im November auf 11 und im December auf 8 Todte. Aus dieser, trotz den Chlorwaschungen gesteigerten Sterblichkeit zogen wir nicht den Schluss, dass die Chlorwaschungen erfolg- los seien, sondern die gesteigerte Sterblichkeit erregte in uns den Verdacht, dass vielleicht trotz den Chlorwaschungen den Individuen zersetzte Stoffe eingebracht werden, und eine des- halb angestellte Untersuchung zeigte, dass einige Schüler die Chlorwaschungen vernachlässigten, wir erkannten, dass wir nach der Untersuchung einer mit Krebs der Gebärmutter be- hafteten Kreissenden die Hände nicht in Chlorkalk wuschen, so wie wir das Individuum mit dem cariösen Knie nicht von den übrigen sonderten, was ja dem Leser schon bekannte Dinge sind, wir haben die Chlorwaschungen deshalb nicht nur auf- gegeben, im Gegentheil, wir haben selbe noch strenger geübt, und haben dadurch im Jahre 1848 das glückliche Resultat er- zielt, dass wir während 7 Monaten nicht eine Wöchnerin von 100 verloren, und wir wären vielleicht im Jahre 1849 und 1850 noch glücklicher gewesen, wenn man uns nicht trotz unseren Bitten die Gelegenheit entzogen hätte, auch während dieser zwei Jahre die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik zu leiten.
Auf die Erfahrungen, die ich in Pest gemacht, und auf die Erfahrungen Anderer, die anzuführen ich schon Gelegen- heit hatte, wollen wir hier nur hindeuten.
Scanzoni hat daher stark gefehlt, dass er nach nicht ganz sechsmonatlichem unglücklichen Experimentiren den voreiligen Schluss zog, den Chlorwaschungen komme kein so grosser Einfluss zu, und die Häufigkeit der Erkrankungen sei nicht bedingt durch die bei der Untersuchung stattfindende Leichen- infection.
Der Leser liest ja eben die gewichtigen Gründe, welche Scanzoni gegen mich anführt, er hat gewiss diese gewichtigen Gründe seinen Schülern nicht verheimlicht, und bei dem Um- stande hätte Scanzoni auf den Gedanken kommen können, nachdem es ihm nicht gelungen ist, die Sterblichkeit so plötz-
im November auf 11 und im December auf 8 Todte. Aus dieser, trotz den Chlorwaschungen gesteigerten Sterblichkeit zogen wir nicht den Schluss, dass die Chlorwaschungen erfolg- los seien, sondern die gesteigerte Sterblichkeit erregte in uns den Verdacht, dass vielleicht trotz den Chlorwaschungen den Individuen zersetzte Stoffe eingebracht werden, und eine des- halb angestellte Untersuchung zeigte, dass einige Schüler die Chlorwaschungen vernachlässigten, wir erkannten, dass wir nach der Untersuchung einer mit Krebs der Gebärmutter be- hafteten Kreissenden die Hände nicht in Chlorkalk wuschen, so wie wir das Individuum mit dem cariösen Knie nicht von den übrigen sonderten, was ja dem Leser schon bekannte Dinge sind, wir haben die Chlorwaschungen deshalb nicht nur auf- gegeben, im Gegentheil, wir haben selbe noch strenger geübt, und haben dadurch im Jahre 1848 das glückliche Resultat er- zielt, dass wir während 7 Monaten nicht eine Wöchnerin von 100 verloren, und wir wären vielleicht im Jahre 1849 und 1850 noch glücklicher gewesen, wenn man uns nicht trotz unseren Bitten die Gelegenheit entzogen hätte, auch während dieser zwei Jahre die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik zu leiten.
Auf die Erfahrungen, die ich in Pest gemacht, und auf die Erfahrungen Anderer, die anzuführen ich schon Gelegen- heit hatte, wollen wir hier nur hindeuten.
Scanzoni hat daher stark gefehlt, dass er nach nicht ganz sechsmonatlichem unglücklichen Experimentiren den voreiligen Schluss zog, den Chlorwaschungen komme kein so grosser Einfluss zu, und die Häufigkeit der Erkrankungen sei nicht bedingt durch die bei der Untersuchung stattfindende Leichen- infection.
Der Leser liest ja eben die gewichtigen Gründe, welche Scanzoni gegen mich anführt, er hat gewiss diese gewichtigen Gründe seinen Schülern nicht verheimlicht, und bei dem Um- stande hätte Scanzoni auf den Gedanken kommen können, nachdem es ihm nicht gelungen ist, die Sterblichkeit so plötz-
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im November auf 11 und im December auf 8 Todte. Aus
dieser, trotz den Chlorwaschungen gesteigerten Sterblichkeit
zogen wir nicht den Schluss, dass die Chlorwaschungen erfolg-
los seien, sondern die gesteigerte Sterblichkeit erregte in uns
den Verdacht, dass vielleicht trotz den Chlorwaschungen den
Individuen zersetzte Stoffe eingebracht werden, und eine des-
halb angestellte Untersuchung zeigte, dass einige Schüler die
Chlorwaschungen vernachlässigten, wir erkannten, dass wir
nach der Untersuchung einer mit Krebs der Gebärmutter be-
hafteten Kreissenden die Hände nicht in Chlorkalk wuschen,
so wie wir das Individuum mit dem cariösen Knie nicht von
den übrigen sonderten, was ja dem Leser schon bekannte Dinge
sind, wir haben die Chlorwaschungen deshalb nicht nur auf-
gegeben, im Gegentheil, wir haben selbe noch strenger geübt,
und haben dadurch im Jahre 1848 das glückliche Resultat er-
zielt, dass wir während 7 Monaten nicht eine Wöchnerin von
100 verloren, und wir wären vielleicht im Jahre 1849 und 1850
noch glücklicher gewesen, wenn man uns nicht trotz unseren
Bitten die Gelegenheit entzogen hätte, auch während dieser
zwei Jahre die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik zu
leiten.
Auf die Erfahrungen, die ich in Pest gemacht, und auf
die Erfahrungen Anderer, die anzuführen ich schon Gelegen-
heit hatte, wollen wir hier nur hindeuten.
Scanzoni hat daher stark gefehlt, dass er nach nicht ganz
sechsmonatlichem unglücklichen Experimentiren den voreiligen
Schluss zog, den Chlorwaschungen komme kein so grosser
Einfluss zu, und die Häufigkeit der Erkrankungen sei nicht
bedingt durch die bei der Untersuchung stattfindende Leichen-
infection.
Der Leser liest ja eben die gewichtigen Gründe, welche
Scanzoni gegen mich anführt, er hat gewiss diese gewichtigen
Gründe seinen Schülern nicht verheimlicht, und bei dem Um-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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