nach Helena, zur Beute heraussuchen. Kommen wir nach Argos heim, so soll er sich eine von meinen Töchtern zur Gattin erwählen; er wird mir ein lieber Eidam seyn und meinen eigenen einzigen Sohn Orestes will ich nicht höher halten. Sieben Städte werde ich ihm zum Brautschatz geben. Solches Alles will ich thun, sobald er von seinem Zorn abläßt."
"Fürwahr," antwortete ihm Nestor, "du bietest dem Fürsten Achilles keine verächtliche Gaben. Senden wir denn auf der Stelle auserlesene Männer, Phönix als Führer, dann den großen Ajax und den edlen Odysseus, und mit ihnen die Herolde Hodius und Eurybates nach den Zelten des zürnenden Helden."
Nach einem feierlichen Trankopfer verließen wirklich die von Nestor ausgewählten Helden die Versammlung und gelangten in Kurzem zu den Schiffen der Myrmido¬ nen. Hier fanden sie den Achilles, wie er auf der schönen gewölbten Leyer mit silbernem Stege, einer Beute aus Eetions Stadt, sein Herz erlabend spielte, und Sieges¬ thaten der Helden dazu sang. Ihm gegenüber saß sein Freund Patroklus und harrte schweigend, bis Jener den Gesang beendigt hätte. Als der Pelide die Abgesandten, Odysseus an der Spitze, kommen sah, erhub er sich bestürzt von seinem Sitze, die Leyer in der Hand behaltend. Auch Patroklus stand auf, sobald er ihrer ansichtig wurde; beide gingen ihnen entgegen, und Achilles faßte den Phö¬ nix und den Odysseus bei den Händen und rief: "Freude sey mit euch, ihr Theuren! Zwar führt euch gewiß irgend eine Noth zu mir her, doch ich liebe euch so sehr vor allen Griechen, daß ihr auch dem Zürnenden willkommen seyd." Schnell brachte jetzt Patroklus einen großen Krug
nach Helena, zur Beute herausſuchen. Kommen wir nach Argos heim, ſo ſoll er ſich eine von meinen Töchtern zur Gattin erwählen; er wird mir ein lieber Eidam ſeyn und meinen eigenen einzigen Sohn Oreſtes will ich nicht höher halten. Sieben Städte werde ich ihm zum Brautſchatz geben. Solches Alles will ich thun, ſobald er von ſeinem Zorn abläßt.“
„Fürwahr,“ antwortete ihm Neſtor, „du bieteſt dem Fürſten Achilles keine verächtliche Gaben. Senden wir denn auf der Stelle auserleſene Männer, Phönix als Führer, dann den großen Ajax und den edlen Odyſſeus, und mit ihnen die Herolde Hodius und Eurybates nach den Zelten des zürnenden Helden.“
Nach einem feierlichen Trankopfer verließen wirklich die von Neſtor ausgewählten Helden die Verſammlung und gelangten in Kurzem zu den Schiffen der Myrmido¬ nen. Hier fanden ſie den Achilles, wie er auf der ſchönen gewölbten Leyer mit ſilbernem Stege, einer Beute aus Eëtions Stadt, ſein Herz erlabend ſpielte, und Sieges¬ thaten der Helden dazu ſang. Ihm gegenüber ſaß ſein Freund Patroklus und harrte ſchweigend, bis Jener den Geſang beendigt hätte. Als der Pelide die Abgeſandten, Odyſſeus an der Spitze, kommen ſah, erhub er ſich beſtürzt von ſeinem Sitze, die Leyer in der Hand behaltend. Auch Patroklus ſtand auf, ſobald er ihrer anſichtig wurde; beide gingen ihnen entgegen, und Achilles faßte den Phö¬ nix und den Odyſſeus bei den Händen und rief: „Freude ſey mit euch, ihr Theuren! Zwar führt euch gewiß irgend eine Noth zu mir her, doch ich liebe euch ſo ſehr vor allen Griechen, daß ihr auch dem Zürnenden willkommen ſeyd.“ Schnell brachte jetzt Patroklus einen großen Krug
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="162"/>
nach Helena, zur Beute herausſuchen. Kommen wir nach<lb/>
Argos heim, ſo ſoll er ſich eine von meinen Töchtern zur<lb/>
Gattin erwählen; er wird mir ein lieber Eidam ſeyn und<lb/>
meinen eigenen einzigen Sohn Oreſtes will ich nicht höher<lb/>
halten. Sieben Städte werde ich ihm zum Brautſchatz<lb/>
geben. Solches Alles will ich thun, ſobald er von ſeinem<lb/>
Zorn abläßt.“</p><lb/><p>„Fürwahr,“ antwortete ihm Neſtor, „du bieteſt dem<lb/>
Fürſten Achilles keine verächtliche Gaben. Senden wir<lb/>
denn auf der Stelle auserleſene Männer, Phönix als<lb/>
Führer, dann den großen Ajax und den edlen Odyſſeus,<lb/>
und mit ihnen die Herolde Hodius und Eurybates nach<lb/>
den Zelten des zürnenden Helden.“</p><lb/><p>Nach einem feierlichen Trankopfer verließen wirklich<lb/>
die von Neſtor ausgewählten Helden die Verſammlung<lb/>
und gelangten in Kurzem zu den Schiffen der Myrmido¬<lb/>
nen. Hier fanden ſie den Achilles, wie er auf der ſchönen<lb/>
gewölbten Leyer mit ſilbernem Stege, einer Beute aus<lb/>
Eëtions Stadt, ſein Herz erlabend ſpielte, und Sieges¬<lb/>
thaten der Helden dazu ſang. Ihm gegenüber ſaß ſein<lb/>
Freund Patroklus und harrte ſchweigend, bis Jener den<lb/>
Geſang beendigt hätte. Als der Pelide die Abgeſandten,<lb/>
Odyſſeus an der Spitze, kommen ſah, erhub er ſich beſtürzt<lb/>
von ſeinem Sitze, die Leyer in der Hand behaltend. Auch<lb/>
Patroklus ſtand auf, ſobald er ihrer anſichtig wurde;<lb/>
beide gingen ihnen entgegen, und Achilles faßte den Phö¬<lb/>
nix und den Odyſſeus bei den Händen und rief: „Freude<lb/>ſey mit euch, ihr Theuren! Zwar führt euch gewiß irgend<lb/>
eine Noth zu mir her, doch ich liebe euch ſo ſehr vor<lb/>
allen Griechen, daß ihr auch dem Zürnenden willkommen<lb/>ſeyd.“ Schnell brachte jetzt Patroklus einen großen Krug<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0184]
nach Helena, zur Beute herausſuchen. Kommen wir nach
Argos heim, ſo ſoll er ſich eine von meinen Töchtern zur
Gattin erwählen; er wird mir ein lieber Eidam ſeyn und
meinen eigenen einzigen Sohn Oreſtes will ich nicht höher
halten. Sieben Städte werde ich ihm zum Brautſchatz
geben. Solches Alles will ich thun, ſobald er von ſeinem
Zorn abläßt.“
„Fürwahr,“ antwortete ihm Neſtor, „du bieteſt dem
Fürſten Achilles keine verächtliche Gaben. Senden wir
denn auf der Stelle auserleſene Männer, Phönix als
Führer, dann den großen Ajax und den edlen Odyſſeus,
und mit ihnen die Herolde Hodius und Eurybates nach
den Zelten des zürnenden Helden.“
Nach einem feierlichen Trankopfer verließen wirklich
die von Neſtor ausgewählten Helden die Verſammlung
und gelangten in Kurzem zu den Schiffen der Myrmido¬
nen. Hier fanden ſie den Achilles, wie er auf der ſchönen
gewölbten Leyer mit ſilbernem Stege, einer Beute aus
Eëtions Stadt, ſein Herz erlabend ſpielte, und Sieges¬
thaten der Helden dazu ſang. Ihm gegenüber ſaß ſein
Freund Patroklus und harrte ſchweigend, bis Jener den
Geſang beendigt hätte. Als der Pelide die Abgeſandten,
Odyſſeus an der Spitze, kommen ſah, erhub er ſich beſtürzt
von ſeinem Sitze, die Leyer in der Hand behaltend. Auch
Patroklus ſtand auf, ſobald er ihrer anſichtig wurde;
beide gingen ihnen entgegen, und Achilles faßte den Phö¬
nix und den Odyſſeus bei den Händen und rief: „Freude
ſey mit euch, ihr Theuren! Zwar führt euch gewiß irgend
eine Noth zu mir her, doch ich liebe euch ſo ſehr vor
allen Griechen, daß ihr auch dem Zürnenden willkommen
ſeyd.“ Schnell brachte jetzt Patroklus einen großen Krug
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/184>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.