pse_285.001 auch grande. Dabei verbinden die Theoretiker diese Ebenen pse_285.002 mit dem Zweck der Darstellung auf einer solchen: die erste pse_285.003 soll lehren (docere), die zweite erfreuen (delectare), die dritte pse_285.004 aufwühlen (movere). Diese Theorie der Stilebenen wirkt sich pse_285.005 bis weit in die Neuzeit hinein bald stärker, bald schwächer pse_285.006 aus. Walther von der Vogelweide sagt ganz deutlich (84, 22 ff.):
pse_285.007
Ich drabe da her vil rehte drier slahte sanc:pse_285.008 den hohen und den nidern und den mittelswanc,pse_285.009 daz mir die rederiche iegesliche sagen danc.
pse_285.010
Diese Lehre wurde also vom Christentum, seiner Bildung und pse_285.011 Dichtung übernommen, allerdings in manchen Brechungen pse_285.012 und Fortbildungen. Freilich treffen wir manchmal auch pse_285.013 Zweiteilungen, die sich irgendwie damit decken: etwa die pse_285.014 Unterscheidung mit den griechischen Ausdrücken harmonia pse_285.015 austera und glaphyra, die noch für die Erkenntnis von Hölderlins pse_285.016 Sprachkunst wichtig geworden ist, oder die Unterscheidung pse_285.017 von ornatus facilis und difficilis.
pse_285.018 Zweifellos hängen diese Gestaltungsebenen seit je auch mit pse_285.019 sozialen Unterschieden entweder der Autoren oder der Leser pse_285.020 zusammen, in der Redekunst, wo sie auch wichtig sind, mit pse_285.021 dem Zweck der Rede. Tatsächlich bringen die mittelalterlichen pse_285.022 Poetiken die drei genera mit den drei Lebensständen pse_285.023 der Hirten, Bauern und Krieger zusammen und berufen sich pse_285.024 dabei auf die drei Werke Vergils: "Bucolica", "Georgica", pse_285.025 "Aeneis".
pse_285.026 Diese geschichtliche Abschweifung führt uns darauf, daß es pse_285.027 in der Dichtung aus ihrem Wesen heraus solche Stufungen pse_285.028 gibt. Sie werden also immer irgendwie anzutreffen sein. Ihre pse_285.029 Feststellung und Analyse führt zur Einsicht in weitere künstlerische pse_285.030 Formen und Grundsätze. Ob man drei oder nur zwei pse_285.031 oder mehrere unterscheiden soll, ist eine Streitfrage. Die pse_285.032 Unterscheidung kann auch aus psychologischen Erwägungen pse_285.033 geschehen: es kommt auf die verschiedenen Arten möglicher pse_285.034 Stimmungen an.
pse_285.035 Wichtiger aber ist die Betrachtung der ästhetischen Grundlagen pse_285.036 und Haltungen, die zur Unterscheidung der Stilebenen pse_285.037 führen. Die Unterschiede wirken sich in der Dichtung auf die pse_285.038 verschiedenste Weise aus. Schon in der Verwesentlichung und
pse_285.001 auch grande. Dabei verbinden die Theoretiker diese Ebenen pse_285.002 mit dem Zweck der Darstellung auf einer solchen: die erste pse_285.003 soll lehren (docere), die zweite erfreuen (delectare), die dritte pse_285.004 aufwühlen (movere). Diese Theorie der Stilebenen wirkt sich pse_285.005 bis weit in die Neuzeit hinein bald stärker, bald schwächer pse_285.006 aus. Walther von der Vogelweide sagt ganz deutlich (84, 22 ff.):
pse_285.007
Ich drabe da her vil rehte drier slahte sanc:pse_285.008 den hohen und den nidern und den mittelswanc,pse_285.009 daz mir die rederiche iegesliche sagen danc.
pse_285.010
Diese Lehre wurde also vom Christentum, seiner Bildung und pse_285.011 Dichtung übernommen, allerdings in manchen Brechungen pse_285.012 und Fortbildungen. Freilich treffen wir manchmal auch pse_285.013 Zweiteilungen, die sich irgendwie damit decken: etwa die pse_285.014 Unterscheidung mit den griechischen Ausdrücken harmonia pse_285.015 austera und glaphyra, die noch für die Erkenntnis von Hölderlins pse_285.016 Sprachkunst wichtig geworden ist, oder die Unterscheidung pse_285.017 von ornatus facilis und difficilis.
pse_285.018 Zweifellos hängen diese Gestaltungsebenen seit je auch mit pse_285.019 sozialen Unterschieden entweder der Autoren oder der Leser pse_285.020 zusammen, in der Redekunst, wo sie auch wichtig sind, mit pse_285.021 dem Zweck der Rede. Tatsächlich bringen die mittelalterlichen pse_285.022 Poetiken die drei genera mit den drei Lebensständen pse_285.023 der Hirten, Bauern und Krieger zusammen und berufen sich pse_285.024 dabei auf die drei Werke Vergils: »Bucolica«, »Georgica«, pse_285.025 »Aeneis«.
pse_285.026 Diese geschichtliche Abschweifung führt uns darauf, daß es pse_285.027 in der Dichtung aus ihrem Wesen heraus solche Stufungen pse_285.028 gibt. Sie werden also immer irgendwie anzutreffen sein. Ihre pse_285.029 Feststellung und Analyse führt zur Einsicht in weitere künstlerische pse_285.030 Formen und Grundsätze. Ob man drei oder nur zwei pse_285.031 oder mehrere unterscheiden soll, ist eine Streitfrage. Die pse_285.032 Unterscheidung kann auch aus psychologischen Erwägungen pse_285.033 geschehen: es kommt auf die verschiedenen Arten möglicher pse_285.034 Stimmungen an.
pse_285.035 Wichtiger aber ist die Betrachtung der ästhetischen Grundlagen pse_285.036 und Haltungen, die zur Unterscheidung der Stilebenen pse_285.037 führen. Die Unterschiede wirken sich in der Dichtung auf die pse_285.038 verschiedenste Weise aus. Schon in der Verwesentlichung und
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soll lehren (docere), die zweite erfreuen (delectare), die dritte pse_285.004
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bis weit in die Neuzeit hinein bald stärker, bald schwächer pse_285.006
aus. Walther von der Vogelweide sagt ganz deutlich (84, 22 ff.):
pse_285.007
Ich drabe da her vil rehte drier slahte sanc: pse_285.008
den hohen und den nidern und den mittelswanc, pse_285.009
daz mir die rederiche iegesliche sagen danc.
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Diese Lehre wurde also vom Christentum, seiner Bildung und pse_285.011
Dichtung übernommen, allerdings in manchen Brechungen pse_285.012
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Zweiteilungen, die sich irgendwie damit decken: etwa die pse_285.014
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austera und glaphyra, die noch für die Erkenntnis von Hölderlins pse_285.016
Sprachkunst wichtig geworden ist, oder die Unterscheidung pse_285.017
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Zweifellos hängen diese Gestaltungsebenen seit je auch mit pse_285.019
sozialen Unterschieden entweder der Autoren oder der Leser pse_285.020
zusammen, in der Redekunst, wo sie auch wichtig sind, mit pse_285.021
dem Zweck der Rede. Tatsächlich bringen die mittelalterlichen pse_285.022
Poetiken die drei genera mit den drei Lebensständen pse_285.023
der Hirten, Bauern und Krieger zusammen und berufen sich pse_285.024
dabei auf die drei Werke Vergils: »Bucolica«, »Georgica«, pse_285.025
»Aeneis«.
pse_285.026
Diese geschichtliche Abschweifung führt uns darauf, daß es pse_285.027
in der Dichtung aus ihrem Wesen heraus solche Stufungen pse_285.028
gibt. Sie werden also immer irgendwie anzutreffen sein. Ihre pse_285.029
Feststellung und Analyse führt zur Einsicht in weitere künstlerische pse_285.030
Formen und Grundsätze. Ob man drei oder nur zwei pse_285.031
oder mehrere unterscheiden soll, ist eine Streitfrage. Die pse_285.032
Unterscheidung kann auch aus psychologischen Erwägungen pse_285.033
geschehen: es kommt auf die verschiedenen Arten möglicher pse_285.034
Stimmungen an.
pse_285.035
Wichtiger aber ist die Betrachtung der ästhetischen Grundlagen pse_285.036
und Haltungen, die zur Unterscheidung der Stilebenen pse_285.037
führen. Die Unterschiede wirken sich in der Dichtung auf die pse_285.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/301>, abgerufen am 21.11.2024.
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