30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen- thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge- bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner den mächtigsten Einfluss.
Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen- den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er- geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be- rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss- ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro- cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca- litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs- canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die- selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.
Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un- genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan- der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der- selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind, und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung nicht als Foyer d'appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter- gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-
28. Cadaveröse Infection.
30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen- thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge- bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner den mächtigsten Einfluss.
Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen- den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er- geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be- rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss- ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro- cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca- litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs- canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die- selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.
Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un- genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan- der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der- selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind, und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung nicht als Foyer d’appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter- gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-
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28. Cadaveröse Infection.
30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen-
thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge-
bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner
den mächtigsten Einfluss.
Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen-
den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er-
geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be-
rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss-
ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem
Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro-
cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca-
litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie
Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs-
canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte
Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die-
selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.
Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un-
genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die
Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen
parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht
ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht
sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan-
der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden
unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer
an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der-
selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch
Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung
der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn
keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind,
und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung
nicht als Foyer d’appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn
die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter-
gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/545>, abgerufen am 22.11.2024.
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