossem Gewin zuerwidern? Wer wolte außschlagen den Menschen gutes zu beweisen/ wann dieses der jenige befilcht so die Menschen gemacht hat? GOtt versicht und verhält zwar alle Creaturen/ auch die kleine Thierlein und Vögelein/ welche von den Menschen vernachlässiget werden. Aber vor allem ist sein Sorg wunderlich gegen den Bettlern. Sintemal sie säen nicht/ sie schneiden nicht ein/ weniger samlen sie in die Scheuren: Und der alte beste himmlische Vater speiset sie nichts desto weniger. Sagt mir/ wann erhört seye worden/ daß ein Bettler von Hunger gestorben seye/ wann nicht vielleicht andere als Bettler verhungert seyn? Sie haben auch nicht die Sahlbaderianische Schul/ sag ich/ die Sa- lernitanische/ oder andere hinckende Verß von Erhaltung der Ge- sundheit gelernet. Sie fragen gar nichts nach der Regul; Ut sis nocte levis, sit tibi coenabrevis: Daß du zu Nacht seyest ring/ so brauch fürs Nachtmal wenig Ding. Sie gehen zu keinem Apotecker/ damit sie ein Elixir deß Paracelsi Eigenschafft/ ein Schmalkaldischen Balsam von Schwefel/ oder wie derselbig redete Sulpherem Balthasaris, den Schwebel Balthasars/ oder andere Trüncklein und Ptllulen kauffen. Sie brauchen kein Saurbrunnen/ keine Bäder/ und haben doch gewünschte und gantz gute Gesundheit/ also daß sie das Leben offtermalen gar lang hinauß führen. Wann wir die praecepta und Befelch Hippocratis, nach derselben diaeta und Ordnung zu leben examiniren, verwundern wir uns/ daß es beschehen könne. Es bezeugt aber die Erfahrung daß es beschehe. Sie wissen nicht welche Speisen gesund/ welche schädlich seyen. Aber ohne Unterscheid und Wahl essen sie die nechst die beste. Und/ welches dich wunder nehmen sol/ offt/ was anderen schädlich ist/ kommt ihnen zur Gesunde/ als wann sich die Natur der Sachen selbst verendern thäte. Wann bißweilen ein Bettler kranck ist/ truckt er für das Beth die har- te Erden/ und hat für sein Bekleidung ein alten Fetzen/ oder der Him- mel selbst. Es laufft der Artzt nicht hinzu/ welcher die Puls greiffe/ oder
Diſſertatio, der Forcht halber unſicheres Thun iſt. Aber die Bettler ohne alle in-quiſition, werden leicht zugelaſſen/ nicht anderſt als wann ſie in ſel- bigen Staͤdten und Provintzen geboren und aufferzogen weren wor- den. Dieſe allein werden nicht examinirt und befragt. Jſt auch kein wunder. Dann ſie ſeynd von Chriſto unſerm Heyland/ dem Koͤnig aller Koͤnig/ dem gantzen menſchlichen Geſchlecht uͤber die maſſen befohlen. Von dieſem haben ſie Salvum conductum, von dieſem haben ſie Paßbrieff/ durch dieſe redet Chriſtus alle Reich an/ es ſeyen Kauffherꝛen/ vom Adel oder Fuͤrſten/ oder was es fuͤr andere ſeyn moͤgen/ ſprechend: Gebt DENEN/ und es wird euch gegeben wer- den. Wer wolt ſich wideren/ ein wenig den jenigen zu geben/ wann Gott verſpricht ſolches mit groſſem Gewin zuerwidern? Wer wolte außſchlagen den Menſchen gutes zu beweiſen/ wann dieſes der jenige befilcht ſo die Menſchen gemacht hat? GOtt verſicht und verhaͤlt zwar alle Creaturen/ auch die kleine Thierlein und Voͤgelein/ welche von den Menſchen vernachlaͤſſiget werden. Aber vor allem iſt ſein Sorg wunderlich gegen den Bettlern. Sintemal ſie ſaͤen nicht/ ſie ſchneiden nicht ein/ weniger ſamlen ſie in die Scheuren: Und der alte beſte himmliſche Vater ſpeiſet ſie nichts deſto weniger. Sagt mir/ wann erhoͤrt ſeye worden/ daß ein Bettler von Hunger geſtorben ſeye/ wann nicht vielleicht andere als Bettler verhungert ſeyn? Sie haben auch nicht die Sahlbaderianiſche Schul/ ſag ich/ die Sa- lernitaniſche/ oder andere hinckende Verß von Erhaltung der Ge- ſundheit gelernet. Sie fragen gar nichts nach der Regul; Ut ſis nocte levis, ſit tibi cœnabrevis: Daß du zu Nacht ſeyeſt ring/ ſo brauch fuͤrs Nachtmal wenig Ding. Sie gehen zu keinem Apotecker/ damit ſie ein Elixir deß Paracelſi Eigenſchafft/ ein Schmalkaldiſchen Balſam von Schwefel/ oder wie derſelbig redete Sulpherem Balthaſaris, den Schwebel Balthaſars/ oder andere Truͤncklein und Ptllulen kauffen. Sie brauchen kein Saurbrunnen/ keine Baͤder/ und haben doch gewuͤnſchte und gantz gute Geſundheit/ alſo daß ſie das Leben offtermalen gar lang hinauß fuͤhren. Wann wir die præcepta und Befelch Hippocratis, nach derſelben diæta und Ordnung zu leben examiniren, verwundern wir uns/ daß es beſchehen koͤnne. Es bezeugt aber die Erfahrung daß es beſchehe. Sie wiſſen nicht welche Speiſen geſund/ welche ſchaͤdlich ſeyen. Aber ohne Unterſcheid und Wahl eſſen ſie die nechſt die beſte. Und/ welches dich wunder nehmen ſol/ offt/ was anderen ſchaͤdlich iſt/ kommt ihnen zur Geſunde/ als wann ſich die Natur der Sachẽ ſelbſt verendern thaͤte. Wann bißweilen ein Bettler kranck iſt/ truckt er fuͤr das Beth die har- te Erden/ und hat fuͤr ſein Bekleidung ein alten Fetzen/ oder der Him- mel ſelbſt. Es laufft der Artzt nicht hinzu/ welcher die Puls greiffe/ oder
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bigen Staͤdten und Provintzen geboren und aufferzogen weren wor-
den. Dieſe allein werden nicht examinirt und befragt. Jſt auch kein
wunder. Dann ſie ſeynd von Chriſto unſerm Heyland/ dem Koͤnig
aller Koͤnig/ dem gantzen menſchlichen Geſchlecht uͤber die maſſen
befohlen. Von dieſem haben ſie Salvum conductum, von dieſem
haben ſie Paßbrieff/ durch dieſe redet Chriſtus alle Reich an/ es ſeyen
Kauffherꝛen/ vom Adel oder Fuͤrſten/ oder was es fuͤr andere ſeyn
moͤgen/ ſprechend: Gebt DENEN/ und es wird euch gegeben wer-
den. Wer wolt ſich wideren/ ein wenig den jenigen zu geben/ wann
Gott verſpricht ſolches mit groſſem Gewin zuerwidern? Wer wolte
außſchlagen den Menſchen gutes zu beweiſen/ wann dieſes der jenige
befilcht ſo die Menſchen gemacht hat? GOtt verſicht und verhaͤlt
zwar alle Creaturen/ auch die kleine Thierlein und Voͤgelein/ welche
von den Menſchen vernachlaͤſſiget werden. Aber vor allem iſt ſein
Sorg wunderlich gegen den Bettlern. Sintemal ſie ſaͤen nicht/ ſie
ſchneiden nicht ein/ weniger ſamlen ſie in die Scheuren: Und der alte
beſte himmliſche Vater ſpeiſet ſie nichts deſto weniger. Sagt mir/
wann erhoͤrt ſeye worden/ daß ein Bettler von Hunger geſtorben
ſeye/ wann nicht vielleicht andere als Bettler verhungert ſeyn?
Sie haben auch nicht die Sahlbaderianiſche Schul/ ſag ich/ die Sa-
lernitaniſche/ oder andere hinckende Verß von Erhaltung der Ge-
ſundheit gelernet. Sie fragen gar nichts nach der Regul; Ut ſis
nocte levis, ſit tibi cœnabrevis: Daß du zu Nacht ſeyeſt
ring/ ſo brauch fuͤrs Nachtmal wenig Ding. Sie gehen zu
keinem Apotecker/ damit ſie ein Elixir deß Paracelſi Eigenſchafft/ ein
Schmalkaldiſchen Balſam von Schwefel/ oder wie derſelbig redete
Sulpherem Balthaſaris, den Schwebel Balthaſars/ oder andere
Truͤncklein und Ptllulen kauffen. Sie brauchen kein Saurbrunnen/
keine Baͤder/ und haben doch gewuͤnſchte und gantz gute Geſundheit/
alſo daß ſie das Leben offtermalen gar lang hinauß fuͤhren. Wann
wir die præcepta und Befelch Hippocratis, nach derſelben diæta
und Ordnung zu leben examiniren, verwundern wir uns/ daß es
beſchehen koͤnne. Es bezeugt aber die Erfahrung daß es beſchehe. Sie
wiſſen nicht welche Speiſen geſund/ welche ſchaͤdlich ſeyen. Aber ohne
Unterſcheid und Wahl eſſen ſie die nechſt die beſte. Und/ welches dich
wunder nehmen ſol/ offt/ was anderen ſchaͤdlich iſt/ kommt ihnen zur
Geſunde/ als wann ſich die Natur der Sachẽ ſelbſt verendern thaͤte.
Wann bißweilen ein Bettler kranck iſt/ truckt er fuͤr das Beth die har-
te Erden/ und hat fuͤr ſein Bekleidung ein alten Fetzen/ oder der Him-
mel ſelbſt. Es laufft der Artzt nicht hinzu/ welcher die Puls greiffe/
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/738>, abgerufen am 29.06.2024. |