ist. Epeus hob ihn an den Händen empor, und seine Freunde führten ihn Blut speiend und mit hängendem Haupt aus der Versammlung.
Hierauf stellte Achilles die Preise für den Ringkampf aus: dem Sieger einen großen Dreifuß, zwölf Rinder an Werth, dem Besiegten ein blühendes kunstfertiges Weib. Da umfaßten sich bald mit schmiegsamen Armen Odysseus und der große Ajax, ineinandergefugt, wie ein Zimmermann Sparren zusammenfügt; ihr Schweiß floß, ihr Rücken knirschte, an Seiten und Schultern wurden Blutstriemen sichtbar; schon murrten die Achiver, da hub Ajax den Odysseus in die Höhe, doch dieser gab dem Gegner mit gebeugtem Knie von hinten einen Stoß, warf ihn rücklings nieder und sank ihm von oben auf die Brust; doch vermochte er ihn nur ein Weniges zu bewegen, und beide rollten mit einander in den Staub. "Ihr seyd beide Sieger," rief Achilles, "und ich belohne euch mit gleichem Preise."
Für den Wettlauf ward dem Sieger ein silberner, sechs Maaß haltender Krug voll Kunstwerk bestimmt; dem nächsten Läufer ein Stier, dem dritten ein halbes Talent Goldes. Hier erhoben sich der schnelle Lokrer Ajax, Odysseus und Antilochus. Achilles gab das Zei¬ chen; voran stürmte Ajax, ihm zunächst Odysseus, wie ein Webschiff an der Brust des Weibes dahinfliegt; schon wehte sein Hauch dem Ajax im Nacken, und alle Danaer ermunterten den Eilenden. Als sie dem Ziel ganz nahe waren, flehte Odysseus im Herzen zu seiner Schützerin Athene; die schuf ihm die Glieder leicht, und ließ den Lokrer über den Unrath der dem Patroklus geschlachteten Rinder straucheln, daß ihm Mund und Nase besudelt
iſt. Epëus hob ihn an den Händen empor, und ſeine Freunde führten ihn Blut ſpeiend und mit hängendem Haupt aus der Verſammlung.
Hierauf ſtellte Achilles die Preiſe für den Ringkampf aus: dem Sieger einen großen Dreifuß, zwölf Rinder an Werth, dem Beſiegten ein blühendes kunſtfertiges Weib. Da umfaßten ſich bald mit ſchmiegſamen Armen Odyſſeus und der große Ajax, ineinandergefugt, wie ein Zimmermann Sparren zuſammenfügt; ihr Schweiß floß, ihr Rücken knirſchte, an Seiten und Schultern wurden Blutſtriemen ſichtbar; ſchon murrten die Achiver, da hub Ajax den Odyſſeus in die Höhe, doch dieſer gab dem Gegner mit gebeugtem Knie von hinten einen Stoß, warf ihn rücklings nieder und ſank ihm von oben auf die Bruſt; doch vermochte er ihn nur ein Weniges zu bewegen, und beide rollten mit einander in den Staub. „Ihr ſeyd beide Sieger,“ rief Achilles, „und ich belohne euch mit gleichem Preiſe.“
Für den Wettlauf ward dem Sieger ein ſilberner, ſechs Maaß haltender Krug voll Kunſtwerk beſtimmt; dem nächſten Läufer ein Stier, dem dritten ein halbes Talent Goldes. Hier erhoben ſich der ſchnelle Lokrer Ajax, Odyſſeus und Antilochus. Achilles gab das Zei¬ chen; voran ſtürmte Ajax, ihm zunächſt Odyſſeus, wie ein Webſchiff an der Bruſt des Weibes dahinfliegt; ſchon wehte ſein Hauch dem Ajax im Nacken, und alle Danaer ermunterten den Eilenden. Als ſie dem Ziel ganz nahe waren, flehte Odyſſeus im Herzen zu ſeiner Schützerin Athene; die ſchuf ihm die Glieder leicht, und ließ den Lokrer über den Unrath der dem Patroklus geſchlachteten Rinder ſtraucheln, daß ihm Mund und Naſe beſudelt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0319"n="297"/>
iſt. Ep<hirendition="#aq">ë</hi>us hob ihn an den Händen empor, und ſeine<lb/>
Freunde führten ihn Blut ſpeiend und mit hängendem<lb/>
Haupt aus der Verſammlung.</p><lb/><p>Hierauf ſtellte Achilles die Preiſe für den Ringkampf<lb/>
aus: dem Sieger einen großen Dreifuß, zwölf Rinder<lb/>
an Werth, dem Beſiegten ein blühendes kunſtfertiges<lb/>
Weib. Da umfaßten ſich bald mit ſchmiegſamen Armen<lb/>
Odyſſeus und der große Ajax, ineinandergefugt, wie ein<lb/>
Zimmermann Sparren zuſammenfügt; ihr Schweiß floß,<lb/>
ihr Rücken knirſchte, an Seiten und Schultern wurden<lb/>
Blutſtriemen ſichtbar; ſchon murrten die Achiver, da hub<lb/>
Ajax den Odyſſeus in die Höhe, doch dieſer gab dem<lb/>
Gegner mit gebeugtem Knie von hinten einen Stoß, warf<lb/>
ihn rücklings nieder und ſank ihm von oben auf die Bruſt;<lb/>
doch vermochte er ihn nur ein Weniges zu bewegen, und<lb/>
beide rollten mit einander in den Staub. „Ihr ſeyd beide<lb/>
Sieger,“ rief Achilles, „und ich belohne euch mit gleichem<lb/>
Preiſe.“</p><lb/><p>Für den Wettlauf ward dem Sieger ein ſilberner,<lb/>ſechs Maaß haltender Krug voll Kunſtwerk beſtimmt;<lb/>
dem nächſten Läufer ein Stier, dem dritten ein halbes<lb/>
Talent Goldes. Hier erhoben ſich der ſchnelle Lokrer<lb/>
Ajax, Odyſſeus und Antilochus. Achilles gab das Zei¬<lb/>
chen; voran ſtürmte Ajax, ihm zunächſt Odyſſeus, wie<lb/>
ein Webſchiff an der Bruſt des Weibes dahinfliegt; ſchon<lb/>
wehte ſein Hauch dem Ajax im Nacken, und alle Danaer<lb/>
ermunterten den Eilenden. Als ſie dem Ziel ganz nahe<lb/>
waren, flehte Odyſſeus im Herzen zu ſeiner Schützerin<lb/>
Athene; die ſchuf ihm die Glieder leicht, und ließ den<lb/>
Lokrer über den Unrath der dem Patroklus geſchlachteten<lb/>
Rinder ſtraucheln, daß ihm Mund und Naſe beſudelt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[297/0319]
iſt. Epëus hob ihn an den Händen empor, und ſeine
Freunde führten ihn Blut ſpeiend und mit hängendem
Haupt aus der Verſammlung.
Hierauf ſtellte Achilles die Preiſe für den Ringkampf
aus: dem Sieger einen großen Dreifuß, zwölf Rinder
an Werth, dem Beſiegten ein blühendes kunſtfertiges
Weib. Da umfaßten ſich bald mit ſchmiegſamen Armen
Odyſſeus und der große Ajax, ineinandergefugt, wie ein
Zimmermann Sparren zuſammenfügt; ihr Schweiß floß,
ihr Rücken knirſchte, an Seiten und Schultern wurden
Blutſtriemen ſichtbar; ſchon murrten die Achiver, da hub
Ajax den Odyſſeus in die Höhe, doch dieſer gab dem
Gegner mit gebeugtem Knie von hinten einen Stoß, warf
ihn rücklings nieder und ſank ihm von oben auf die Bruſt;
doch vermochte er ihn nur ein Weniges zu bewegen, und
beide rollten mit einander in den Staub. „Ihr ſeyd beide
Sieger,“ rief Achilles, „und ich belohne euch mit gleichem
Preiſe.“
Für den Wettlauf ward dem Sieger ein ſilberner,
ſechs Maaß haltender Krug voll Kunſtwerk beſtimmt;
dem nächſten Läufer ein Stier, dem dritten ein halbes
Talent Goldes. Hier erhoben ſich der ſchnelle Lokrer
Ajax, Odyſſeus und Antilochus. Achilles gab das Zei¬
chen; voran ſtürmte Ajax, ihm zunächſt Odyſſeus, wie
ein Webſchiff an der Bruſt des Weibes dahinfliegt; ſchon
wehte ſein Hauch dem Ajax im Nacken, und alle Danaer
ermunterten den Eilenden. Als ſie dem Ziel ganz nahe
waren, flehte Odyſſeus im Herzen zu ſeiner Schützerin
Athene; die ſchuf ihm die Glieder leicht, und ließ den
Lokrer über den Unrath der dem Patroklus geſchlachteten
Rinder ſtraucheln, daß ihm Mund und Naſe beſudelt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/319>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.