pse_553.001 haben können, entsteht eine gewisse Vieldeutigkeit. pse_553.002 Diese nützt der moderne Dichter wieder aus, um Fülle, pse_553.003 Bezugsreichtum und Gespanntheit lebendig zu machen. Man pse_553.004 will so viel als möglich zugleich sagen. Joyce ist in diesen Versuchen, pse_553.005 besonders durch wortbildnerische Möglichkeiten, besonders pse_553.006 kühn. Solchem Experimentieren liegt die grundlegende pse_553.007 geistige Haltung der Ironie besonders nahe: als Sicherung pse_553.008 gegenüber dem Leser und, um sich auf alle Fälle die pse_553.009 geistige Freiheit des Spiels mit solchen Versuchen zu wahren.
pse_553.010 Die Fülle der Möglichkeiten und Aufgaben, in der dichterischen pse_553.011 Kunst eine Welt aufzubauen, zeigt sich auch im Bau pse_553.012 der Romane. Wir haben schon in der Betrachtung der Ganzheit pse_553.013 und Einheit des dichterischen Werkes darauf hingewiesen. pse_553.014 Es gibt kaum eine Möglichkeit, die nicht schon versucht pse_553.015 worden ist. Und wieder ergeben sich hier verschiedene pse_553.016 Typen von Romanarchitektur. Vielfach wirken Aufbaumuster pse_553.017 lange nach. Das Schema, der Handlung eine Reise unterzulegen, pse_553.018 also die Form des Reiseromans, ist besonders wirksam pse_553.019 und zählebig: "Lehrjahre", "Wanderjahre", "Ofterdingen"; ja pse_553.020 noch im "Grünen Heinrich" und im "Zauberberg" scheint es pse_553.021 durch. Auch das Motiv der geheimen Gesellschaften ist langlebig pse_553.022 und kompositorisch wichtig. Es seien im folgenden pse_553.023 einige Typen von Romanaufbau herausgehoben.
pse_553.024 Man kann fragen, von welchem Ausgangspunkt der Romanvorgang pse_553.025 ausgeht. Er kann aus einem Einzelmenschen, seiner pse_553.026 Art und seinem Schicksal hervorgehen. Die Erzählweise ist pse_553.027 stark persönlich gefaßt, die Geschehnisse sind als Erlebnisse pse_553.028 eines Einzelmenschen gestaltet, alles Räumliche, Geschichtliche pse_553.029 und Dämonische zentriert sich um einzelne Menschen. pse_553.030 Der Bau eines solchen Romans zeigt eine starke Engführung. pse_553.031 Man kann aber auch vom Weltganzen ausgehen. Die Harmonie pse_553.032 oder Gespanntheit der Welt, die Fülle des Kosmos, die pse_553.033 Verflochtenheit der Vorgänge und Schicksale: das ist der pse_553.034 Baugrundsatz. Überpersönliche Mächte wie Liebe, Zorn, pse_553.035 Leidenschaft bestimmen die Anlage. Der große Barockroman, pse_553.036 aber auch romantische Romane oder Tolstojs "Krieg und pse_553.037 Frieden" sind so angelegt.
pse_553.038 Andere Typen ergeben sich, wenn wir fragen, wie der
pse_553.001 haben können, entsteht eine gewisse Vieldeutigkeit. pse_553.002 Diese nützt der moderne Dichter wieder aus, um Fülle, pse_553.003 Bezugsreichtum und Gespanntheit lebendig zu machen. Man pse_553.004 will so viel als möglich zugleich sagen. Joyce ist in diesen Versuchen, pse_553.005 besonders durch wortbildnerische Möglichkeiten, besonders pse_553.006 kühn. Solchem Experimentieren liegt die grundlegende pse_553.007 geistige Haltung der Ironie besonders nahe: als Sicherung pse_553.008 gegenüber dem Leser und, um sich auf alle Fälle die pse_553.009 geistige Freiheit des Spiels mit solchen Versuchen zu wahren.
pse_553.010 Die Fülle der Möglichkeiten und Aufgaben, in der dichterischen pse_553.011 Kunst eine Welt aufzubauen, zeigt sich auch im Bau pse_553.012 der Romane. Wir haben schon in der Betrachtung der Ganzheit pse_553.013 und Einheit des dichterischen Werkes darauf hingewiesen. pse_553.014 Es gibt kaum eine Möglichkeit, die nicht schon versucht pse_553.015 worden ist. Und wieder ergeben sich hier verschiedene pse_553.016 Typen von Romanarchitektur. Vielfach wirken Aufbaumuster pse_553.017 lange nach. Das Schema, der Handlung eine Reise unterzulegen, pse_553.018 also die Form des Reiseromans, ist besonders wirksam pse_553.019 und zählebig: »Lehrjahre«, »Wanderjahre«, »Ofterdingen«; ja pse_553.020 noch im »Grünen Heinrich« und im »Zauberberg« scheint es pse_553.021 durch. Auch das Motiv der geheimen Gesellschaften ist langlebig pse_553.022 und kompositorisch wichtig. Es seien im folgenden pse_553.023 einige Typen von Romanaufbau herausgehoben.
pse_553.024 Man kann fragen, von welchem Ausgangspunkt der Romanvorgang pse_553.025 ausgeht. Er kann aus einem Einzelmenschen, seiner pse_553.026 Art und seinem Schicksal hervorgehen. Die Erzählweise ist pse_553.027 stark persönlich gefaßt, die Geschehnisse sind als Erlebnisse pse_553.028 eines Einzelmenschen gestaltet, alles Räumliche, Geschichtliche pse_553.029 und Dämonische zentriert sich um einzelne Menschen. pse_553.030 Der Bau eines solchen Romans zeigt eine starke Engführung. pse_553.031 Man kann aber auch vom Weltganzen ausgehen. Die Harmonie pse_553.032 oder Gespanntheit der Welt, die Fülle des Kosmos, die pse_553.033 Verflochtenheit der Vorgänge und Schicksale: das ist der pse_553.034 Baugrundsatz. Überpersönliche Mächte wie Liebe, Zorn, pse_553.035 Leidenschaft bestimmen die Anlage. Der große Barockroman, pse_553.036 aber auch romantische Romane oder Tolstojs »Krieg und pse_553.037 Frieden« sind so angelegt.
pse_553.038 Andere Typen ergeben sich, wenn wir fragen, wie der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0569"n="553"/><lbn="pse_553.001"/>
haben können, entsteht eine gewisse Vieldeutigkeit. <lbn="pse_553.002"/>
Diese nützt der moderne Dichter wieder aus, um Fülle, <lbn="pse_553.003"/>
Bezugsreichtum und Gespanntheit lebendig zu machen. Man <lbn="pse_553.004"/>
will so viel als möglich zugleich sagen. Joyce ist in diesen Versuchen, <lbn="pse_553.005"/>
besonders durch wortbildnerische Möglichkeiten, besonders <lbn="pse_553.006"/>
kühn. Solchem Experimentieren liegt die grundlegende <lbn="pse_553.007"/>
geistige Haltung der Ironie besonders nahe: als Sicherung <lbn="pse_553.008"/>
gegenüber dem Leser und, um sich auf alle Fälle die <lbn="pse_553.009"/>
geistige Freiheit des Spiels mit solchen Versuchen zu wahren.</p><p><lbn="pse_553.010"/>
Die Fülle der Möglichkeiten und Aufgaben, in der dichterischen <lbn="pse_553.011"/>
Kunst eine Welt aufzubauen, zeigt sich auch im Bau <lbn="pse_553.012"/>
der Romane. Wir haben schon in der Betrachtung der Ganzheit <lbn="pse_553.013"/>
und Einheit des dichterischen Werkes darauf hingewiesen. <lbn="pse_553.014"/>
Es gibt kaum eine Möglichkeit, die nicht schon versucht <lbn="pse_553.015"/>
worden ist. Und wieder ergeben sich hier verschiedene <lbn="pse_553.016"/>
Typen von Romanarchitektur. Vielfach wirken Aufbaumuster <lbn="pse_553.017"/>
lange nach. Das Schema, der Handlung eine Reise unterzulegen, <lbn="pse_553.018"/>
also die Form des Reiseromans, ist besonders wirksam <lbn="pse_553.019"/>
und zählebig: »Lehrjahre«, »Wanderjahre«, »Ofterdingen«; ja <lbn="pse_553.020"/>
noch im »Grünen Heinrich« und im »Zauberberg« scheint es <lbn="pse_553.021"/>
durch. Auch das Motiv der geheimen Gesellschaften ist langlebig <lbn="pse_553.022"/>
und kompositorisch wichtig. Es seien im folgenden <lbn="pse_553.023"/>
einige Typen von Romanaufbau herausgehoben.</p><p><lbn="pse_553.024"/>
Man kann fragen, von welchem Ausgangspunkt der Romanvorgang <lbn="pse_553.025"/>
ausgeht. Er kann aus einem Einzelmenschen, seiner <lbn="pse_553.026"/>
Art und seinem Schicksal hervorgehen. Die Erzählweise ist <lbn="pse_553.027"/>
stark persönlich gefaßt, die Geschehnisse sind als Erlebnisse <lbn="pse_553.028"/>
eines Einzelmenschen gestaltet, alles Räumliche, Geschichtliche <lbn="pse_553.029"/>
und Dämonische zentriert sich um einzelne Menschen. <lbn="pse_553.030"/>
Der Bau eines solchen Romans zeigt eine starke Engführung. <lbn="pse_553.031"/>
Man kann aber auch vom Weltganzen ausgehen. Die Harmonie <lbn="pse_553.032"/>
oder Gespanntheit der Welt, die Fülle des Kosmos, die <lbn="pse_553.033"/>
Verflochtenheit der Vorgänge und Schicksale: das ist der <lbn="pse_553.034"/>
Baugrundsatz. Überpersönliche Mächte wie Liebe, Zorn, <lbn="pse_553.035"/>
Leidenschaft bestimmen die Anlage. Der große Barockroman, <lbn="pse_553.036"/>
aber auch romantische Romane oder Tolstojs »Krieg und <lbn="pse_553.037"/>
Frieden« sind so angelegt.</p><p><lbn="pse_553.038"/>
Andere Typen ergeben sich, wenn wir fragen, wie der
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[553/0569]
pse_553.001
haben können, entsteht eine gewisse Vieldeutigkeit. pse_553.002
Diese nützt der moderne Dichter wieder aus, um Fülle, pse_553.003
Bezugsreichtum und Gespanntheit lebendig zu machen. Man pse_553.004
will so viel als möglich zugleich sagen. Joyce ist in diesen Versuchen, pse_553.005
besonders durch wortbildnerische Möglichkeiten, besonders pse_553.006
kühn. Solchem Experimentieren liegt die grundlegende pse_553.007
geistige Haltung der Ironie besonders nahe: als Sicherung pse_553.008
gegenüber dem Leser und, um sich auf alle Fälle die pse_553.009
geistige Freiheit des Spiels mit solchen Versuchen zu wahren.
pse_553.010
Die Fülle der Möglichkeiten und Aufgaben, in der dichterischen pse_553.011
Kunst eine Welt aufzubauen, zeigt sich auch im Bau pse_553.012
der Romane. Wir haben schon in der Betrachtung der Ganzheit pse_553.013
und Einheit des dichterischen Werkes darauf hingewiesen. pse_553.014
Es gibt kaum eine Möglichkeit, die nicht schon versucht pse_553.015
worden ist. Und wieder ergeben sich hier verschiedene pse_553.016
Typen von Romanarchitektur. Vielfach wirken Aufbaumuster pse_553.017
lange nach. Das Schema, der Handlung eine Reise unterzulegen, pse_553.018
also die Form des Reiseromans, ist besonders wirksam pse_553.019
und zählebig: »Lehrjahre«, »Wanderjahre«, »Ofterdingen«; ja pse_553.020
noch im »Grünen Heinrich« und im »Zauberberg« scheint es pse_553.021
durch. Auch das Motiv der geheimen Gesellschaften ist langlebig pse_553.022
und kompositorisch wichtig. Es seien im folgenden pse_553.023
einige Typen von Romanaufbau herausgehoben.
pse_553.024
Man kann fragen, von welchem Ausgangspunkt der Romanvorgang pse_553.025
ausgeht. Er kann aus einem Einzelmenschen, seiner pse_553.026
Art und seinem Schicksal hervorgehen. Die Erzählweise ist pse_553.027
stark persönlich gefaßt, die Geschehnisse sind als Erlebnisse pse_553.028
eines Einzelmenschen gestaltet, alles Räumliche, Geschichtliche pse_553.029
und Dämonische zentriert sich um einzelne Menschen. pse_553.030
Der Bau eines solchen Romans zeigt eine starke Engführung. pse_553.031
Man kann aber auch vom Weltganzen ausgehen. Die Harmonie pse_553.032
oder Gespanntheit der Welt, die Fülle des Kosmos, die pse_553.033
Verflochtenheit der Vorgänge und Schicksale: das ist der pse_553.034
Baugrundsatz. Überpersönliche Mächte wie Liebe, Zorn, pse_553.035
Leidenschaft bestimmen die Anlage. Der große Barockroman, pse_553.036
aber auch romantische Romane oder Tolstojs »Krieg und pse_553.037
Frieden« sind so angelegt.
pse_553.038
Andere Typen ergeben sich, wenn wir fragen, wie der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/569>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.