den. Der Sergeant gestand mir gern Quartier zu, da ich der Wache für ihre Höflichkeit ein gutes Trink¬ geld geben wollte. Nun holte man Brot und Wein für mich. Kaum war dieses da, so kam eine fremde Patrouille, einige Meilen weit her, welche ihr Quar¬ tier auch in der Wachstube nahm. Nun sagte der Sergeant ganz höflich, es sey kein Platz mehr da. Das sah ich auch selbst ein. Er machte auch Dienst¬ schwierigkeiten, die ich als ein alter Kriegsknecht sehr bald begriff. Ich überliess Brot und Wein dem Ue¬ berbringer und verlangte, man solle mich auf die Hauptwache bringen lassen. Das geschah. Dort fand ich mehrere Offiziere. Ich erzählte dem Wachhaben¬ den meinen Fall und schloss mit der Meinung, dass ich doch Quartier haben müsse, und sollte es auch auf der Hauptwache seyn. Die Herren lärmten, fluch¬ ten und lachten und sagten, es gehe ihnen eben so; die Welschen schlugen die Deutschen todt nach Noten, wo sie konnten. Man schickte mich zum Platzmajor. Gut. Dieser foderte meinen Pass, fand ihn richtig, revidierte ihn, befahl, ich sollte mich den kommenden Morgen bey der Polizey melden, die ihn auch unter¬ schreiben müsse, und machte einige Knasterbemer¬ kungen über die Nothwendigkeit der guten Ordnung, an der ich gar nicht zweifelte. Das ist alles recht gut, sagte ich; aber ich kann kein Quartier finden. Ach das wird nicht fehlen, meinte er: aber es fehlt, meinte ich. Der alte Herr setzte sein Glas bedächtlich nie¬ der, sah seine Donna an, rieb sich die Augenbraunen und schickte den Gefreyten mit mir und meinem Tornister alla nave. Der Gefreyte wies mich ins
den. Der Sergeant gestand mir gern Quartier zu, da ich der Wache für ihre Höflichkeit ein gutes Trink¬ geld geben wollte. Nun holte man Brot und Wein für mich. Kaum war dieses da, so kam eine fremde Patrouille, einige Meilen weit her, welche ihr Quar¬ tier auch in der Wachstube nahm. Nun sagte der Sergeant ganz höflich, es sey kein Platz mehr da. Das sah ich auch selbst ein. Er machte auch Dienst¬ schwierigkeiten, die ich als ein alter Kriegsknecht sehr bald begriff. Ich überlieſs Brot und Wein dem Ue¬ berbringer und verlangte, man solle mich auf die Hauptwache bringen lassen. Das geschah. Dort fand ich mehrere Offiziere. Ich erzählte dem Wachhaben¬ den meinen Fall und schloſs mit der Meinung, daſs ich doch Quartier haben müsse, und sollte es auch auf der Hauptwache seyn. Die Herren lärmten, fluch¬ ten und lachten und sagten, es gehe ihnen eben so; die Welschen schlugen die Deutschen todt nach Noten, wo sie konnten. Man schickte mich zum Platzmajor. Gut. Dieser foderte meinen Paſs, fand ihn richtig, revidierte ihn, befahl, ich sollte mich den kommenden Morgen bey der Polizey melden‚ die ihn auch unter¬ schreiben müsse, und machte einige Knasterbemer¬ kungen über die Nothwendigkeit der guten Ordnung, an der ich gar nicht zweifelte. Das ist alles recht gut, sagte ich; aber ich kann kein Quartier finden. Ach das wird nicht fehlen, meinte er: aber es fehlt, meinte ich. Der alte Herr setzte sein Glas bedächtlich nie¬ der, sah seine Donna an, rieb sich die Augenbraunen und schickte den Gefreyten mit mir und meinem Tornister alla nave. Der Gefreyte wies mich ins
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den. Der Sergeant gestand mir gern Quartier zu, da
ich der Wache für ihre Höflichkeit ein gutes Trink¬
geld geben wollte. Nun holte man Brot und Wein
für mich. Kaum war dieses da, so kam eine fremde
Patrouille, einige Meilen weit her, welche ihr Quar¬
tier auch in der Wachstube nahm. Nun sagte der
Sergeant ganz höflich, es sey kein Platz mehr da. Das
sah ich auch selbst ein. Er machte auch Dienst¬
schwierigkeiten, die ich als ein alter Kriegsknecht sehr
bald begriff. Ich überlieſs Brot und Wein dem Ue¬
berbringer und verlangte, man solle mich auf die
Hauptwache bringen lassen. Das geschah. Dort fand
ich mehrere Offiziere. Ich erzählte dem Wachhaben¬
den meinen Fall und schloſs mit der Meinung, daſs
ich doch Quartier haben müsse, und sollte es auch
auf der Hauptwache seyn. Die Herren lärmten, fluch¬
ten und lachten und sagten, es gehe ihnen eben so;
die Welschen schlugen die Deutschen todt nach Noten,
wo sie konnten. Man schickte mich zum Platzmajor.
Gut. Dieser foderte meinen Paſs, fand ihn richtig,
revidierte ihn, befahl, ich sollte mich den kommenden
Morgen bey der Polizey melden‚ die ihn auch unter¬
schreiben müsse, und machte einige Knasterbemer¬
kungen über die Nothwendigkeit der guten Ordnung,
an der ich gar nicht zweifelte. Das ist alles recht gut,
sagte ich; aber ich kann kein Quartier finden. Ach
das wird nicht fehlen, meinte er: aber es fehlt, meinte
ich. Der alte Herr setzte sein Glas bedächtlich nie¬
der, sah seine Donna an, rieb sich die Augenbraunen
und schickte den Gefreyten mit mir und meinem
Tornister alla nave. Der Gefreyte wies mich ins
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/113>, abgerufen am 25.11.2024.
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