pse_204.001 Vers zukommt und daher die Anrufsrichtung immer wechselt. pse_204.002 So wird der Erlebende in diese rasche und dauernde Bewegungsänderung pse_204.003 hineingerissen. Die rhythmische Geschlossenheit pse_204.004 des Verses wirkt hier entscheidend mit.
pse_204.005
Thoas: Es spricht kein Gott; es spricht dein eignes Herz.
pse_204.006
Iphigenie: Sie reden nur durch unser Herz hindurch.
pse_204.007
Thoas: Und hab ich, sie zu hören, nicht das Recht?
pse_204.008
Iphigenie: Es überbraust der Sturm die zarte Stimme.
pse_204.009
Thoas: Die Priesterin vernimmt sie wohl allein?
pse_204.010
Iphigenie: Vor allem merke sie der Fürst
(Goethe, Iphigenie 1/3)
pse_204.011
Man beachte, wie hier auch die gegensätzlichen Wortgehalte pse_204.012 herausgetrieben werden.
pse_204.013 Sind im Ausruf und Anruf Ursituationen menschlichen pse_204.014 Sprechens in den Stil einer Dichtung hineingenommen, so pse_204.015 treffen wir in der Dynamik des Redevorgangs bereits ein durchgehendes pse_204.016 Bauelement dichterischer Sprache. Dabei wird pse_204.017 deutlich, daß sich die Stilkräfte verbinden können. Auch im pse_204.018 Ausruf und Anruf kann diese Dynamik wirken, auch in pse_204.019 ihnen gibt es sprachliche Bilder (vgl. den vierten der gerade pse_204.020 angeführten Verse). Wir berühren damit eine weitere Tatsache pse_204.021 der dichterischen Sprache und ihrer Struktur. Die Dynamik, pse_204.022 mit der die dichterische Rede abläuft, wird Wirklichkeit pse_204.023 in der Reihung der Worte, im Satzbau, in der Kürze pse_204.024 oder Länge von Gruppen, im Rhythmus, im Tempo usw. pse_204.025 Hier sehen wir deutlich, wie die Werte der Erfahrungsgestaltung pse_204.026 und der Lautung zusammengehen. In der folgenden pse_204.027 Gegenüberstellung wirkt auch der Unterschied des steigenden pse_204.028 und fallenden Rhythmus, natürlich neben dem Wortgehalt pse_204.029 und auch dem Vokalklang:
pse_204.030
Bedecke deinen Himmel, Zeus,pse_204.031 Mit Wolkendunstpse_204.032 Und übe, dem Knaben gleich,pse_204.033 Der Disteln köpft,pse_204.034 An Eichen dich und Bergeshöhn ...
pse_204.035 (Goethe, Prometheus)
pse_204.036
Wenn der uralte,pse_204.037 Heilige Vaterpse_204.038 Mit gelassener Handpse_204.039 Aus rollenden Wolken
pse_204.001 Vers zukommt und daher die Anrufsrichtung immer wechselt. pse_204.002 So wird der Erlebende in diese rasche und dauernde Bewegungsänderung pse_204.003 hineingerissen. Die rhythmische Geschlossenheit pse_204.004 des Verses wirkt hier entscheidend mit.
pse_204.005
Thoas: Es spricht kein Gott; es spricht dein eignes Herz.
pse_204.006
Iphigenie: Sie reden nur durch unser Herz hindurch.
pse_204.007
Thoas: Und hab ich, sie zu hören, nicht das Recht?
pse_204.008
Iphigenie: Es überbraust der Sturm die zarte Stimme.
pse_204.009
Thoas: Die Priesterin vernimmt sie wohl allein?
pse_204.010
Iphigenie: Vor allem merke sie der Fürst
(Goethe, Iphigenie 1/3)
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Man beachte, wie hier auch die gegensätzlichen Wortgehalte pse_204.012 herausgetrieben werden.
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pse_204.030
Bedecke deinen Himmel, Zeus,pse_204.031 Mit Wolkendunstpse_204.032 Und übe, dem Knaben gleich,pse_204.033 Der Disteln köpft,pse_204.034 An Eichen dich und Bergeshöhn ...
pse_204.035 (Goethe, Prometheus)
pse_204.036
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Vers zukommt und daher die Anrufsrichtung immer wechselt. pse_204.002
So wird der Erlebende in diese rasche und dauernde Bewegungsänderung pse_204.003
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pse_204.005
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Iphigenie: Sie reden nur durch unser Herz hindurch.
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Thoas: Und hab ich, sie zu hören, nicht das Recht?
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Iphigenie: Es überbraust der Sturm die zarte Stimme.
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Thoas: Die Priesterin vernimmt sie wohl allein?
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Iphigenie: Vor allem merke sie der Fürst
(Goethe, Iphigenie 1/3)
pse_204.011
Man beachte, wie hier auch die gegensätzlichen Wortgehalte pse_204.012
herausgetrieben werden.
pse_204.013
Sind im Ausruf und Anruf Ursituationen menschlichen pse_204.014
Sprechens in den Stil einer Dichtung hineingenommen, so pse_204.015
treffen wir in der Dynamik des Redevorgangs bereits ein durchgehendes pse_204.016
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/220>, abgerufen am 25.11.2024.
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