ren Gesundheitszustand der englischen Gebärhäuser im Ver- gleiche zu französischen und deutschen Gebärhäusern findet Carl Braun darin begründet, dass in englischen Gebärhäusern nur verheiratete Frauen aufgenommen werden, während in französischen und deutschen Gebärhäusern blos Ledige ent- binden. Worin der günstigere Gesundheitszustand der eng- lischen Gebärhäuser begründet sei, haben wir weitläufig nachgewiesen, vorläufig glauben wir nicht, dass unsere Pro- phylaxis des Kindbettfiebers desshalb mangelhaft sei, weil wir die Ehe nicht als Schutzmittel gegen Puerperalfieber em- pfohlen.
Wenn Carl Braun die scandinavischen Gebärhäuser an- führt, um zu zeigen, dass trotz des ausgedehntesten Gebrau- ches des Chlors dennoch Puerperalfieber-Epidemien ausbrechen konnten, so beweiset das nichts gegen meine Lehre, es be- weiset nur, dass es für die Gebärhäuser insolange kein Ziel geben wird, insolange die Intoleranz eines einzigen Schülers die trefflichsten Anordnungen erfolglos machen kann. Wir deuten wieder auf das von uns erbetene Gesetz.
Von Siebold's Klinik in Göttingen wird gesagt, dass sich in drei Jahren, 1850--1852, 349 Geburten ereigneten, davon starben 6, mithin 2,6 %. Bekanntlich wird hier eine grosse Anzahl von Studirenden unterrichtet. 349 Geburten auf 3 Jahre vertheilt, gibt jeden dritten Tag eine Geburt, es trifft sich in Göttingen wahrscheinlich, dass die grosse Anzahl von Studirenden an Tagen, wo selbe eine Geburt haben, keinen Cadaver haben, und ungekehrt. Kiwisch hat zwar von 102 Wöch- nerinnen 27 am Kindbettfieber verloren, aber Kiwisch's ge- burtshilfliche Klinik war in Verbindung mit einer gynaekolo- gischen Abtheilung. 6 Todte von 349 Wöchnerinnen gibt min- destens 4 verhütbare Infectionsfälle von aussen.
Vom Wiener Gebärhause gibt Carl Braun folgende Be- schreibung: "Das Gebärhaus liegt im grossen allgemeinen Krankenhause und zerfällt in 3 Abtheilungen: in die Klinik
ren Gesundheitszustand der englischen Gebärhäuser im Ver- gleiche zu französischen und deutschen Gebärhäusern findet Carl Braun darin begründet, dass in englischen Gebärhäusern nur verheiratete Frauen aufgenommen werden, während in französischen und deutschen Gebärhäusern blos Ledige ent- binden. Worin der günstigere Gesundheitszustand der eng- lischen Gebärhäuser begründet sei, haben wir weitläufig nachgewiesen, vorläufig glauben wir nicht, dass unsere Pro- phylaxis des Kindbettfiebers desshalb mangelhaft sei, weil wir die Ehe nicht als Schutzmittel gegen Puerperalfieber em- pfohlen.
Wenn Carl Braun die scandinavischen Gebärhäuser an- führt, um zu zeigen, dass trotz des ausgedehntesten Gebrau- ches des Chlors dennoch Puerperalfieber-Epidemien ausbrechen konnten, so beweiset das nichts gegen meine Lehre, es be- weiset nur, dass es für die Gebärhäuser insolange kein Ziel geben wird, insolange die Intoleranz eines einzigen Schülers die trefflichsten Anordnungen erfolglos machen kann. Wir deuten wieder auf das von uns erbetene Gesetz.
Von Siebold’s Klinik in Göttingen wird gesagt, dass sich in drei Jahren, 1850—1852, 349 Geburten ereigneten, davon starben 6, mithin 2,6 %. Bekanntlich wird hier eine grosse Anzahl von Studirenden unterrichtet. 349 Geburten auf 3 Jahre vertheilt, gibt jeden dritten Tag eine Geburt, es trifft sich in Göttingen wahrscheinlich, dass die grosse Anzahl von Studirenden an Tagen, wo selbe eine Geburt haben, keinen Cadaver haben, und ungekehrt. Kiwisch hat zwar von 102 Wöch- nerinnen 27 am Kindbettfieber verloren, aber Kiwisch’s ge- burtshilfliche Klinik war in Verbindung mit einer gynaekolo- gischen Abtheilung. 6 Todte von 349 Wöchnerinnen gibt min- destens 4 verhütbare Infectionsfälle von aussen.
Vom Wiener Gebärhause gibt Carl Braun folgende Be- schreibung: »Das Gebärhaus liegt im grossen allgemeinen Krankenhause und zerfällt in 3 Abtheilungen: in die Klinik
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ren Gesundheitszustand der englischen Gebärhäuser im Ver-
gleiche zu französischen und deutschen Gebärhäusern findet
Carl Braun darin begründet, dass in englischen Gebärhäusern
nur verheiratete Frauen aufgenommen werden, während in
französischen und deutschen Gebärhäusern blos Ledige ent-
binden. Worin der günstigere Gesundheitszustand der eng-
lischen Gebärhäuser begründet sei, haben wir weitläufig
nachgewiesen, vorläufig glauben wir nicht, dass unsere Pro-
phylaxis des Kindbettfiebers desshalb mangelhaft sei, weil wir
die Ehe nicht als Schutzmittel gegen Puerperalfieber em-
pfohlen.
Wenn Carl Braun die scandinavischen Gebärhäuser an-
führt, um zu zeigen, dass trotz des ausgedehntesten Gebrau-
ches des Chlors dennoch Puerperalfieber-Epidemien ausbrechen
konnten, so beweiset das nichts gegen meine Lehre, es be-
weiset nur, dass es für die Gebärhäuser insolange kein Ziel
geben wird, insolange die Intoleranz eines einzigen Schülers
die trefflichsten Anordnungen erfolglos machen kann. Wir
deuten wieder auf das von uns erbetene Gesetz.
Von Siebold’s Klinik in Göttingen wird gesagt, dass sich
in drei Jahren, 1850—1852, 349 Geburten ereigneten, davon
starben 6, mithin 2,6 %. Bekanntlich wird hier eine grosse
Anzahl von Studirenden unterrichtet. 349 Geburten auf 3
Jahre vertheilt, gibt jeden dritten Tag eine Geburt, es trifft
sich in Göttingen wahrscheinlich, dass die grosse Anzahl von
Studirenden an Tagen, wo selbe eine Geburt haben, keinen
Cadaver haben, und ungekehrt. Kiwisch hat zwar von 102 Wöch-
nerinnen 27 am Kindbettfieber verloren, aber Kiwisch’s ge-
burtshilfliche Klinik war in Verbindung mit einer gynaekolo-
gischen Abtheilung. 6 Todte von 349 Wöchnerinnen gibt min-
destens 4 verhütbare Infectionsfälle von aussen.
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/529>, abgerufen am 22.11.2024.
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