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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
der Rodung keinerlei öffentliche oder private Interessen entgegen-
stehen. 1)

Ausserdem finden sich noch folgende Bestimmungen:

1. Die Rodung ist gestattet, wenn anderweit eine Fläche von der
gleichen Grösse wie die zu rodende aufgeforstet wird (Russland, Schweiz,
hessisches Gesetz über die rechtlichen Verhältnisse der Standesherren
von 1858, Coburg, Rudolstadt).
2. Die Rodung ist gestattet, wenn die Fläche ein bestimmtes Mass
nicht überschreitet (Coburg 10 Acker, Hessen, Gesetz von 1858: für
sich bestehende Waldteile von höchstens 21/2 ha).
3. Rechte Dritter dürfen durch die Rodung nicht verletzt werden
(Bayern, Oesterreich, Baden).
4. Die Rodung ist gestattet, wenn die Fläche für Wegebau und
Geradlegung der Grenzen dient (Braunschweig, Russland).

Das russische Gesetz von 1888 bestimmt in Art. 11 noch weiter,
dass die Rodung zulässig sein soll: bei Teilung des Vermögens und in
kürzlich bewaldeten Waldparzellen, wenn der Waldbestand daselbst
noch nicht ein 20jähriges Alter erreicht hat und wenn statt derselben
nicht schon früher irgendwo eine Rodung im Walde vorgenommen
worden ist.

Da die Grenze zwischen Wald und Feld, zwischen landwirtschaft-
lich und forstwirtschaftlich benutzten Grundstücken, in der Hauptsache
eine zufällige ist, so liegt keinerlei Grund vor, den heutigen Zustand
unter allen Umständen konservieren zu wollen, noch weniger berech-
tigt wäre es aber nach dem heutigen Stande unseres Wissens, eine
sog. Normalbewaldungsziffer zu erstreben, welche lediglich ein
hypothetischer, exakt gar nicht festzustellender Begriff ist.

Im allgemeinen ist anzunehmen, dass der Private am besten seinen
Vorteil wahrzunehmen weiss; wenn er daher die Umwandlung des
Waldes in eine andere Benutzungsform wünscht, so sollte ihm hierin
kein Hindernis bereitet werden, insofern nicht öffentliche Interessen in
Betracht kommen, d. h. soweit nicht sein Wald Schutzwald ist; die
Beweislast muss aber in diesem Falle den Forstpolizeibehörden auf-
gebürdet werden.

Das beste Vorbeugungsmittel gegen alle Differenzen bildet die
S. 231 empfohlene Ausscheidung der Schutzwaldungen durch eine
Kommission und Aufstellung eines Schutzwaldverzeichnisses, während
für die übrigen Waldungen volle Freiheit zur Rodung besteht.


1) Bayern, Forstgesetz von 1852, Art. 35: Gänzliche oder teilweise Rodungen
sind erlaubt, wenn 1. die auszustockende Fläche zu einer besseren Benutzung, ins-
besondere für Feld-, Garten-, Wein- oder Wiesenbau unzweifelhaft geeignet ist, und
3. die Forstberechtigten in die Rodung eingewilligt haben (2. enthält das Rodungs-
verbot für Schutzwaldungen).

B. Zweiter (spezieller) Teil.
der Rodung keinerlei öffentliche oder private Interessen entgegen-
stehen. 1)

Auſserdem finden sich noch folgende Bestimmungen:

1. Die Rodung ist gestattet, wenn anderweit eine Fläche von der
gleichen Gröſse wie die zu rodende aufgeforstet wird (Ruſsland, Schweiz,
hessisches Gesetz über die rechtlichen Verhältnisse der Standesherren
von 1858, Coburg, Rudolstadt).
2. Die Rodung ist gestattet, wenn die Fläche ein bestimmtes Maſs
nicht überschreitet (Coburg 10 Acker, Hessen, Gesetz von 1858: für
sich bestehende Waldteile von höchstens 2½ ha).
3. Rechte Dritter dürfen durch die Rodung nicht verletzt werden
(Bayern, Oesterreich, Baden).
4. Die Rodung ist gestattet, wenn die Fläche für Wegebau und
Geradlegung der Grenzen dient (Braunschweig, Ruſsland).

Das russische Gesetz von 1888 bestimmt in Art. 11 noch weiter,
daſs die Rodung zulässig sein soll: bei Teilung des Vermögens und in
kürzlich bewaldeten Waldparzellen, wenn der Waldbestand daselbst
noch nicht ein 20jähriges Alter erreicht hat und wenn statt derselben
nicht schon früher irgendwo eine Rodung im Walde vorgenommen
worden ist.

Da die Grenze zwischen Wald und Feld, zwischen landwirtschaft-
lich und forstwirtschaftlich benutzten Grundstücken, in der Hauptsache
eine zufällige ist, so liegt keinerlei Grund vor, den heutigen Zustand
unter allen Umständen konservieren zu wollen, noch weniger berech-
tigt wäre es aber nach dem heutigen Stande unseres Wissens, eine
sog. Normalbewaldungsziffer zu erstreben, welche lediglich ein
hypothetischer, exakt gar nicht festzustellender Begriff ist.

Im allgemeinen ist anzunehmen, daſs der Private am besten seinen
Vorteil wahrzunehmen weiſs; wenn er daher die Umwandlung des
Waldes in eine andere Benutzungsform wünscht, so sollte ihm hierin
kein Hindernis bereitet werden, insofern nicht öffentliche Interessen in
Betracht kommen, d. h. soweit nicht sein Wald Schutzwald ist; die
Beweislast muſs aber in diesem Falle den Forstpolizeibehörden auf-
gebürdet werden.

Das beste Vorbeugungsmittel gegen alle Differenzen bildet die
S. 231 empfohlene Ausscheidung der Schutzwaldungen durch eine
Kommission und Aufstellung eines Schutzwaldverzeichnisses, während
für die übrigen Waldungen volle Freiheit zur Rodung besteht.


1) Bayern, Forstgesetz von 1852, Art. 35: Gänzliche oder teilweise Rodungen
sind erlaubt, wenn 1. die auszustockende Fläche zu einer besseren Benutzung, ins-
besondere für Feld-, Garten-, Wein- oder Wiesenbau unzweifelhaft geeignet ist, und
3. die Forstberechtigten in die Rodung eingewilligt haben (2. enthält das Rodungs-
verbot für Schutzwaldungen).
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[248/0266] B. Zweiter (spezieller) Teil. der Rodung keinerlei öffentliche oder private Interessen entgegen- stehen. 1) Auſserdem finden sich noch folgende Bestimmungen: 1. Die Rodung ist gestattet, wenn anderweit eine Fläche von der gleichen Gröſse wie die zu rodende aufgeforstet wird (Ruſsland, Schweiz, hessisches Gesetz über die rechtlichen Verhältnisse der Standesherren von 1858, Coburg, Rudolstadt). 2. Die Rodung ist gestattet, wenn die Fläche ein bestimmtes Maſs nicht überschreitet (Coburg 10 Acker, Hessen, Gesetz von 1858: für sich bestehende Waldteile von höchstens 2½ ha). 3. Rechte Dritter dürfen durch die Rodung nicht verletzt werden (Bayern, Oesterreich, Baden). 4. Die Rodung ist gestattet, wenn die Fläche für Wegebau und Geradlegung der Grenzen dient (Braunschweig, Ruſsland). Das russische Gesetz von 1888 bestimmt in Art. 11 noch weiter, daſs die Rodung zulässig sein soll: bei Teilung des Vermögens und in kürzlich bewaldeten Waldparzellen, wenn der Waldbestand daselbst noch nicht ein 20jähriges Alter erreicht hat und wenn statt derselben nicht schon früher irgendwo eine Rodung im Walde vorgenommen worden ist. Da die Grenze zwischen Wald und Feld, zwischen landwirtschaft- lich und forstwirtschaftlich benutzten Grundstücken, in der Hauptsache eine zufällige ist, so liegt keinerlei Grund vor, den heutigen Zustand unter allen Umständen konservieren zu wollen, noch weniger berech- tigt wäre es aber nach dem heutigen Stande unseres Wissens, eine sog. Normalbewaldungsziffer zu erstreben, welche lediglich ein hypothetischer, exakt gar nicht festzustellender Begriff ist. Im allgemeinen ist anzunehmen, daſs der Private am besten seinen Vorteil wahrzunehmen weiſs; wenn er daher die Umwandlung des Waldes in eine andere Benutzungsform wünscht, so sollte ihm hierin kein Hindernis bereitet werden, insofern nicht öffentliche Interessen in Betracht kommen, d. h. soweit nicht sein Wald Schutzwald ist; die Beweislast muſs aber in diesem Falle den Forstpolizeibehörden auf- gebürdet werden. Das beste Vorbeugungsmittel gegen alle Differenzen bildet die S. 231 empfohlene Ausscheidung der Schutzwaldungen durch eine Kommission und Aufstellung eines Schutzwaldverzeichnisses, während für die übrigen Waldungen volle Freiheit zur Rodung besteht. 1) Bayern, Forstgesetz von 1852, Art. 35: Gänzliche oder teilweise Rodungen sind erlaubt, wenn 1. die auszustockende Fläche zu einer besseren Benutzung, ins- besondere für Feld-, Garten-, Wein- oder Wiesenbau unzweifelhaft geeignet ist, und 3. die Forstberechtigten in die Rodung eingewilligt haben (2. enthält das Rodungs- verbot für Schutzwaldungen).

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/266>, abgerufen am 22.11.2024.