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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Hinweise auf eine zu erwartende Hochflut. Das Gegenteil pse_266.002
der Steigerungen sind dann die Entspannungen, das Heruntersinken pse_266.003
von der Höhe, die durch die Steigerung erklommen pse_266.004
wurde. Zusammenbruchartig wie ein Sturz nach dem pse_266.005
Bekenntnis Tells nach dem Apfelschuß oder in der furchtbaren pse_266.006
Stille, als Penthesilea nach der grauenhaften Tat die pse_266.007
Bühne wieder betritt.

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Mit der Steigerung hängt dann auch die Spannung zusammen. pse_266.009
Das Wort meint zunächst ein seelisches Phänomen, pse_266.010
das aber mit den künstlerischen Möglichkeiten zusammenhängt. pse_266.011
Psychologisch gesehen ist die Spannung eine sehr pse_266.012
reiche Erscheinung: neben Empfindungen, die vom Objekt pse_266.013
ausgehen, gibt es eine Fülle verschiedener Spannungsgefühle: pse_266.014
Erwartung, Zweifel, Wunsch, Furcht, Ungeduld, Neugier. pse_266.015
Allem liegt ein Ausdehnen, ein Drängen zugrunde, das Zeiterleben pse_266.016
ist sehr stark. Jeder Spannung muß eine Lösung folgen. pse_266.017
Dichtungen, denen die Auffassung zugrunde liegt, die ganze pse_266.018
Kunst sei auf die Wirkung auf das Menscheninnere auszurichten, pse_266.019
werden diese Gefühlsbewegung von Spannung und pse_266.020
Lösung auf immer neue Weise erzeugen. Schillers Theaterkunst pse_266.021
beruht -- mit seinem vollen Willen -- gerade darin. pse_266.022
Aber Spannung ist auch eine ästhetische Erscheinung, etwas, pse_266.023
was der Dichtung als Gebilde zukommt: sie ist ein Merkmal pse_266.024
der künstlerischen Anlage. Dazu gehört das langsame Vorausdeuten, pse_266.025
das ständige Verdichten der Hinweise, der mächtigen pse_266.026
Gehalte und der Stilwerte, also die Spannung wirkt pse_266.027
sich im Sinn und in der künstlerischen Form aus. Aber auch pse_266.028
schon die Bewegung allein kann Spannung erzeugen. Der pse_266.029
Rhythmus in seiner Gestaltung hat alle Möglichkeiten dazu. pse_266.030
Pausen erhöhen die Wirkung.

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Dem Vater grauset's, er reitet geschwind, pse_266.032
Er hält in Armen das ächzende Kind, pse_266.033
Erreicht den Hof mit Mühe und Not; pse_266.034
In seinen Armen das Kind war tot.
pse_266.035

Nach der leidenschaftlichen Drohung des Erlkönigs und dem pse_266.036
verzweifelnden Ruf des Kindes folgt jetzt wieder Erzählung pse_266.037
durch den Dichter; diese Umstellung überrascht und spannt pse_266.038
um so mehr. In den ersten zwei Versen erregen die Sinnträger

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Hinweise auf eine zu erwartende Hochflut. Das Gegenteil pse_266.002
der Steigerungen sind dann die Entspannungen, das Heruntersinken pse_266.003
von der Höhe, die durch die Steigerung erklommen pse_266.004
wurde. Zusammenbruchartig wie ein Sturz nach dem pse_266.005
Bekenntnis Tells nach dem Apfelschuß oder in der furchtbaren pse_266.006
Stille, als Penthesilea nach der grauenhaften Tat die pse_266.007
Bühne wieder betritt.

pse_266.008
Mit der Steigerung hängt dann auch die Spannung zusammen. pse_266.009
Das Wort meint zunächst ein seelisches Phänomen, pse_266.010
das aber mit den künstlerischen Möglichkeiten zusammenhängt. pse_266.011
Psychologisch gesehen ist die Spannung eine sehr pse_266.012
reiche Erscheinung: neben Empfindungen, die vom Objekt pse_266.013
ausgehen, gibt es eine Fülle verschiedener Spannungsgefühle: pse_266.014
Erwartung, Zweifel, Wunsch, Furcht, Ungeduld, Neugier. pse_266.015
Allem liegt ein Ausdehnen, ein Drängen zugrunde, das Zeiterleben pse_266.016
ist sehr stark. Jeder Spannung muß eine Lösung folgen. pse_266.017
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Lösung auf immer neue Weise erzeugen. Schillers Theaterkunst pse_266.021
beruht — mit seinem vollen Willen — gerade darin. pse_266.022
Aber Spannung ist auch eine ästhetische Erscheinung, etwas, pse_266.023
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der künstlerischen Anlage. Dazu gehört das langsame Vorausdeuten, pse_266.025
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Gehalte und der Stilwerte, also die Spannung wirkt pse_266.027
sich im Sinn und in der künstlerischen Form aus. Aber auch pse_266.028
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Rhythmus in seiner Gestaltung hat alle Möglichkeiten dazu. pse_266.030
Pausen erhöhen die Wirkung.

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Dem Vater grauset's, er reitet geschwind, pse_266.032
Er hält in Armen das ächzende Kind, pse_266.033
Erreicht den Hof mit Mühe und Not; pse_266.034
In seinen Armen das Kind war tot.
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Nach der leidenschaftlichen Drohung des Erlkönigs und dem pse_266.036
verzweifelnden Ruf des Kindes folgt jetzt wieder Erzählung pse_266.037
durch den Dichter; diese Umstellung überrascht und spannt pse_266.038
um so mehr. In den ersten zwei Versen erregen die Sinnträger

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/282>, abgerufen am 21.11.2024.