Dieses System umgeht, wie man sieht, die Ausführung von Nietarbeiten auf der Baustelle und gewährt dadurch eine einfache und schnelle Zusammensetzung der Brückentheile. Die Herstellung der letzteren muß aus diesem Grunde mit peinlicher Genauigkeit und nach einheitlichen Modellen durchgeführt werden.
Der amerikanische Ingenieur C. H. Latorbe äußert sich über das System der Knotenverbindung wie folgt: "Im Felde genügen eine tragbare Schmiede, einige Seile, Blocks, zwei gewöhnliche Winden und etliche Werkzeuge, um für die Aufstellung hinreichend ausgerüstet zu sein. Die einzelnen Bestandtheile werden in den Werkstätten vollständig hergerichtet und sind an Ort und Stelle lediglich aneinander zu fügen, ohne eine Niete eintreiben zu müssen. Ein intelligenter Vor- arbeiter mit einigen gewöhnlichen Arbeitern reichen hierzu aus. Um die Raschheit und Leichtigkeit, mit der solche Bauten durchgeführt werden können, zu zeigen, hat die Baltimore Bridge Co. 152 laufende Meter Viaduct von 18 Meter Höhe in zehn Arbeitsstunden mit 28 Mann hergestellt."
Die Vortheile dieses Systems liegen sonach auf der Hand. Allerdings erfordert es die exacteste Ausführung. Jedes Versäumniß in der genauen Durchbildung der Augen und Bolzen würde zu schlotternden Bewegungen der einzelnen Theile der Construction Anlaß geben. In der Erkenntniß dieser Sachlage befleißen sich die Brückenbauanstalten der größten Sorgfalt in den Ausführungs- arbeiten und die Regierungen in den einzelnen Staaten haben überdies im gesetz- mäßigen Wege genaue Vorschriften nach dieser Richtung erlassen. Dadurch hat sich die amerikanische Brückentechnik außerordentlich vervollkommnet und sind die Fälle, in denen entweder durch unreelle Ausführungsarbeiten und unverständige Controle, oder in Folge unfachgemäßer Leitung der Montirung, Brücken nach dem Principe der gelenkförmigen Knotenverbindungen sich als untauglich erwiesen oder vollends zu Katastrophen führten, wohl nur vereinzelt vertreten.
Die Gegner der Bolzenverbindungen machen geltend, daß in Folge der kleinen Drehungen, die bei Be- und Entlastung der Brücke eintreten, der Raum zwischen dem Auge und dem Bolzen allmählich sich erweitert. Indessen berichtet Ingenieur Fr. Steiner, daß in einem speciellen Falle bei der Zerlegung einer Brücke mit gelenkförmigen Knotenverbindungen die Bolzen, welche nur mit Mühe herauszubringen waren, sich vollkommen erhalten zeigten, und daß die Augen der Gitterstäbe ihre genaue kreisrunde Form bewahrt hatten.
Das Gelenksystem ist übrigens auch noch von einem anderen Standpunkte der Nietenverbindung vorzuziehen, nämlich vom militärischen. Eine Brücke nach letzterem System ist innerhalb kurzer Zeit nicht zu demontiren und muß daher, wenn man sie der Benützung durch den Feind entziehen will, mit Dynamit ge- sprengt werden. Soll sie nachmals wieder in eigene Benützung treten, so erfordert ihre Wiederherstellung einen unverhältnißmäßig großen Aufwand von Zeit und Arbeit. Beim Gelenksystem genügt es, die Bolzen einzelner Verbindungen heraus- zuschlagen und die Brücke wird unbenützbar, wobei durch Mitnahme der Bolzen
Zweiter Abſchnitt.
Dieſes Syſtem umgeht, wie man ſieht, die Ausführung von Nietarbeiten auf der Bauſtelle und gewährt dadurch eine einfache und ſchnelle Zuſammenſetzung der Brückentheile. Die Herſtellung der letzteren muß aus dieſem Grunde mit peinlicher Genauigkeit und nach einheitlichen Modellen durchgeführt werden.
Der amerikaniſche Ingenieur C. H. Latorbe äußert ſich über das Syſtem der Knotenverbindung wie folgt: »Im Felde genügen eine tragbare Schmiede, einige Seile, Blocks, zwei gewöhnliche Winden und etliche Werkzeuge, um für die Aufſtellung hinreichend ausgerüſtet zu ſein. Die einzelnen Beſtandtheile werden in den Werkſtätten vollſtändig hergerichtet und ſind an Ort und Stelle lediglich aneinander zu fügen, ohne eine Niete eintreiben zu müſſen. Ein intelligenter Vor- arbeiter mit einigen gewöhnlichen Arbeitern reichen hierzu aus. Um die Raſchheit und Leichtigkeit, mit der ſolche Bauten durchgeführt werden können, zu zeigen, hat die Baltimore Bridge Co. 152 laufende Meter Viaduct von 18 Meter Höhe in zehn Arbeitsſtunden mit 28 Mann hergeſtellt.«
Die Vortheile dieſes Syſtems liegen ſonach auf der Hand. Allerdings erfordert es die exacteſte Ausführung. Jedes Verſäumniß in der genauen Durchbildung der Augen und Bolzen würde zu ſchlotternden Bewegungen der einzelnen Theile der Conſtruction Anlaß geben. In der Erkenntniß dieſer Sachlage befleißen ſich die Brückenbauanſtalten der größten Sorgfalt in den Ausführungs- arbeiten und die Regierungen in den einzelnen Staaten haben überdies im geſetz- mäßigen Wege genaue Vorſchriften nach dieſer Richtung erlaſſen. Dadurch hat ſich die amerikaniſche Brückentechnik außerordentlich vervollkommnet und ſind die Fälle, in denen entweder durch unreelle Ausführungsarbeiten und unverſtändige Controle, oder in Folge unfachgemäßer Leitung der Montirung, Brücken nach dem Principe der gelenkförmigen Knotenverbindungen ſich als untauglich erwieſen oder vollends zu Kataſtrophen führten, wohl nur vereinzelt vertreten.
Die Gegner der Bolzenverbindungen machen geltend, daß in Folge der kleinen Drehungen, die bei Be- und Entlaſtung der Brücke eintreten, der Raum zwiſchen dem Auge und dem Bolzen allmählich ſich erweitert. Indeſſen berichtet Ingenieur Fr. Steiner, daß in einem ſpeciellen Falle bei der Zerlegung einer Brücke mit gelenkförmigen Knotenverbindungen die Bolzen, welche nur mit Mühe herauszubringen waren, ſich vollkommen erhalten zeigten, und daß die Augen der Gitterſtäbe ihre genaue kreisrunde Form bewahrt hatten.
Das Gelenkſyſtem iſt übrigens auch noch von einem anderen Standpunkte der Nietenverbindung vorzuziehen, nämlich vom militäriſchen. Eine Brücke nach letzterem Syſtem iſt innerhalb kurzer Zeit nicht zu demontiren und muß daher, wenn man ſie der Benützung durch den Feind entziehen will, mit Dynamit ge- ſprengt werden. Soll ſie nachmals wieder in eigene Benützung treten, ſo erfordert ihre Wiederherſtellung einen unverhältnißmäßig großen Aufwand von Zeit und Arbeit. Beim Gelenkſyſtem genügt es, die Bolzen einzelner Verbindungen heraus- zuſchlagen und die Brücke wird unbenützbar, wobei durch Mitnahme der Bolzen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0354"n="314"/><fwplace="top"type="header">Zweiter Abſchnitt.</fw><lb/>
Dieſes Syſtem umgeht, wie man ſieht, die Ausführung von Nietarbeiten auf der<lb/>
Bauſtelle und gewährt dadurch eine einfache und ſchnelle Zuſammenſetzung der<lb/>
Brückentheile. Die Herſtellung der letzteren muß aus dieſem Grunde mit peinlicher<lb/>
Genauigkeit und nach einheitlichen Modellen durchgeführt werden.</p><lb/><p>Der amerikaniſche Ingenieur C. H. <hirendition="#g">Latorbe</hi> äußert ſich über das Syſtem<lb/>
der Knotenverbindung wie folgt: »Im Felde genügen eine tragbare Schmiede,<lb/>
einige Seile, Blocks, zwei gewöhnliche Winden und etliche Werkzeuge, um für die<lb/>
Aufſtellung hinreichend ausgerüſtet zu ſein. Die einzelnen Beſtandtheile werden in<lb/>
den Werkſtätten vollſtändig hergerichtet und ſind an Ort und Stelle lediglich<lb/>
aneinander zu fügen, ohne eine Niete eintreiben zu müſſen. Ein intelligenter Vor-<lb/>
arbeiter mit einigen gewöhnlichen Arbeitern reichen hierzu aus. Um die Raſchheit<lb/>
und Leichtigkeit, mit der ſolche Bauten durchgeführt werden können, zu zeigen, hat<lb/>
die Baltimore Bridge Co. 152 laufende Meter Viaduct von 18 Meter Höhe in<lb/>
zehn Arbeitsſtunden mit 28 Mann hergeſtellt.«</p><lb/><p>Die Vortheile dieſes Syſtems liegen ſonach auf der Hand. Allerdings<lb/>
erfordert es die exacteſte Ausführung. Jedes Verſäumniß in der genauen<lb/>
Durchbildung der Augen und Bolzen würde zu ſchlotternden Bewegungen der<lb/>
einzelnen Theile der Conſtruction Anlaß geben. In der Erkenntniß dieſer Sachlage<lb/>
befleißen ſich die Brückenbauanſtalten der größten Sorgfalt in den Ausführungs-<lb/>
arbeiten und die Regierungen in den einzelnen Staaten haben überdies im geſetz-<lb/>
mäßigen Wege genaue Vorſchriften nach dieſer Richtung erlaſſen. Dadurch hat ſich<lb/>
die amerikaniſche Brückentechnik außerordentlich vervollkommnet und ſind die Fälle,<lb/>
in denen entweder durch unreelle Ausführungsarbeiten und unverſtändige Controle,<lb/>
oder in Folge unfachgemäßer Leitung der Montirung, Brücken nach dem Principe<lb/>
der gelenkförmigen Knotenverbindungen ſich als untauglich erwieſen oder vollends<lb/>
zu Kataſtrophen führten, wohl nur vereinzelt vertreten.</p><lb/><p>Die Gegner der Bolzenverbindungen machen geltend, daß in Folge der<lb/>
kleinen Drehungen, die bei Be- und Entlaſtung der Brücke eintreten, der Raum<lb/>
zwiſchen dem Auge und dem Bolzen allmählich ſich erweitert. Indeſſen berichtet<lb/>
Ingenieur <hirendition="#g">Fr. Steiner</hi>, daß in einem ſpeciellen Falle bei der Zerlegung einer<lb/>
Brücke mit gelenkförmigen Knotenverbindungen die Bolzen, welche nur mit Mühe<lb/>
herauszubringen waren, ſich vollkommen erhalten zeigten, und daß die Augen der<lb/>
Gitterſtäbe ihre genaue kreisrunde Form bewahrt hatten.</p><lb/><p>Das Gelenkſyſtem iſt übrigens auch noch von einem anderen Standpunkte<lb/>
der Nietenverbindung vorzuziehen, nämlich vom militäriſchen. Eine Brücke nach<lb/>
letzterem Syſtem iſt innerhalb kurzer Zeit nicht zu demontiren und muß daher,<lb/>
wenn man ſie der Benützung durch den Feind entziehen will, mit Dynamit ge-<lb/>ſprengt werden. Soll ſie nachmals wieder in eigene Benützung treten, ſo erfordert<lb/>
ihre Wiederherſtellung einen unverhältnißmäßig großen Aufwand von Zeit und<lb/>
Arbeit. Beim Gelenkſyſtem genügt es, die Bolzen einzelner Verbindungen heraus-<lb/>
zuſchlagen und die Brücke wird unbenützbar, wobei durch Mitnahme der Bolzen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[314/0354]
Zweiter Abſchnitt.
Dieſes Syſtem umgeht, wie man ſieht, die Ausführung von Nietarbeiten auf der
Bauſtelle und gewährt dadurch eine einfache und ſchnelle Zuſammenſetzung der
Brückentheile. Die Herſtellung der letzteren muß aus dieſem Grunde mit peinlicher
Genauigkeit und nach einheitlichen Modellen durchgeführt werden.
Der amerikaniſche Ingenieur C. H. Latorbe äußert ſich über das Syſtem
der Knotenverbindung wie folgt: »Im Felde genügen eine tragbare Schmiede,
einige Seile, Blocks, zwei gewöhnliche Winden und etliche Werkzeuge, um für die
Aufſtellung hinreichend ausgerüſtet zu ſein. Die einzelnen Beſtandtheile werden in
den Werkſtätten vollſtändig hergerichtet und ſind an Ort und Stelle lediglich
aneinander zu fügen, ohne eine Niete eintreiben zu müſſen. Ein intelligenter Vor-
arbeiter mit einigen gewöhnlichen Arbeitern reichen hierzu aus. Um die Raſchheit
und Leichtigkeit, mit der ſolche Bauten durchgeführt werden können, zu zeigen, hat
die Baltimore Bridge Co. 152 laufende Meter Viaduct von 18 Meter Höhe in
zehn Arbeitsſtunden mit 28 Mann hergeſtellt.«
Die Vortheile dieſes Syſtems liegen ſonach auf der Hand. Allerdings
erfordert es die exacteſte Ausführung. Jedes Verſäumniß in der genauen
Durchbildung der Augen und Bolzen würde zu ſchlotternden Bewegungen der
einzelnen Theile der Conſtruction Anlaß geben. In der Erkenntniß dieſer Sachlage
befleißen ſich die Brückenbauanſtalten der größten Sorgfalt in den Ausführungs-
arbeiten und die Regierungen in den einzelnen Staaten haben überdies im geſetz-
mäßigen Wege genaue Vorſchriften nach dieſer Richtung erlaſſen. Dadurch hat ſich
die amerikaniſche Brückentechnik außerordentlich vervollkommnet und ſind die Fälle,
in denen entweder durch unreelle Ausführungsarbeiten und unverſtändige Controle,
oder in Folge unfachgemäßer Leitung der Montirung, Brücken nach dem Principe
der gelenkförmigen Knotenverbindungen ſich als untauglich erwieſen oder vollends
zu Kataſtrophen führten, wohl nur vereinzelt vertreten.
Die Gegner der Bolzenverbindungen machen geltend, daß in Folge der
kleinen Drehungen, die bei Be- und Entlaſtung der Brücke eintreten, der Raum
zwiſchen dem Auge und dem Bolzen allmählich ſich erweitert. Indeſſen berichtet
Ingenieur Fr. Steiner, daß in einem ſpeciellen Falle bei der Zerlegung einer
Brücke mit gelenkförmigen Knotenverbindungen die Bolzen, welche nur mit Mühe
herauszubringen waren, ſich vollkommen erhalten zeigten, und daß die Augen der
Gitterſtäbe ihre genaue kreisrunde Form bewahrt hatten.
Das Gelenkſyſtem iſt übrigens auch noch von einem anderen Standpunkte
der Nietenverbindung vorzuziehen, nämlich vom militäriſchen. Eine Brücke nach
letzterem Syſtem iſt innerhalb kurzer Zeit nicht zu demontiren und muß daher,
wenn man ſie der Benützung durch den Feind entziehen will, mit Dynamit ge-
ſprengt werden. Soll ſie nachmals wieder in eigene Benützung treten, ſo erfordert
ihre Wiederherſtellung einen unverhältnißmäßig großen Aufwand von Zeit und
Arbeit. Beim Gelenkſyſtem genügt es, die Bolzen einzelner Verbindungen heraus-
zuſchlagen und die Brücke wird unbenützbar, wobei durch Mitnahme der Bolzen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/354>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.