Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Abschnitt.
sammen. In der That bildet das Eisenbahn-Maschinenwesen ein in sich abge-
schlossenes Ganzes und ist als solches die jüngste der praktischen Wissenschaften.
Seine Bedeutung ist umso weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem
mechanischen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgestaltung dieses
Apparates durchaus auf wissenschaftlicher Grundlage beruht, die ihrerseits von
den Erfahrungen der Physik und Mathematik getragen werden.

Der Anfang des Maschinenwesens bei den Eisenbahnen steckte noch tief in
roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erst aus

[Abbildung] Fig. 794.

Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmosphären; totale Heizfläche
134.6 Quadratmeter; Dienstgewicht 54.4 Tons.)

den sich hastig überstürzenden Ideen herauskrystallisiren, auf dem Wege des
Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: seit Stephenson's erster
Locomotive sind sieben Jahrzehnte verstrichen, und noch ist die beste Type nicht
unbestritten festgestellt. Jedes Land, ja jede Werkstätte hat ihre Musterkarten von
Typen, und prüft man alle diese Constructionen, so wird man theils principielle,
theils nebensächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maschinen-
wesen der Eisenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens,
wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erscheinung tritt, der sich
glücklicherweise in der letzten Zeit mit dem thatsächlichen können insoweit paart,
als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden ist, der nicht leicht noch ge-
steigert werden könnte.

Dritter Abſchnitt.
ſammen. In der That bildet das Eiſenbahn-Maſchinenweſen ein in ſich abge-
ſchloſſenes Ganzes und iſt als ſolches die jüngſte der praktiſchen Wiſſenſchaften.
Seine Bedeutung iſt umſo weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem
mechaniſchen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgeſtaltung dieſes
Apparates durchaus auf wiſſenſchaftlicher Grundlage beruht, die ihrerſeits von
den Erfahrungen der Phyſik und Mathematik getragen werden.

Der Anfang des Maſchinenweſens bei den Eiſenbahnen ſteckte noch tief in
roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erſt aus

[Abbildung] Fig. 794.

Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmoſphären; totale Heizfläche
134‧6 Quadratmeter; Dienſtgewicht 54‧4 Tons.)

den ſich haſtig überſtürzenden Ideen herauskryſtalliſiren, auf dem Wege des
Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: ſeit Stephenſon's erſter
Locomotive ſind ſieben Jahrzehnte verſtrichen, und noch iſt die beſte Type nicht
unbeſtritten feſtgeſtellt. Jedes Land, ja jede Werkſtätte hat ihre Muſterkarten von
Typen, und prüft man alle dieſe Conſtructionen, ſo wird man theils principielle,
theils nebenſächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maſchinen-
weſen der Eiſenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens,
wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erſcheinung tritt, der ſich
glücklicherweiſe in der letzten Zeit mit dem thatſächlichen können inſoweit paart,
als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden iſt, der nicht leicht noch ge-
ſteigert werden könnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0990" n="908"/><fw place="top" type="header">Dritter Ab&#x017F;chnitt.</fw><lb/>
&#x017F;ammen. In der That bildet das Ei&#x017F;enbahn-Ma&#x017F;chinenwe&#x017F;en ein in &#x017F;ich abge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enes Ganzes und i&#x017F;t als &#x017F;olches die jüng&#x017F;te der prakti&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften.<lb/>
Seine Bedeutung i&#x017F;t um&#x017F;o weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem<lb/>
mechani&#x017F;chen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausge&#x017F;taltung die&#x017F;es<lb/>
Apparates durchaus auf wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Grundlage beruht, die ihrer&#x017F;eits von<lb/>
den Erfahrungen der Phy&#x017F;ik und Mathematik getragen werden.</p><lb/>
            <p>Der Anfang des Ma&#x017F;chinenwe&#x017F;ens bei den Ei&#x017F;enbahnen &#x017F;teckte noch tief in<lb/>
roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte er&#x017F;t aus<lb/><figure><head>Fig. 794.</head><p> Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmo&#x017F;phären; totale Heizfläche<lb/>
134&#x2027;6 Quadratmeter; Dien&#x017F;tgewicht 54&#x2027;4 Tons.)</p></figure><lb/>
den &#x017F;ich ha&#x017F;tig über&#x017F;türzenden Ideen herauskry&#x017F;talli&#x017F;iren, auf dem Wege des<lb/>
Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: &#x017F;eit <hi rendition="#g">Stephen&#x017F;on's</hi> er&#x017F;ter<lb/>
Locomotive &#x017F;ind &#x017F;ieben Jahrzehnte ver&#x017F;trichen, und noch i&#x017F;t die be&#x017F;te Type nicht<lb/>
unbe&#x017F;tritten fe&#x017F;tge&#x017F;tellt. Jedes Land, ja jede Werk&#x017F;tätte hat ihre Mu&#x017F;terkarten von<lb/>
Typen, und prüft man alle die&#x017F;e Con&#x017F;tructionen, &#x017F;o wird man theils principielle,<lb/>
theils neben&#x017F;ächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Ma&#x017F;chinen-<lb/>
we&#x017F;en der Ei&#x017F;enbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens,<lb/>
wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Er&#x017F;cheinung tritt, der &#x017F;ich<lb/>
glücklicherwei&#x017F;e in der letzten Zeit mit dem that&#x017F;ächlichen können in&#x017F;oweit paart,<lb/>
als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden i&#x017F;t, der nicht leicht noch ge-<lb/>
&#x017F;teigert werden könnte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[908/0990] Dritter Abſchnitt. ſammen. In der That bildet das Eiſenbahn-Maſchinenweſen ein in ſich abge- ſchloſſenes Ganzes und iſt als ſolches die jüngſte der praktiſchen Wiſſenſchaften. Seine Bedeutung iſt umſo weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem mechaniſchen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgeſtaltung dieſes Apparates durchaus auf wiſſenſchaftlicher Grundlage beruht, die ihrerſeits von den Erfahrungen der Phyſik und Mathematik getragen werden. Der Anfang des Maſchinenweſens bei den Eiſenbahnen ſteckte noch tief in roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erſt aus [Abbildung Fig. 794. Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmoſphären; totale Heizfläche 134‧6 Quadratmeter; Dienſtgewicht 54‧4 Tons.)] den ſich haſtig überſtürzenden Ideen herauskryſtalliſiren, auf dem Wege des Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: ſeit Stephenſon's erſter Locomotive ſind ſieben Jahrzehnte verſtrichen, und noch iſt die beſte Type nicht unbeſtritten feſtgeſtellt. Jedes Land, ja jede Werkſtätte hat ihre Muſterkarten von Typen, und prüft man alle dieſe Conſtructionen, ſo wird man theils principielle, theils nebenſächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maſchinen- weſen der Eiſenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens, wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erſcheinung tritt, der ſich glücklicherweiſe in der letzten Zeit mit dem thatſächlichen können inſoweit paart, als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden iſt, der nicht leicht noch ge- ſteigert werden könnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/990
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 908. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/990>, abgerufen am 22.11.2024.