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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Herdfeuer und Flammofen.
Kohlenstoffgehalt nur sehr gering und das Eisen im Uebrigen nahezu rein von
anderen, eine ähnliche Wirkung ausübenden Bestandtheilen, so tritt diese Ver-
änderung nicht ein; die Legirung ist "Schmiedeeisen".

Man war lange Zeit darüber nicht aufgeklärt, welche Vorgänge sich beim
Härtungsproceß abspielen. Die Eisenhüttenkunde hat sich aber mit der Zeit zu
einer Wissenschaft ausgebildet, in welcher der Laborant -- der Chemiker -- ein
entscheidendes Wort mitzureden hat. Mikroskop und Spectroskop sind unentbehrliche
Hilfsmittel geworden, die chemischen Analysen, die Festigkeitsproben u. s. w. be-
schäftigen unermüdliche Hände. Um nur ein Beispiel von dieser Thätigkeit zu geben,
sei erwähnt, daß die Krupp'sche Fabrik unter der Leitung eines durch langjährige
Erfahrung geschulten Ingenieurs im Laufe eines Jahres über 70.000 mechanische
Versuche bewältigt, darunter 25.000 Zerreißproben.

Wie verhält es sich nun mit dem Härten auf Grund der neueren For-
schungen? Nicht selten wird Härte mit Festigkeit oder hoher Elasticitätsgrenze ver-
wechselt. Taucht man, wie erwähnt, glühendes Eisen von mäßigem Kohlenstoffgehalt
plötzlich in Wasser, so wird es hart wie ein Kieselstein, leider aber auch ebenso
spröde. Was ist nun mit dem Ausgangsmaterial vorgegangen? Nichts anderes,
als daß durch die plötzliche Abkühlung der gesammte vorhandene Kohlenstoff ge-
zwungen wird, in der Legirung zu verharren, d. i. die Form von Härtungskohle
anzunehmen. Durch gelindes Wiedererwärmen erhält der Stahl alle Zwischenstufen
der Härte, und bei einer Temperatur von 750° scheidet er fast sämmtliche Här-
tungskohle als Eisencarbid aus. Durch diese Fähigkeit, sich künstlich härten zu
lassen, ist der Stahl am besten definirt; Schmiedeeisen bleibt weich und zähe, auch
nach plötzlicher Abkühlung aus dem glühenden Zustande. Man hat es also in der
Hand, die Glashärte des Stahles und damit auch seine Sprödigkeit nach Belieben
abzumindern. Das Verfahren wird "Anlassen" genannt.

Die Methode des Herdfrischens, bei welcher die Temperatur den Schmelz-
punkt des Schmiedeeisens nicht erheblich übersteigt, ist die primitivste, von altersher
geübte. Sie liefert nur Schweißeisen (Schweißstahl), da das bearbeitete Material
nicht schmilzt, sondern nur zu Klumpen zusammenschweißt. Die Schmelztemperatur
derart zu steigern, daß das Material flüssig wird (Flußeisen, Flußstahl), ist eine
Erfindung der Neuzeit auf Grund der in der Feuerungstechnik erzielten Fort-
schritte. Immerhin sind die Frischfeuer noch nicht überall erloschen, und in wald-
reichen Gegenden, welche zudem über besonders reines Roheisen verfügen (Schweden,
Steiermark), flackern sie nach wie vor.

Es liegt auf der Hand, daß diese Methode nur für die Herstellung solcher
Eisensorten taugt, an deren Eigenschaften besonders hohe Anforderungen gestellt
werden. Außerdem kommt das Feuerungsmaterial, die Holzkohle, in Betracht, da
Steinkohle und Koks durch ihre Verunreinigungen das Erzeugniß verderben.
Während also das im großindustriellen Betriebe erzeugte Roheisen längst in Massen
und billig zu haben war, blieb Schmiedeeisen nach wie vor theuer. Einen Um-

Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 4

Herdfeuer und Flammofen.
Kohlenſtoffgehalt nur ſehr gering und das Eiſen im Uebrigen nahezu rein von
anderen, eine ähnliche Wirkung ausübenden Beſtandtheilen, ſo tritt dieſe Ver-
änderung nicht ein; die Legirung iſt »Schmiedeeiſen«.

Man war lange Zeit darüber nicht aufgeklärt, welche Vorgänge ſich beim
Härtungsproceß abſpielen. Die Eiſenhüttenkunde hat ſich aber mit der Zeit zu
einer Wiſſenſchaft ausgebildet, in welcher der Laborant — der Chemiker — ein
entſcheidendes Wort mitzureden hat. Mikroſkop und Spectroſkop ſind unentbehrliche
Hilfsmittel geworden, die chemiſchen Analyſen, die Feſtigkeitsproben u. ſ. w. be-
ſchäftigen unermüdliche Hände. Um nur ein Beiſpiel von dieſer Thätigkeit zu geben,
ſei erwähnt, daß die Krupp'ſche Fabrik unter der Leitung eines durch langjährige
Erfahrung geſchulten Ingenieurs im Laufe eines Jahres über 70.000 mechaniſche
Verſuche bewältigt, darunter 25.000 Zerreißproben.

Wie verhält es ſich nun mit dem Härten auf Grund der neueren For-
ſchungen? Nicht ſelten wird Härte mit Feſtigkeit oder hoher Elaſticitätsgrenze ver-
wechſelt. Taucht man, wie erwähnt, glühendes Eiſen von mäßigem Kohlenſtoffgehalt
plötzlich in Waſſer, ſo wird es hart wie ein Kieſelſtein, leider aber auch ebenſo
ſpröde. Was iſt nun mit dem Ausgangsmaterial vorgegangen? Nichts anderes,
als daß durch die plötzliche Abkühlung der geſammte vorhandene Kohlenſtoff ge-
zwungen wird, in der Legirung zu verharren, d. i. die Form von Härtungskohle
anzunehmen. Durch gelindes Wiedererwärmen erhält der Stahl alle Zwiſchenſtufen
der Härte, und bei einer Temperatur von 750° ſcheidet er faſt ſämmtliche Här-
tungskohle als Eiſencarbid aus. Durch dieſe Fähigkeit, ſich künſtlich härten zu
laſſen, iſt der Stahl am beſten definirt; Schmiedeeiſen bleibt weich und zähe, auch
nach plötzlicher Abkühlung aus dem glühenden Zuſtande. Man hat es alſo in der
Hand, die Glashärte des Stahles und damit auch ſeine Sprödigkeit nach Belieben
abzumindern. Das Verfahren wird »Anlaſſen« genannt.

Die Methode des Herdfriſchens, bei welcher die Temperatur den Schmelz-
punkt des Schmiedeeiſens nicht erheblich überſteigt, iſt die primitivſte, von altersher
geübte. Sie liefert nur Schweißeiſen (Schweißſtahl), da das bearbeitete Material
nicht ſchmilzt, ſondern nur zu Klumpen zuſammenſchweißt. Die Schmelztemperatur
derart zu ſteigern, daß das Material flüſſig wird (Flußeiſen, Flußſtahl), iſt eine
Erfindung der Neuzeit auf Grund der in der Feuerungstechnik erzielten Fort-
ſchritte. Immerhin ſind die Friſchfeuer noch nicht überall erloſchen, und in wald-
reichen Gegenden, welche zudem über beſonders reines Roheiſen verfügen (Schweden,
Steiermark), flackern ſie nach wie vor.

Es liegt auf der Hand, daß dieſe Methode nur für die Herſtellung ſolcher
Eiſenſorten taugt, an deren Eigenſchaften beſonders hohe Anforderungen geſtellt
werden. Außerdem kommt das Feuerungsmaterial, die Holzkohle, in Betracht, da
Steinkohle und Koks durch ihre Verunreinigungen das Erzeugniß verderben.
Während alſo das im großinduſtriellen Betriebe erzeugte Roheiſen längſt in Maſſen
und billig zu haben war, blieb Schmiedeeiſen nach wie vor theuer. Einen Um-

Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 4
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[49/0069] Herdfeuer und Flammofen. Kohlenſtoffgehalt nur ſehr gering und das Eiſen im Uebrigen nahezu rein von anderen, eine ähnliche Wirkung ausübenden Beſtandtheilen, ſo tritt dieſe Ver- änderung nicht ein; die Legirung iſt »Schmiedeeiſen«. Man war lange Zeit darüber nicht aufgeklärt, welche Vorgänge ſich beim Härtungsproceß abſpielen. Die Eiſenhüttenkunde hat ſich aber mit der Zeit zu einer Wiſſenſchaft ausgebildet, in welcher der Laborant — der Chemiker — ein entſcheidendes Wort mitzureden hat. Mikroſkop und Spectroſkop ſind unentbehrliche Hilfsmittel geworden, die chemiſchen Analyſen, die Feſtigkeitsproben u. ſ. w. be- ſchäftigen unermüdliche Hände. Um nur ein Beiſpiel von dieſer Thätigkeit zu geben, ſei erwähnt, daß die Krupp'ſche Fabrik unter der Leitung eines durch langjährige Erfahrung geſchulten Ingenieurs im Laufe eines Jahres über 70.000 mechaniſche Verſuche bewältigt, darunter 25.000 Zerreißproben. Wie verhält es ſich nun mit dem Härten auf Grund der neueren For- ſchungen? Nicht ſelten wird Härte mit Feſtigkeit oder hoher Elaſticitätsgrenze ver- wechſelt. Taucht man, wie erwähnt, glühendes Eiſen von mäßigem Kohlenſtoffgehalt plötzlich in Waſſer, ſo wird es hart wie ein Kieſelſtein, leider aber auch ebenſo ſpröde. Was iſt nun mit dem Ausgangsmaterial vorgegangen? Nichts anderes, als daß durch die plötzliche Abkühlung der geſammte vorhandene Kohlenſtoff ge- zwungen wird, in der Legirung zu verharren, d. i. die Form von Härtungskohle anzunehmen. Durch gelindes Wiedererwärmen erhält der Stahl alle Zwiſchenſtufen der Härte, und bei einer Temperatur von 750° ſcheidet er faſt ſämmtliche Här- tungskohle als Eiſencarbid aus. Durch dieſe Fähigkeit, ſich künſtlich härten zu laſſen, iſt der Stahl am beſten definirt; Schmiedeeiſen bleibt weich und zähe, auch nach plötzlicher Abkühlung aus dem glühenden Zuſtande. Man hat es alſo in der Hand, die Glashärte des Stahles und damit auch ſeine Sprödigkeit nach Belieben abzumindern. Das Verfahren wird »Anlaſſen« genannt. Die Methode des Herdfriſchens, bei welcher die Temperatur den Schmelz- punkt des Schmiedeeiſens nicht erheblich überſteigt, iſt die primitivſte, von altersher geübte. Sie liefert nur Schweißeiſen (Schweißſtahl), da das bearbeitete Material nicht ſchmilzt, ſondern nur zu Klumpen zuſammenſchweißt. Die Schmelztemperatur derart zu ſteigern, daß das Material flüſſig wird (Flußeiſen, Flußſtahl), iſt eine Erfindung der Neuzeit auf Grund der in der Feuerungstechnik erzielten Fort- ſchritte. Immerhin ſind die Friſchfeuer noch nicht überall erloſchen, und in wald- reichen Gegenden, welche zudem über beſonders reines Roheiſen verfügen (Schweden, Steiermark), flackern ſie nach wie vor. Es liegt auf der Hand, daß dieſe Methode nur für die Herſtellung ſolcher Eiſenſorten taugt, an deren Eigenſchaften beſonders hohe Anforderungen geſtellt werden. Außerdem kommt das Feuerungsmaterial, die Holzkohle, in Betracht, da Steinkohle und Koks durch ihre Verunreinigungen das Erzeugniß verderben. Während alſo das im großinduſtriellen Betriebe erzeugte Roheiſen längſt in Maſſen und billig zu haben war, blieb Schmiedeeiſen nach wie vor theuer. Einen Um- Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 4

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/69>, abgerufen am 09.11.2024.