ihre Schätze mit dem Helden Menelaus vor allem Volke den Zweikampf wagen. Wer von uns beiden siegt, mag sie heimführen; ein Bund soll es bekräftigen; ihr bauet alsdann das trojanische Land in Frieden und jene schiffen heim gen Argos."
Eine freudige Ueberraschung hatte sich Hektors bei diesen Worten seines Bruders bemächtigt; er trat vor die Schlachtordnung heraus in die Mitte und hemmte, den Speer vorhaltend, den Anlauf der trojanischen Haufen. Als die Griechen seiner ansichtig wurden, zielten sie in die Wette mit Wurfspießen, Pfeilen und Steinen nach ihm. Agamemnon aber rief laut nach den griechischen Reihen zurück: "Haltet ein, Argiver, werfet nicht, der helmumflatterte Hektor begehrt zu reden!" Die Griechen ließen ihre Hände sinken und verharrten in Schweigen rings umher; und nun verkündete Hektor mit lauter Stimme den Völkern den Entschluß seines Bruders Paris. Seine Rede beantwortete ein tiefes Stillschweigen. End¬ lich nahm Menelaus vor den Heeren das Wort: "Hört mich an," rief er, "mich, auf dessen Seele der allgemeine Kummer am schwersten lastet! Endlich, hoffe ich, werdet ihr, Argiver und Trojaner, nachdem ihr um des Streites willen, den Paris angefacht, so viel Schlimmes erduldet habt, versöhnt von einander scheiden! Einer von uns Zweien, welchen auch das Schicksal auserkohren hat, soll sterben; ihr Andern aber sollt in Frieden scheiden. Laßt uns opfern und schwören, alsdann mag der Zweikampf beginnen!"
Beide Heere wurden froh über diesen Worten, denn sie sehnten sich nach einem Ende des unseligen Kriegs. Auf beiden Seiten zogen die Wagenlenker den Rossen die
ihre Schätze mit dem Helden Menelaus vor allem Volke den Zweikampf wagen. Wer von uns beiden ſiegt, mag ſie heimführen; ein Bund ſoll es bekräftigen; ihr bauet alsdann das trojaniſche Land in Frieden und jene ſchiffen heim gen Argos.“
Eine freudige Ueberraſchung hatte ſich Hektors bei dieſen Worten ſeines Bruders bemächtigt; er trat vor die Schlachtordnung heraus in die Mitte und hemmte, den Speer vorhaltend, den Anlauf der trojaniſchen Haufen. Als die Griechen ſeiner anſichtig wurden, zielten ſie in die Wette mit Wurfſpießen, Pfeilen und Steinen nach ihm. Agamemnon aber rief laut nach den griechiſchen Reihen zurück: „Haltet ein, Argiver, werfet nicht, der helmumflatterte Hektor begehrt zu reden!“ Die Griechen ließen ihre Hände ſinken und verharrten in Schweigen rings umher; und nun verkündete Hektor mit lauter Stimme den Völkern den Entſchluß ſeines Bruders Paris. Seine Rede beantwortete ein tiefes Stillſchweigen. End¬ lich nahm Menelaus vor den Heeren das Wort: „Hört mich an,“ rief er, „mich, auf deſſen Seele der allgemeine Kummer am ſchwerſten laſtet! Endlich, hoffe ich, werdet ihr, Argiver und Trojaner, nachdem ihr um des Streites willen, den Paris angefacht, ſo viel Schlimmes erduldet habt, verſöhnt von einander ſcheiden! Einer von uns Zweien, welchen auch das Schickſal auserkohren hat, ſoll ſterben; ihr Andern aber ſollt in Frieden ſcheiden. Laßt uns opfern und ſchwören, alsdann mag der Zweikampf beginnen!“
Beide Heere wurden froh über dieſen Worten, denn ſie ſehnten ſich nach einem Ende des unſeligen Kriegs. Auf beiden Seiten zogen die Wagenlenker den Roſſen die
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ihre Schätze mit dem Helden Menelaus vor allem Volke
den Zweikampf wagen. Wer von uns beiden ſiegt, mag
ſie heimführen; ein Bund ſoll es bekräftigen; ihr bauet
alsdann das trojaniſche Land in Frieden und jene ſchiffen
heim gen Argos.“
Eine freudige Ueberraſchung hatte ſich Hektors bei
dieſen Worten ſeines Bruders bemächtigt; er trat vor die
Schlachtordnung heraus in die Mitte und hemmte, den
Speer vorhaltend, den Anlauf der trojaniſchen Haufen.
Als die Griechen ſeiner anſichtig wurden, zielten ſie in
die Wette mit Wurfſpießen, Pfeilen und Steinen nach
ihm. Agamemnon aber rief laut nach den griechiſchen
Reihen zurück: „Haltet ein, Argiver, werfet nicht, der
helmumflatterte Hektor begehrt zu reden!“ Die Griechen
ließen ihre Hände ſinken und verharrten in Schweigen
rings umher; und nun verkündete Hektor mit lauter
Stimme den Völkern den Entſchluß ſeines Bruders Paris.
Seine Rede beantwortete ein tiefes Stillſchweigen. End¬
lich nahm Menelaus vor den Heeren das Wort: „Hört
mich an,“ rief er, „mich, auf deſſen Seele der allgemeine
Kummer am ſchwerſten laſtet! Endlich, hoffe ich, werdet
ihr, Argiver und Trojaner, nachdem ihr um des Streites
willen, den Paris angefacht, ſo viel Schlimmes erduldet
habt, verſöhnt von einander ſcheiden! Einer von uns
Zweien, welchen auch das Schickſal auserkohren hat, ſoll
ſterben; ihr Andern aber ſollt in Frieden ſcheiden. Laßt
uns opfern und ſchwören, alsdann mag der Zweikampf
beginnen!“
Beide Heere wurden froh über dieſen Worten, denn
ſie ſehnten ſich nach einem Ende des unſeligen Kriegs.
Auf beiden Seiten zogen die Wagenlenker den Roſſen die
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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