pse_417.001 lyrische Mythen und in die Gruppe Idylle, Elegie, pse_417.002 Satire. Dabei wird deutlich, daß die Grundsätze, nach denen pse_417.003 eingeteilt wird, wechseln. Bei der Hymnik unterscheidet er pse_417.004 wieder Ich-Hymnik und Chor-Hymnik. Kayser geht von pse_417.005 den drei Grundhaltungen aus, in denen Welterleben gestaltet pse_417.006 sein kann: zuerst das lyrische Ansprechen, dessen Grundform pse_417.007 der Ruf ist: daraus entfalten sich Preis, Jubel, Klage. Dann das pse_417.008 liedhafte Sprechen mit der Grundform des Liedes: daraus pse_417.009 wachsen Bitte, Gebet und Zuspruch. Endlich das lyrische pse_417.010 Nennen mit der Grundform des Spruchs, der sich in Sinnspruch, pse_417.011 Epigramm, Verkündigung, Beschwörung und Zauberspruch pse_417.012 aufgliedert. Wir wollen für unsere Übersicht folgende pse_417.013 Formen unterscheiden: die schlichte Form des einfachen pse_417.014 Liedes, die höhere Form des Gesanges; unter den innerlich pse_417.015 gespannten Formen vor allem das Sonett, die Ode pse_417.016 und die Hymne; dann daran anschließend die sogenannte pse_417.017 Gedankenlyrik und endlich die Spruchdichtung.
pse_417.018 a) Die einfachste und schlichteste Form lyrischer Gestaltung pse_417.019 ist das Lied. In ihm wirkt die rein lyrische Grundhaltung am pse_417.020 schönsten und reinsten. Im Lied wird das völlige Verschmelzen pse_417.021 des Ichs mit der erlebten Welt Gestalt. Subjekt und Objekt, pse_417.022 Ich und Gegenstand sind nicht getrennt, daher nicht pse_417.023 unterscheidbar. Der Dichter ist im Strom der Welt und nimmt pse_417.024 diese Welt ganz in sein Inneres auf. So ergibt sich eine geschlossene, pse_417.025 einheitliche Stimmung. Hier spüren wir den pse_417.026 eigentlichen Sinn des früher verwendeten Wortes Verinnerung. pse_417.027 Die völlige Einheit ist auch in der sprachlichen Kunst pse_417.028 da: Lautung und Sinn verschmelzen, eins wirkt im anderen. pse_417.029 Aus solcher Haltung ergibt sich die einfache Form des Singens. pse_417.030 So kann auch der Leser oder Hörer keinen Abstand pse_417.031 nehmen, sich nicht mit Form oder Sinn eines Liedes auseinandersetzen. pse_417.032 Das lyrische Ich des Liedes ist ganz eingetaucht pse_417.033 in seinen eigenen Lebensrhythmus, seine Lebensvorgänge, pse_417.034 aus denen heraus es die Welt in sich hereinzieht und zu einem pse_417.035 Stück seines Lebens macht. Aus diesem Innesein in seinen geheimen pse_417.036 Lebenskräften und der in sie hineinverwandelten pse_417.037 Welt singt es heraus. So kann G. Müller zum inneren Gestaltgesetz pse_417.038 des Liedes kommen: "Es ist ... das Gesetz des
pse_417.001 lyrische Mythen und in die Gruppe Idylle, Elegie, pse_417.002 Satire. Dabei wird deutlich, daß die Grundsätze, nach denen pse_417.003 eingeteilt wird, wechseln. Bei der Hymnik unterscheidet er pse_417.004 wieder Ich-Hymnik und Chor-Hymnik. Kayser geht von pse_417.005 den drei Grundhaltungen aus, in denen Welterleben gestaltet pse_417.006 sein kann: zuerst das lyrische Ansprechen, dessen Grundform pse_417.007 der Ruf ist: daraus entfalten sich Preis, Jubel, Klage. Dann das pse_417.008 liedhafte Sprechen mit der Grundform des Liedes: daraus pse_417.009 wachsen Bitte, Gebet und Zuspruch. Endlich das lyrische pse_417.010 Nennen mit der Grundform des Spruchs, der sich in Sinnspruch, pse_417.011 Epigramm, Verkündigung, Beschwörung und Zauberspruch pse_417.012 aufgliedert. Wir wollen für unsere Übersicht folgende pse_417.013 Formen unterscheiden: die schlichte Form des einfachen pse_417.014 Liedes, die höhere Form des Gesanges; unter den innerlich pse_417.015 gespannten Formen vor allem das Sonett, die Ode pse_417.016 und die Hymne; dann daran anschließend die sogenannte pse_417.017 Gedankenlyrik und endlich die Spruchdichtung.
pse_417.018 a) Die einfachste und schlichteste Form lyrischer Gestaltung pse_417.019 ist das Lied. In ihm wirkt die rein lyrische Grundhaltung am pse_417.020 schönsten und reinsten. Im Lied wird das völlige Verschmelzen pse_417.021 des Ichs mit der erlebten Welt Gestalt. Subjekt und Objekt, pse_417.022 Ich und Gegenstand sind nicht getrennt, daher nicht pse_417.023 unterscheidbar. Der Dichter ist im Strom der Welt und nimmt pse_417.024 diese Welt ganz in sein Inneres auf. So ergibt sich eine geschlossene, pse_417.025 einheitliche Stimmung. Hier spüren wir den pse_417.026 eigentlichen Sinn des früher verwendeten Wortes Verinnerung. pse_417.027 Die völlige Einheit ist auch in der sprachlichen Kunst pse_417.028 da: Lautung und Sinn verschmelzen, eins wirkt im anderen. pse_417.029 Aus solcher Haltung ergibt sich die einfache Form des Singens. pse_417.030 So kann auch der Leser oder Hörer keinen Abstand pse_417.031 nehmen, sich nicht mit Form oder Sinn eines Liedes auseinandersetzen. pse_417.032 Das lyrische Ich des Liedes ist ganz eingetaucht pse_417.033 in seinen eigenen Lebensrhythmus, seine Lebensvorgänge, pse_417.034 aus denen heraus es die Welt in sich hereinzieht und zu einem pse_417.035 Stück seines Lebens macht. Aus diesem Innesein in seinen geheimen pse_417.036 Lebenskräften und der in sie hineinverwandelten pse_417.037 Welt singt es heraus. So kann G. Müller zum inneren Gestaltgesetz pse_417.038 des Liedes kommen: »Es ist ... das Gesetz des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0433"n="417"/><lbn="pse_417.001"/>
lyrische Mythen und in die Gruppe Idylle, Elegie, <lbn="pse_417.002"/>
Satire. Dabei wird deutlich, daß die Grundsätze, nach denen <lbn="pse_417.003"/>
eingeteilt wird, wechseln. Bei der Hymnik unterscheidet er <lbn="pse_417.004"/>
wieder Ich-Hymnik und Chor-Hymnik. Kayser geht von <lbn="pse_417.005"/>
den drei Grundhaltungen aus, in denen Welterleben gestaltet <lbn="pse_417.006"/>
sein kann: zuerst das lyrische Ansprechen, dessen Grundform <lbn="pse_417.007"/>
der Ruf ist: daraus entfalten sich Preis, Jubel, Klage. Dann das <lbn="pse_417.008"/>
liedhafte Sprechen mit der Grundform des Liedes: daraus <lbn="pse_417.009"/>
wachsen Bitte, Gebet und Zuspruch. Endlich das lyrische <lbn="pse_417.010"/>
Nennen mit der Grundform des Spruchs, der sich in Sinnspruch, <lbn="pse_417.011"/>
Epigramm, Verkündigung, Beschwörung und Zauberspruch <lbn="pse_417.012"/>
aufgliedert. Wir wollen für unsere Übersicht folgende <lbn="pse_417.013"/>
Formen unterscheiden: die schlichte Form des einfachen <lbn="pse_417.014"/>
Liedes, die höhere Form des Gesanges; unter den innerlich <lbn="pse_417.015"/>
gespannten Formen vor allem das Sonett, die Ode <lbn="pse_417.016"/>
und die Hymne; dann daran anschließend die sogenannte <lbn="pse_417.017"/>
Gedankenlyrik und endlich die Spruchdichtung.</p><p><lbn="pse_417.018"/>
a) Die einfachste und schlichteste Form lyrischer Gestaltung <lbn="pse_417.019"/>
ist das <hirendition="#i">Lied.</hi> In ihm wirkt die rein lyrische Grundhaltung am <lbn="pse_417.020"/>
schönsten und reinsten. Im Lied wird das völlige Verschmelzen <lbn="pse_417.021"/>
des Ichs mit der erlebten Welt Gestalt. Subjekt und Objekt, <lbn="pse_417.022"/>
Ich und Gegenstand sind nicht getrennt, daher nicht <lbn="pse_417.023"/>
unterscheidbar. Der Dichter ist im Strom der Welt und nimmt <lbn="pse_417.024"/>
diese Welt ganz in sein Inneres auf. So ergibt sich eine geschlossene, <lbn="pse_417.025"/>
einheitliche Stimmung. Hier spüren wir den <lbn="pse_417.026"/>
eigentlichen Sinn des früher verwendeten Wortes Verinnerung. <lbn="pse_417.027"/>
Die völlige Einheit ist auch in der sprachlichen Kunst <lbn="pse_417.028"/>
da: Lautung und Sinn verschmelzen, eins wirkt im anderen. <lbn="pse_417.029"/>
Aus solcher Haltung ergibt sich die einfache Form des Singens. <lbn="pse_417.030"/>
So kann auch der Leser oder Hörer keinen Abstand <lbn="pse_417.031"/>
nehmen, sich nicht mit Form oder Sinn eines Liedes auseinandersetzen. <lbn="pse_417.032"/>
Das lyrische Ich des Liedes ist ganz eingetaucht <lbn="pse_417.033"/>
in seinen eigenen Lebensrhythmus, seine Lebensvorgänge, <lbn="pse_417.034"/>
aus denen heraus es die Welt in sich hereinzieht und zu einem <lbn="pse_417.035"/>
Stück seines Lebens macht. Aus diesem Innesein in seinen geheimen <lbn="pse_417.036"/>
Lebenskräften und der in sie hineinverwandelten <lbn="pse_417.037"/>
Welt singt es heraus. So kann G. Müller zum inneren Gestaltgesetz <lbn="pse_417.038"/>
des Liedes kommen: »Es ist ... das Gesetz des
</p></div></div></div></body></text></TEI>
[417/0433]
pse_417.001
lyrische Mythen und in die Gruppe Idylle, Elegie, pse_417.002
Satire. Dabei wird deutlich, daß die Grundsätze, nach denen pse_417.003
eingeteilt wird, wechseln. Bei der Hymnik unterscheidet er pse_417.004
wieder Ich-Hymnik und Chor-Hymnik. Kayser geht von pse_417.005
den drei Grundhaltungen aus, in denen Welterleben gestaltet pse_417.006
sein kann: zuerst das lyrische Ansprechen, dessen Grundform pse_417.007
der Ruf ist: daraus entfalten sich Preis, Jubel, Klage. Dann das pse_417.008
liedhafte Sprechen mit der Grundform des Liedes: daraus pse_417.009
wachsen Bitte, Gebet und Zuspruch. Endlich das lyrische pse_417.010
Nennen mit der Grundform des Spruchs, der sich in Sinnspruch, pse_417.011
Epigramm, Verkündigung, Beschwörung und Zauberspruch pse_417.012
aufgliedert. Wir wollen für unsere Übersicht folgende pse_417.013
Formen unterscheiden: die schlichte Form des einfachen pse_417.014
Liedes, die höhere Form des Gesanges; unter den innerlich pse_417.015
gespannten Formen vor allem das Sonett, die Ode pse_417.016
und die Hymne; dann daran anschließend die sogenannte pse_417.017
Gedankenlyrik und endlich die Spruchdichtung.
pse_417.018
a) Die einfachste und schlichteste Form lyrischer Gestaltung pse_417.019
ist das Lied. In ihm wirkt die rein lyrische Grundhaltung am pse_417.020
schönsten und reinsten. Im Lied wird das völlige Verschmelzen pse_417.021
des Ichs mit der erlebten Welt Gestalt. Subjekt und Objekt, pse_417.022
Ich und Gegenstand sind nicht getrennt, daher nicht pse_417.023
unterscheidbar. Der Dichter ist im Strom der Welt und nimmt pse_417.024
diese Welt ganz in sein Inneres auf. So ergibt sich eine geschlossene, pse_417.025
einheitliche Stimmung. Hier spüren wir den pse_417.026
eigentlichen Sinn des früher verwendeten Wortes Verinnerung. pse_417.027
Die völlige Einheit ist auch in der sprachlichen Kunst pse_417.028
da: Lautung und Sinn verschmelzen, eins wirkt im anderen. pse_417.029
Aus solcher Haltung ergibt sich die einfache Form des Singens. pse_417.030
So kann auch der Leser oder Hörer keinen Abstand pse_417.031
nehmen, sich nicht mit Form oder Sinn eines Liedes auseinandersetzen. pse_417.032
Das lyrische Ich des Liedes ist ganz eingetaucht pse_417.033
in seinen eigenen Lebensrhythmus, seine Lebensvorgänge, pse_417.034
aus denen heraus es die Welt in sich hereinzieht und zu einem pse_417.035
Stück seines Lebens macht. Aus diesem Innesein in seinen geheimen pse_417.036
Lebenskräften und der in sie hineinverwandelten pse_417.037
Welt singt es heraus. So kann G. Müller zum inneren Gestaltgesetz pse_417.038
des Liedes kommen: »Es ist ... das Gesetz des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/433>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.