unreinigen wie die Schüler Dubois', und daher die gleich grosse Sterblichkeit.
Um zu zeigen, dass Gebärhäuser, welche keine Unter- richtsanstalten sind, auch eine grosse Sterblichkeit haben, führt Carl Braun das Hospital Beaujou in Paris an, in wel- chem 16 % Wöchnerinnen starben, ungeachtet Niemanden Un- terricht ertheilt wird. Es werden hier aber auch alle von der Geburt Ueberraschten aufgenommen.
Der Leser weiss, dass das St. Rochus-Gebärhaus zu Pest auch keine Unterrichtsanstalt ist, und dass es dennoch eine grosse Sterblichkeit hatte, weil der Primar-Geburtsarzt gleichzeitig chirurgischer Primarius und Gerichtsanatom war.
Da ich in der Literatur nirgends einen näheren Auf- schluss über die Verhältnisse dieser Anstalt finden konnte, so wendete ich mich brieflich in dieser Angelegenheit an Profes- sor Dietl in Krakau, und erhielt folgende Antwort: "Mei- nes Wissens besitzt Beaujou in Paris durchaus keine geburts- hilfliche Abtheilung. Vermöge einer humanen Bestimmung besteht dort nur der Usus, dass erkrankte Säugende selbst mit ihren Säuglingen aufgenommen werden, wenn sie diesel- ben mit ins Spital nehmen wollen, um eben hiedurch eine eventuelle Exclusion solcher Kranken zu verhüten. Sie be- sitzen abgesonderte kleine Säle zu 4 bis 6 Betten, und sind von anderen Kranken ganz abgesondert, um diese durch die Kinder nicht zu beunruhigen.
So viel ich mich zu erinnern weiss, ist es ein Medicus der Abtheilung, dem zugleich diese kleine Abtheilung solcher Krankenmütter zugewiesen ist."
Obwohl Carl Braun 30 Ursachen des Kindbettfiebers aufzählt, hat er doch die 31. vergessen, denn dass das Ueber- raschtwerden von der Geburt auch ein aetiologisches Moment des Kindbettfiebers sei, hat er vergessen in seiner Aetiologie zu erwähnen. Wir glauben freilich in Erinnerung der Gas- sengeburten zu Wien, dass das Ueberraschtwerden von der Ge- burt gegen Puerperalfieber Schutz gewährt. Den günstige-
unreinigen wie die Schüler Dubois’, und daher die gleich grosse Sterblichkeit.
Um zu zeigen, dass Gebärhäuser, welche keine Unter- richtsanstalten sind, auch eine grosse Sterblichkeit haben, führt Carl Braun das Hospital Beaujou in Paris an, in wel- chem 16 % Wöchnerinnen starben, ungeachtet Niemanden Un- terricht ertheilt wird. Es werden hier aber auch alle von der Geburt Ueberraschten aufgenommen.
Der Leser weiss, dass das St. Rochus-Gebärhaus zu Pest auch keine Unterrichtsanstalt ist, und dass es dennoch eine grosse Sterblichkeit hatte, weil der Primar-Geburtsarzt gleichzeitig chirurgischer Primarius und Gerichtsanatom war.
Da ich in der Literatur nirgends einen näheren Auf- schluss über die Verhältnisse dieser Anstalt finden konnte, so wendete ich mich brieflich in dieser Angelegenheit an Profes- sor Dietl in Krakau, und erhielt folgende Antwort: »Mei- nes Wissens besitzt Beaujou in Paris durchaus keine geburts- hilfliche Abtheilung. Vermöge einer humanen Bestimmung besteht dort nur der Usus, dass erkrankte Säugende selbst mit ihren Säuglingen aufgenommen werden, wenn sie diesel- ben mit ins Spital nehmen wollen, um eben hiedurch eine eventuelle Exclusion solcher Kranken zu verhüten. Sie be- sitzen abgesonderte kleine Säle zu 4 bis 6 Betten, und sind von anderen Kranken ganz abgesondert, um diese durch die Kinder nicht zu beunruhigen.
So viel ich mich zu erinnern weiss, ist es ein Medicus der Abtheilung, dem zugleich diese kleine Abtheilung solcher Krankenmütter zugewiesen ist.«
Obwohl Carl Braun 30 Ursachen des Kindbettfiebers aufzählt, hat er doch die 31. vergessen, denn dass das Ueber- raschtwerden von der Geburt auch ein aetiologisches Moment des Kindbettfiebers sei, hat er vergessen in seiner Aetiologie zu erwähnen. Wir glauben freilich in Erinnerung der Gas- sengeburten zu Wien, dass das Ueberraschtwerden von der Ge- burt gegen Puerperalfieber Schutz gewährt. Den günstige-
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unreinigen wie die Schüler Dubois’, und daher die gleich grosse
Sterblichkeit.
Um zu zeigen, dass Gebärhäuser, welche keine Unter-
richtsanstalten sind, auch eine grosse Sterblichkeit haben,
führt Carl Braun das Hospital Beaujou in Paris an, in wel-
chem 16 % Wöchnerinnen starben, ungeachtet Niemanden Un-
terricht ertheilt wird. Es werden hier aber auch alle von der
Geburt Ueberraschten aufgenommen.
Der Leser weiss, dass das St. Rochus-Gebärhaus zu Pest
auch keine Unterrichtsanstalt ist, und dass es dennoch eine
grosse Sterblichkeit hatte, weil der Primar-Geburtsarzt
gleichzeitig chirurgischer Primarius und Gerichtsanatom war.
Da ich in der Literatur nirgends einen näheren Auf-
schluss über die Verhältnisse dieser Anstalt finden konnte, so
wendete ich mich brieflich in dieser Angelegenheit an Profes-
sor Dietl in Krakau, und erhielt folgende Antwort: »Mei-
nes Wissens besitzt Beaujou in Paris durchaus keine geburts-
hilfliche Abtheilung. Vermöge einer humanen Bestimmung
besteht dort nur der Usus, dass erkrankte Säugende selbst
mit ihren Säuglingen aufgenommen werden, wenn sie diesel-
ben mit ins Spital nehmen wollen, um eben hiedurch eine
eventuelle Exclusion solcher Kranken zu verhüten. Sie be-
sitzen abgesonderte kleine Säle zu 4 bis 6 Betten, und sind
von anderen Kranken ganz abgesondert, um diese durch die
Kinder nicht zu beunruhigen.
So viel ich mich zu erinnern weiss, ist es ein Medicus
der Abtheilung, dem zugleich diese kleine Abtheilung solcher
Krankenmütter zugewiesen ist.«
Obwohl Carl Braun 30 Ursachen des Kindbettfiebers
aufzählt, hat er doch die 31. vergessen, denn dass das Ueber-
raschtwerden von der Geburt auch ein aetiologisches Moment
des Kindbettfiebers sei, hat er vergessen in seiner Aetiologie
zu erwähnen. Wir glauben freilich in Erinnerung der Gas-
sengeburten zu Wien, dass das Ueberraschtwerden von der Ge-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/528>, abgerufen am 22.11.2024.
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