pse_442.001 Einsicht in einen Weltbereich wird vom künstlerischen pse_442.002 Menschen so tief erlebt, daß sie sein Inneres aufwühlen, pse_442.003 ja oft umformen. In der dichterisch völlig einheitlichen, pse_442.004 zum Ganzen verschmolzenen Gestaltung dieses erlebten pse_442.005 Weltbereichs, der in seinem sachlichen Bestand nur durch pse_442.006 Erkenntnis uns zugänglich gemacht werden kann, und pse_442.007 der tiefen Aufgewühltheit, der inneren Ergriffenheit davon pse_442.008 liegt ein echt lyrisches Dichten vor: ins Innerste greifende, pse_442.009 unmittelbare Welterfahrung. Es ist ein Sprechen aus dem persönlichen pse_442.010 Inneren heraus. Wenn es aber dem Dichter darauf pse_442.011 ankommt, das eingehend Betrachtete wirkungsvoll anderen pse_442.012 zu zeigen und dabei zugleich in seinem Aufbau sprachlich neu pse_442.013 zu ordnen, so sind wir im Bereich der Didaktik. Manchmal pse_442.014 wird es schwer zu entscheiden sein, ob das eine oder das andere pse_442.015 vorliegt. Will Schiller in den "Künstlern" die Aufgabe und pse_442.016 den Lebenssinn der Künstler sprachlich gestalten oder seine pse_442.017 eigene Ergriffenheit von diesem Lebensbereich? Es kommt pse_442.018 da auch auf die innere Bereitschaft des Lesers an, ob er sich pse_442.019 belehren lassen will, oder ob auch er innerlich vom Erlebten pse_442.020 zutiefst ergriffen wird. Auch in der Spruchdichtung sind pse_442.021 solche Übergänge möglich. Die früher angeführten Epigramme pse_442.022 wollen kaum etwas zeigen und dabei neu ordnen, pse_442.023 sie sind letzte scharfe Zuspitzung einer erlebten Erfahrung pse_442.024 aus tiefem Dabeisein, meist mit dem Gefühl der geistigen pse_442.025 Überlegenheit. Aber man kann in einem Spruch auch Lehren pse_442.026 geben, hinweisen auf das, was sein soll, andeuten, wie es sein pse_442.027 soll, aber eben in greifbaren und wirkungsvollen sprachlichen pse_442.028 Bildern, in kräftigen Anrufen und Ausrufen. Bei Dichtungen, pse_442.029 die so zwischen den Gattungen stehen, muß es nicht um Mißglücktes pse_442.030 gehen, um Zwitter. Denn wir wollen bedenken, daß pse_442.031 zwar strenge Dichterrichtungen, wie es vor allem die Klassiker pse_442.032 sind, auf genaue Trennung der Gattungen und also genaue pse_442.033 Befolgung der Gesetzlichkeiten jeder Gattung achten, pse_442.034 daß aber Zwischenformen und gattungsmäßige Mischdichtungen pse_442.035 durchaus bedeutend sein können. Es könnte jemandem, pse_442.036 der Didaktik grundsätzlich als Gattung ablehnt, möglich sein pse_442.037 zu zeigen, wie bekannte didaktische Dichtungen solche Zwischenformen pse_442.038 und Übergangsmöglichkeiten darstellen.
pse_442.001 Einsicht in einen Weltbereich wird vom künstlerischen pse_442.002 Menschen so tief erlebt, daß sie sein Inneres aufwühlen, pse_442.003 ja oft umformen. In der dichterisch völlig einheitlichen, pse_442.004 zum Ganzen verschmolzenen Gestaltung dieses erlebten pse_442.005 Weltbereichs, der in seinem sachlichen Bestand nur durch pse_442.006 Erkenntnis uns zugänglich gemacht werden kann, und pse_442.007 der tiefen Aufgewühltheit, der inneren Ergriffenheit davon pse_442.008 liegt ein echt lyrisches Dichten vor: ins Innerste greifende, pse_442.009 unmittelbare Welterfahrung. Es ist ein Sprechen aus dem persönlichen pse_442.010 Inneren heraus. Wenn es aber dem Dichter darauf pse_442.011 ankommt, das eingehend Betrachtete wirkungsvoll anderen pse_442.012 zu zeigen und dabei zugleich in seinem Aufbau sprachlich neu pse_442.013 zu ordnen, so sind wir im Bereich der Didaktik. Manchmal pse_442.014 wird es schwer zu entscheiden sein, ob das eine oder das andere pse_442.015 vorliegt. Will Schiller in den »Künstlern« die Aufgabe und pse_442.016 den Lebenssinn der Künstler sprachlich gestalten oder seine pse_442.017 eigene Ergriffenheit von diesem Lebensbereich? Es kommt pse_442.018 da auch auf die innere Bereitschaft des Lesers an, ob er sich pse_442.019 belehren lassen will, oder ob auch er innerlich vom Erlebten pse_442.020 zutiefst ergriffen wird. Auch in der Spruchdichtung sind pse_442.021 solche Übergänge möglich. Die früher angeführten Epigramme pse_442.022 wollen kaum etwas zeigen und dabei neu ordnen, pse_442.023 sie sind letzte scharfe Zuspitzung einer erlebten Erfahrung pse_442.024 aus tiefem Dabeisein, meist mit dem Gefühl der geistigen pse_442.025 Überlegenheit. Aber man kann in einem Spruch auch Lehren pse_442.026 geben, hinweisen auf das, was sein soll, andeuten, wie es sein pse_442.027 soll, aber eben in greifbaren und wirkungsvollen sprachlichen pse_442.028 Bildern, in kräftigen Anrufen und Ausrufen. Bei Dichtungen, pse_442.029 die so zwischen den Gattungen stehen, muß es nicht um Mißglücktes pse_442.030 gehen, um Zwitter. Denn wir wollen bedenken, daß pse_442.031 zwar strenge Dichterrichtungen, wie es vor allem die Klassiker pse_442.032 sind, auf genaue Trennung der Gattungen und also genaue pse_442.033 Befolgung der Gesetzlichkeiten jeder Gattung achten, pse_442.034 daß aber Zwischenformen und gattungsmäßige Mischdichtungen pse_442.035 durchaus bedeutend sein können. Es könnte jemandem, pse_442.036 der Didaktik grundsätzlich als Gattung ablehnt, möglich sein pse_442.037 zu zeigen, wie bekannte didaktische Dichtungen solche Zwischenformen pse_442.038 und Übergangsmöglichkeiten darstellen.
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da auch auf die innere Bereitschaft des Lesers an, ob er sich pse_442.019
belehren lassen will, oder ob auch er innerlich vom Erlebten pse_442.020
zutiefst ergriffen wird. Auch in der Spruchdichtung sind pse_442.021
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zwar strenge Dichterrichtungen, wie es vor allem die Klassiker pse_442.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/458>, abgerufen am 22.11.2024.
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