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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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solchen Einsatzes der Dichtung in der Bildungsarbeit. Eine pse_671.002
der größten Gefahren ist eben die methodische Überfeinerung pse_671.003
oder Rationalisierung. Sie kann -- muß es nicht in der pse_671.004
Hand eines weisen und ergriffenen Lehrers -- geradezu zur pse_671.005
Entfernung der jungen Menschen von den Werten der Dichtung pse_671.006
für immer führen. Wie vielen Jugendlichen ist Schiller in pse_671.007
der Schule verekelt worden! Sicher wird man auch nie alle pse_671.008
Schüler der Dichtung innerlich öffnen können. Aber wenn es pse_671.009
auch nur einige sind, die dann später der Dichtung treu bleiben, pse_671.010
denen sie immer schönste und ergreifendste Welterhellung pse_671.011
bleibt, ist die Mühe nicht verloren und die Bemühung, pse_671.012
die Jugend der Dichtung zu erschließen, gerechtfertigt.

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Die Dichtung im öffentlichen Leben

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Wir wollen uns hier ganz kurz bewußt werden, wie stark pse_671.015
Dichtung oder was sich so nennt, ins öffentliche Leben im pse_671.016
weitesten Sinn verflochten ist. Das beginnt schon bei der pse_671.017
Vorliebe für Reimereien und Gereimtes in allen möglichen pse_671.018
Lagen: Wirtshausschilder, Wandschmucktafeln, Polsterkissen, pse_671.019
schon ein wenig höher stehend die in den Alpenländern pse_671.020
üblichen Marterln, von denen angeregt Karl Schönherr seine pse_671.021
knappe und derb-kräftige Spruchdichtung der Bergsteigermarterln pse_671.022
geschaffen hat. Auch die Reklame macht sich die pse_671.023
Vorteile des Rhythmus und des Reims zunutze. Denn diese pse_671.024
Vorliebe für Metrisches und Gereimtes hängt vor allem mit pse_671.025
der Hilfe zusammen, die solche Sprachgebilde dem Gedächtnis pse_671.026
bieten. Zugleich aber macht die feste Prägung immer einen pse_671.027
starken Eindruck, es ist auch dem gewöhnlichen Menschen pse_671.028
dann so, als ob in dieser Sprachprägung das Auszusagende in pse_671.029
eine dauerhafte Form gefaßt und auf das Wesentliche ausgerichtet pse_671.030
wäre, also Verwesentlichung schon in diesen untersten pse_671.031
Bereichen.

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Eine Stufe höher steht die Gelegenheitsdichtung im engeren pse_671.033
Sinn: zu allen möglichen Feiern, wie wir gleich sehen pse_671.034
werden, aber auch in die Alben und Merkbücher für Freunde pse_671.035
und Freundinnen. Große Dichter haben unter solchen Umständen

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solchen Einsatzes der Dichtung in der Bildungsarbeit. Eine pse_671.002
der größten Gefahren ist eben die methodische Überfeinerung pse_671.003
oder Rationalisierung. Sie kann — muß es nicht in der pse_671.004
Hand eines weisen und ergriffenen Lehrers — geradezu zur pse_671.005
Entfernung der jungen Menschen von den Werten der Dichtung pse_671.006
für immer führen. Wie vielen Jugendlichen ist Schiller in pse_671.007
der Schule verekelt worden! Sicher wird man auch nie alle pse_671.008
Schüler der Dichtung innerlich öffnen können. Aber wenn es pse_671.009
auch nur einige sind, die dann später der Dichtung treu bleiben, pse_671.010
denen sie immer schönste und ergreifendste Welterhellung pse_671.011
bleibt, ist die Mühe nicht verloren und die Bemühung, pse_671.012
die Jugend der Dichtung zu erschließen, gerechtfertigt.

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Die Dichtung im öffentlichen Leben

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Wir wollen uns hier ganz kurz bewußt werden, wie stark pse_671.015
Dichtung oder was sich so nennt, ins öffentliche Leben im pse_671.016
weitesten Sinn verflochten ist. Das beginnt schon bei der pse_671.017
Vorliebe für Reimereien und Gereimtes in allen möglichen pse_671.018
Lagen: Wirtshausschilder, Wandschmucktafeln, Polsterkissen, pse_671.019
schon ein wenig höher stehend die in den Alpenländern pse_671.020
üblichen Marterln, von denen angeregt Karl Schönherr seine pse_671.021
knappe und derb-kräftige Spruchdichtung der Bergsteigermarterln pse_671.022
geschaffen hat. Auch die Reklame macht sich die pse_671.023
Vorteile des Rhythmus und des Reims zunutze. Denn diese pse_671.024
Vorliebe für Metrisches und Gereimtes hängt vor allem mit pse_671.025
der Hilfe zusammen, die solche Sprachgebilde dem Gedächtnis pse_671.026
bieten. Zugleich aber macht die feste Prägung immer einen pse_671.027
starken Eindruck, es ist auch dem gewöhnlichen Menschen pse_671.028
dann so, als ob in dieser Sprachprägung das Auszusagende in pse_671.029
eine dauerhafte Form gefaßt und auf das Wesentliche ausgerichtet pse_671.030
wäre, also Verwesentlichung schon in diesen untersten pse_671.031
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Eine Stufe höher steht die Gelegenheitsdichtung im engeren pse_671.033
Sinn: zu allen möglichen Feiern, wie wir gleich sehen pse_671.034
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/687>, abgerufen am 24.11.2024.