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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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er wirklich als großepische Form ein Weltbild geben will, pse_552.002
immer größere Anforderungen. Der moderne Roman versucht pse_552.003
daher vielfach neue Wege. Man schreitet zu einer Art pse_552.004
Abkürzungsverfahren, indem man gewisse Züge und Verhältnisse pse_552.005
der Welt nur mehr in einfachen Zeichen andeutet. pse_552.006
Man spricht von Chiffren, sollte aber den Ausdruck Symbol pse_552.007
dafür vermeiden, denn ein Symbol ist eben mehr als ein abkürzendes pse_552.008
Zeichen. Der gleiche Weg führt auch zu weitgehender pse_552.009
Auflösung des Konkreten und damit zur Abstraktheit, zur pse_552.010
willkürlichen Kombination. Hier liegen die Bereiche des pse_552.011
Surrealismus. Es sind Versuche, schnell, gleichsam im Sprunge pse_552.012
über die nun einmal notwendige Wirklichkeitsverbundenheit pse_552.013
in wesenhafte Bereiche hinüberzukommen. Das Wesenhafte pse_552.014
verliert aber so seine Tiefe und Bedeutsamkeit, seine Kraft, die pse_552.015
Welt zu beleuchten, es verkrampft sich in Zeichen, Andeutungen, pse_552.016
Rätselhaftigkeiten. Auch auf diesem Wege nähert pse_552.017
man sich dem Grotesken, durch das mannigfache Ineinander pse_552.018
von Chiffren aber auch dem Modellmäßigen. Daraus erwächst pse_552.019
der Parabelcharakter moderner Romane, wie man ihn besonders pse_552.020
bei Kafka sehen will. Damit entsteht eine Art Zusammenarbeit pse_552.021
von Kunst und Wissenschaft in der Weltdarstellung pse_552.022
und -deutung. Immer wieder erkennt man, wie gerade der pse_552.023
Roman durch die ihm zugewiesene Aufgabe ständig an pse_552.024
Grenzen dichterischen Gestaltens und damit in dauernde Gefahrenzonen pse_552.025
für die Kunst gerät. In solchen Bereichen ist der pse_552.026
Versuch zu Hause. Aber nicht jeder darf schon als Kunst angesprochen pse_552.027
werden, wenn auch große, echte Dichtungen daraus pse_552.028
hervorwachsen können. Auch an den Sprachstil stellt die neue pse_552.029
Situation erhöhte Ansprüche. Vielseitigkeit, Verflochtenheit pse_552.030
und Fülle der gestalteten Welt sollen auch sprachlich lebendig pse_552.031
werden. Man greift ungestört zu überlieferten Formen, allerdings pse_552.032
vielfach in parodistischem Geist, um zugleich die Veraltetheit pse_552.033
anzudeuten und, wie wir es selbst so herrlich weit pse_552.034
gebracht haben. Vor allem aber spielt die Aktualisierung der pse_552.035
Wortgehalte gerade da eine Rolle: man will die Worte aus pse_552.036
der Verblaßtheit des Alltagsverkehrs herausreißen und mit pse_552.037
ihnen wieder Tieferes andeuten. Durch die möglichen Erfassungsweisen, pse_552.038
die Worte in verschiedenen Zusammenhängen

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er wirklich als großepische Form ein Weltbild geben will, pse_552.002
immer größere Anforderungen. Der moderne Roman versucht pse_552.003
daher vielfach neue Wege. Man schreitet zu einer Art pse_552.004
Abkürzungsverfahren, indem man gewisse Züge und Verhältnisse pse_552.005
der Welt nur mehr in einfachen Zeichen andeutet. pse_552.006
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Zeichen. Der gleiche Weg führt auch zu weitgehender pse_552.009
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Surrealismus. Es sind Versuche, schnell, gleichsam im Sprunge pse_552.012
über die nun einmal notwendige Wirklichkeitsverbundenheit pse_552.013
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Grenzen dichterischen Gestaltens und damit in dauernde Gefahrenzonen pse_552.025
für die Kunst gerät. In solchen Bereichen ist der pse_552.026
Versuch zu Hause. Aber nicht jeder darf schon als Kunst angesprochen pse_552.027
werden, wenn auch große, echte Dichtungen daraus pse_552.028
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Situation erhöhte Ansprüche. Vielseitigkeit, Verflochtenheit pse_552.030
und Fülle der gestalteten Welt sollen auch sprachlich lebendig pse_552.031
werden. Man greift ungestört zu überlieferten Formen, allerdings pse_552.032
vielfach in parodistischem Geist, um zugleich die Veraltetheit pse_552.033
anzudeuten und, wie wir es selbst so herrlich weit pse_552.034
gebracht haben. Vor allem aber spielt die Aktualisierung der pse_552.035
Wortgehalte gerade da eine Rolle: man will die Worte aus pse_552.036
der Verblaßtheit des Alltagsverkehrs herausreißen und mit pse_552.037
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/568>, abgerufen am 22.11.2024.