für ihn zu sorgen, wenn gleich er selbst, den Zorn seines Vaters Telamon fürchtend, sie beide nicht nach Salamis begleiten könne.
Darauf schickte er sich an, den Leichnam seines ge¬ liebten Halbbruders zu bestatten. Aber hier trat ihm der Atride Menelaus wehrend in den Weg: "Untersteh dich nicht, diesen Mann zu bestatten," sprach er, "den wir schlimmer befunden haben, als unsere Feinde, die Trojaner. Um seines bösen Mordanschlags willen verdient er kein ehrliches Grab." Während Menelaus so mit Teucer um den Leichnam des Ajax haderte, kam auch Agamemnon herbei, trat auf die Seite seines Bruders und schalt in der Hitze des Streites den Teucer einen Sklavensohn. Umsonst erinnerte sie dieser an alle Wohlthaten, welche die Griechen dem gefallenen Helden zu danken hätten, an seine Rettung des Heeres, als die Flamme der Trojaner schon um die Schiffe der Danaer emporschlug und Hektor über den Graben in die Schiffsverdecke herniedersprang. "Und was scheltet ihr mich einen Sklaven," rief er, "ist doch mein Vater Telamon, der herrliche Griechenheld, meine Mutter Laomedons königliche Tochter! Soll ich, edel von den Edelsten abstammend, mich meiner Blutge¬ nossenschaft schämen? Wisset, daß ihr mit dem gefallenen Helden auch sein geliebtes Weib hier und seinen Sohn und mich, seinen Bruder, aus dem Lager hinauswerfet. Bedenkt ihr auch, welchen Ruhm bei den Menschen und welchen Segen von den Göttern euch dieses bringen wird?"
So haderten sie, als Odysseus, der kluge Held, mit¬ ten unter sie eintrat und, gegen Agamemnon gewendet, hastig fragte: "Darf euch ein treuer Freund die Wahrheit sagen, ohne übel darum angesehen zu werden?" "So
für ihn zu ſorgen, wenn gleich er ſelbſt, den Zorn ſeines Vaters Telamon fürchtend, ſie beide nicht nach Salamis begleiten könne.
Darauf ſchickte er ſich an, den Leichnam ſeines ge¬ liebten Halbbruders zu beſtatten. Aber hier trat ihm der Atride Menelaus wehrend in den Weg: „Unterſteh dich nicht, dieſen Mann zu beſtatten,“ ſprach er, „den wir ſchlimmer befunden haben, als unſere Feinde, die Trojaner. Um ſeines böſen Mordanſchlags willen verdient er kein ehrliches Grab.“ Während Menelaus ſo mit Teucer um den Leichnam des Ajax haderte, kam auch Agamemnon herbei, trat auf die Seite ſeines Bruders und ſchalt in der Hitze des Streites den Teucer einen Sklavenſohn. Umſonſt erinnerte ſie dieſer an alle Wohlthaten, welche die Griechen dem gefallenen Helden zu danken hätten, an ſeine Rettung des Heeres, als die Flamme der Trojaner ſchon um die Schiffe der Danaer emporſchlug und Hektor über den Graben in die Schiffsverdecke herniederſprang. „Und was ſcheltet ihr mich einen Sklaven,“ rief er, „iſt doch mein Vater Telamon, der herrliche Griechenheld, meine Mutter Laomedons königliche Tochter! Soll ich, edel von den Edelſten abſtammend, mich meiner Blutge¬ noſſenſchaft ſchämen? Wiſſet, daß ihr mit dem gefallenen Helden auch ſein geliebtes Weib hier und ſeinen Sohn und mich, ſeinen Bruder, aus dem Lager hinauswerfet. Bedenkt ihr auch, welchen Ruhm bei den Menſchen und welchen Segen von den Göttern euch dieſes bringen wird?“
So haderten ſie, als Odyſſeus, der kluge Held, mit¬ ten unter ſie eintrat und, gegen Agamemnon gewendet, haſtig fragte: „Darf euch ein treuer Freund die Wahrheit ſagen, ohne übel darum angeſehen zu werden?“ „So
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für ihn zu ſorgen, wenn gleich er ſelbſt, den Zorn ſeines
Vaters Telamon fürchtend, ſie beide nicht nach Salamis
begleiten könne.
Darauf ſchickte er ſich an, den Leichnam ſeines ge¬
liebten Halbbruders zu beſtatten. Aber hier trat ihm der
Atride Menelaus wehrend in den Weg: „Unterſteh dich
nicht, dieſen Mann zu beſtatten,“ ſprach er, „den wir
ſchlimmer befunden haben, als unſere Feinde, die Trojaner.
Um ſeines böſen Mordanſchlags willen verdient er kein
ehrliches Grab.“ Während Menelaus ſo mit Teucer um
den Leichnam des Ajax haderte, kam auch Agamemnon
herbei, trat auf die Seite ſeines Bruders und ſchalt in
der Hitze des Streites den Teucer einen Sklavenſohn.
Umſonſt erinnerte ſie dieſer an alle Wohlthaten, welche
die Griechen dem gefallenen Helden zu danken hätten, an
ſeine Rettung des Heeres, als die Flamme der Trojaner
ſchon um die Schiffe der Danaer emporſchlug und Hektor
über den Graben in die Schiffsverdecke herniederſprang.
„Und was ſcheltet ihr mich einen Sklaven,“ rief er, „iſt
doch mein Vater Telamon, der herrliche Griechenheld,
meine Mutter Laomedons königliche Tochter! Soll ich,
edel von den Edelſten abſtammend, mich meiner Blutge¬
noſſenſchaft ſchämen? Wiſſet, daß ihr mit dem gefallenen
Helden auch ſein geliebtes Weib hier und ſeinen Sohn
und mich, ſeinen Bruder, aus dem Lager hinauswerfet.
Bedenkt ihr auch, welchen Ruhm bei den Menſchen und
welchen Segen von den Göttern euch dieſes bringen wird?“
So haderten ſie, als Odyſſeus, der kluge Held, mit¬
ten unter ſie eintrat und, gegen Agamemnon gewendet,
haſtig fragte: „Darf euch ein treuer Freund die Wahrheit
ſagen, ohne übel darum angeſehen zu werden?“ „So
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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