Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Zorn der strengen Rachegöttinnen, sie gelobten ihren
gnädigen Sitz in dem Lande zu nehmen, fühlten sich
hoch geehrt, daß sie gleich Athenen und Apollo Altäre
und Heiligthum in der berühmtesten Stadt besitzen soll¬
ten, *)und endlich wurde ihr Sinn so milde, daß sie
auch ihrerseits das feierliche Versprechen vor den anwe¬
senden Göttern ablegten, die Stadt zu schirmen, böse
Wetter, Sonnenstich, giftige Seuchen von ihrem Gebiete
abzuhalten, die Herden des Landes zu schirmen, den
Bund der Ehen zu segnen, und im Einverständnisse mit
ihren Halbschwestern, den Parzen oder Schicksalsgöttin¬
nen, das Wohl des ganzen Landes auf alle Weise zu
befördern. Ja sie wünschten dem ganzen Volke ewige
Eintracht und holden Frieden, und ihr schwarzer Chor
brach unter Danksagungen des himmlischen Geschwister¬
paares auf, und verließ von der ganzen Einwohnerschaft
unter Lobgesängen begleitet den Areopag und die Stadt.


Iphigenia zu Tauri.

Von Athen hatten sich die beiden Freunde, Orestes
und Pylades, der erste nun wieder von seiner Schwer¬
muth genesen, nach Delphi zu dem Orakel Apollo's
gewendet und dort fragte Orestes den Gott, was er
weiter über ihn beschlossen hätte. Der Spruch der Prie¬
sterin lautete dahin, daß der Königssohn von Mycene
die Endschaft seiner Noth erreichen sollte, wenn er nach

*) Vergl. B. 1. S. 329.

Zorn der ſtrengen Rachegöttinnen, ſie gelobten ihren
gnädigen Sitz in dem Lande zu nehmen, fühlten ſich
hoch geehrt, daß ſie gleich Athenen und Apollo Altäre
und Heiligthum in der berühmteſten Stadt beſitzen ſoll¬
ten, *)und endlich wurde ihr Sinn ſo milde, daß ſie
auch ihrerſeits das feierliche Verſprechen vor den anwe¬
ſenden Göttern ablegten, die Stadt zu ſchirmen, böſe
Wetter, Sonnenſtich, giftige Seuchen von ihrem Gebiete
abzuhalten, die Herden des Landes zu ſchirmen, den
Bund der Ehen zu ſegnen, und im Einverſtändniſſe mit
ihren Halbſchweſtern, den Parzen oder Schickſalsgöttin¬
nen, das Wohl des ganzen Landes auf alle Weiſe zu
befördern. Ja ſie wünſchten dem ganzen Volke ewige
Eintracht und holden Frieden, und ihr ſchwarzer Chor
brach unter Dankſagungen des himmliſchen Geſchwiſter¬
paares auf, und verließ von der ganzen Einwohnerſchaft
unter Lobgeſängen begleitet den Areopag und die Stadt.


Iphigenia zu Tauri.

Von Athen hatten ſich die beiden Freunde, Oreſtes
und Pylades, der erſte nun wieder von ſeiner Schwer¬
muth geneſen, nach Delphi zu dem Orakel Apollo's
gewendet und dort fragte Oreſtes den Gott, was er
weiter über ihn beſchloſſen hätte. Der Spruch der Prie¬
ſterin lautete dahin, daß der Königsſohn von Mycene
die Endſchaft ſeiner Noth erreichen ſollte, wenn er nach

*) Vergl. B. 1. S. 329.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0065" n="43"/>
Zorn der &#x017F;trengen Rachegöttinnen, &#x017F;ie gelobten ihren<lb/>
gnädigen Sitz in dem Lande zu nehmen, fühlten &#x017F;ich<lb/>
hoch geehrt, daß &#x017F;ie gleich Athenen und Apollo Altäre<lb/>
und Heiligthum in der berühmte&#x017F;ten Stadt be&#x017F;itzen &#x017F;oll¬<lb/>
ten, <note place="foot" n="*)"><lb/>
Vergl. B. 1. S. 329.</note>und endlich wurde ihr Sinn &#x017F;o milde, daß &#x017F;ie<lb/>
auch ihrer&#x017F;eits das feierliche Ver&#x017F;prechen vor den anwe¬<lb/>
&#x017F;enden Göttern ablegten, die Stadt zu &#x017F;chirmen, bö&#x017F;e<lb/>
Wetter, Sonnen&#x017F;tich, giftige Seuchen von ihrem Gebiete<lb/>
abzuhalten, die Herden des Landes zu &#x017F;chirmen, den<lb/>
Bund der Ehen zu &#x017F;egnen, und im Einver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e mit<lb/>
ihren Halb&#x017F;chwe&#x017F;tern, den Parzen oder Schick&#x017F;alsgöttin¬<lb/>
nen, das Wohl des ganzen Landes auf alle Wei&#x017F;e zu<lb/>
befördern. Ja &#x017F;ie wün&#x017F;chten dem ganzen Volke ewige<lb/>
Eintracht und holden Frieden, und ihr &#x017F;chwarzer Chor<lb/>
brach unter Dank&#x017F;agungen des himmli&#x017F;chen Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter¬<lb/>
paares auf, und verließ von der ganzen Einwohner&#x017F;chaft<lb/>
unter Lobge&#x017F;ängen begleitet den Areopag und die Stadt.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b #fr">Iphigenia zu Tauri.</hi><lb/>
            </head>
            <p>Von Athen hatten &#x017F;ich die beiden Freunde, Ore&#x017F;tes<lb/>
und Pylades, der er&#x017F;te nun wieder von &#x017F;einer Schwer¬<lb/>
muth gene&#x017F;en, nach Delphi zu dem Orakel Apollo's<lb/>
gewendet und dort fragte Ore&#x017F;tes den Gott, was er<lb/>
weiter über ihn be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hätte. Der Spruch der Prie¬<lb/>
&#x017F;terin lautete dahin, daß der Königs&#x017F;ohn von Mycene<lb/>
die End&#x017F;chaft &#x017F;einer Noth erreichen &#x017F;ollte, wenn er nach<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0065] Zorn der ſtrengen Rachegöttinnen, ſie gelobten ihren gnädigen Sitz in dem Lande zu nehmen, fühlten ſich hoch geehrt, daß ſie gleich Athenen und Apollo Altäre und Heiligthum in der berühmteſten Stadt beſitzen ſoll¬ ten, *)und endlich wurde ihr Sinn ſo milde, daß ſie auch ihrerſeits das feierliche Verſprechen vor den anwe¬ ſenden Göttern ablegten, die Stadt zu ſchirmen, böſe Wetter, Sonnenſtich, giftige Seuchen von ihrem Gebiete abzuhalten, die Herden des Landes zu ſchirmen, den Bund der Ehen zu ſegnen, und im Einverſtändniſſe mit ihren Halbſchweſtern, den Parzen oder Schickſalsgöttin¬ nen, das Wohl des ganzen Landes auf alle Weiſe zu befördern. Ja ſie wünſchten dem ganzen Volke ewige Eintracht und holden Frieden, und ihr ſchwarzer Chor brach unter Dankſagungen des himmliſchen Geſchwiſter¬ paares auf, und verließ von der ganzen Einwohnerſchaft unter Lobgeſängen begleitet den Areopag und die Stadt. Iphigenia zu Tauri. Von Athen hatten ſich die beiden Freunde, Oreſtes und Pylades, der erſte nun wieder von ſeiner Schwer¬ muth geneſen, nach Delphi zu dem Orakel Apollo's gewendet und dort fragte Oreſtes den Gott, was er weiter über ihn beſchloſſen hätte. Der Spruch der Prie¬ ſterin lautete dahin, daß der Königsſohn von Mycene die Endſchaft ſeiner Noth erreichen ſollte, wenn er nach *) Vergl. B. 1. S. 329.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/65
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/65>, abgerufen am 24.11.2024.