Dank bezahlen. Laßt es uns auf unsere Schultern neh¬ men und über den Sand hintragen, den Spuren des Meerpferdes nach. Dieses wird ja nicht in den Boden schlüpfen, sondern uns den Weg zu irgend einem Stapel¬ platze zeigen." Gesagt, gethan. Die Göttersöhne nahmen das Schiff auf ihre Schultern und seufzten zwölf Tage und zwölf Nächte wandernd unter der Last. Immer ging es über öde wasserlose Sandflächen hin; hätte sie ein Gott nicht gestärkt, sie wären am ersten Tage erlegen. So aber kamen sie endlich glücklich an die tritonische Meerbucht; hier legten sie es von den Schultern nieder, und suchten, vom Durste gepeinigt, wie wüthende Hunde, nach einem Quell. Unterwegs begegnete der Sänger Orpheus den Hesperiden, den lieblich singenden Nymphen, welche auf dem heiligen Felde saßen, wo der Drache La¬ don die goldenen Aepfel gehütet hatte. Diese flehte der Sänger an, den Schmachtenden eine Wasserquelle zu zei¬ gen. Die Nymphen erbarmten sich und die Vornehmste unter ihnen, Aegle, fing an zu erzählen: "Gewiß ist der kühne Räuber, der gestern hier erschienen ist, dem Dra¬ chen das Leben und uns die goldenen Aepfel genommen hat, euch zum Heile erschienen, ihr Fremdlinge. Es war ein wilder Mann, seine Augen funkelten unter der zorni¬ gen Stirne; eine rohe Löwenhaut hing ihm über die Schultern, in der Hand trug er einen Oelzweig und die Pfeile, mit welchen er das Ungeheuer erlegt hat. Auch er kam durstig von der Sandwüste her; da er nirgends Wasser fand, stieß er mit seiner Ferse an einen Felsen. Wie von einem Zauberschlag entfloß diesem reichliches Wasser und der schreckliche Mann legte sich bis an die Brust auf den Boden, stemmte sich mit beiden Händen
Dank bezahlen. Laßt es uns auf unſere Schultern neh¬ men und über den Sand hintragen, den Spuren des Meerpferdes nach. Dieſes wird ja nicht in den Boden ſchlüpfen, ſondern uns den Weg zu irgend einem Stapel¬ platze zeigen.“ Geſagt, gethan. Die Götterſöhne nahmen das Schiff auf ihre Schultern und ſeufzten zwölf Tage und zwölf Nächte wandernd unter der Laſt. Immer ging es über öde waſſerloſe Sandflächen hin; hätte ſie ein Gott nicht geſtärkt, ſie wären am erſten Tage erlegen. So aber kamen ſie endlich glücklich an die tritoniſche Meerbucht; hier legten ſie es von den Schultern nieder, und ſuchten, vom Durſte gepeinigt, wie wüthende Hunde, nach einem Quell. Unterwegs begegnete der Sänger Orpheus den Hesperiden, den lieblich ſingenden Nymphen, welche auf dem heiligen Felde ſaßen, wo der Drache La¬ don die goldenen Aepfel gehütet hatte. Dieſe flehte der Sänger an, den Schmachtenden eine Waſſerquelle zu zei¬ gen. Die Nymphen erbarmten ſich und die Vornehmſte unter ihnen, Aegle, fing an zu erzählen: „Gewiß iſt der kühne Räuber, der geſtern hier erſchienen iſt, dem Dra¬ chen das Leben und uns die goldenen Aepfel genommen hat, euch zum Heile erſchienen, ihr Fremdlinge. Es war ein wilder Mann, ſeine Augen funkelten unter der zorni¬ gen Stirne; eine rohe Löwenhaut hing ihm über die Schultern, in der Hand trug er einen Oelzweig und die Pfeile, mit welchen er das Ungeheuer erlegt hat. Auch er kam durſtig von der Sandwüſte her; da er nirgends Waſſer fand, ſtieß er mit ſeiner Ferſe an einen Felſen. Wie von einem Zauberſchlag entfloß dieſem reichliches Waſſer und der ſchreckliche Mann legte ſich bis an die Bruſt auf den Boden, ſtemmte ſich mit beiden Händen
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Dank bezahlen. Laßt es uns auf unſere Schultern neh¬
men und über den Sand hintragen, den Spuren des
Meerpferdes nach. Dieſes wird ja nicht in den Boden
ſchlüpfen, ſondern uns den Weg zu irgend einem Stapel¬
platze zeigen.“ Geſagt, gethan. Die Götterſöhne nahmen
das Schiff auf ihre Schultern und ſeufzten zwölf Tage
und zwölf Nächte wandernd unter der Laſt. Immer ging
es über öde waſſerloſe Sandflächen hin; hätte ſie ein
Gott nicht geſtärkt, ſie wären am erſten Tage erlegen.
So aber kamen ſie endlich glücklich an die tritoniſche
Meerbucht; hier legten ſie es von den Schultern nieder,
und ſuchten, vom Durſte gepeinigt, wie wüthende Hunde,
nach einem Quell. Unterwegs begegnete der Sänger
Orpheus den Hesperiden, den lieblich ſingenden Nymphen,
welche auf dem heiligen Felde ſaßen, wo der Drache La¬
don die goldenen Aepfel gehütet hatte. Dieſe flehte der
Sänger an, den Schmachtenden eine Waſſerquelle zu zei¬
gen. Die Nymphen erbarmten ſich und die Vornehmſte
unter ihnen, Aegle, fing an zu erzählen: „Gewiß iſt der
kühne Räuber, der geſtern hier erſchienen iſt, dem Dra¬
chen das Leben und uns die goldenen Aepfel genommen
hat, euch zum Heile erſchienen, ihr Fremdlinge. Es war
ein wilder Mann, ſeine Augen funkelten unter der zorni¬
gen Stirne; eine rohe Löwenhaut hing ihm über die
Schultern, in der Hand trug er einen Oelzweig und die
Pfeile, mit welchen er das Ungeheuer erlegt hat. Auch
er kam durſtig von der Sandwüſte her; da er nirgends
Waſſer fand, ſtieß er mit ſeiner Ferſe an einen Felſen.
Wie von einem Zauberſchlag entfloß dieſem reichliches
Waſſer und der ſchreckliche Mann legte ſich bis an die
Bruſt auf den Boden, ſtemmte ſich mit beiden Händen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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