wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬ hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬ zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie. August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬ licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmässigung nur ei¬ nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬ jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich, dass die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬ dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des Tacitus sehr wahrscheinlich, dass man alles gethan hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo der aristokratisch römische Geist überhaupt und die Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit sehr grellen Farben gezeichnet seyn musste. Dieses waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬ lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬ mäss, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬ scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten. Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬ gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬ bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so
wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬ hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬ zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie. August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬ licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmäſsigung nur ei¬ nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬ jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich, daſs die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬ dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des Tacitus sehr wahrscheinlich, daſs man alles gethan hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo der aristokratisch römische Geist überhaupt und die Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit sehr grellen Farben gezeichnet seyn muſste. Dieses waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬ lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬ mäſs, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬ scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten. Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬ gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬ bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0134"n="108"/>
wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬<lb/>
hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬<lb/>
zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie.<lb/>
August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬<lb/>
licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte<lb/>
ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmäſsigung nur ei¬<lb/>
nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun<lb/>
Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬<lb/>
jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn<lb/>
sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der<lb/>
Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich,<lb/>
daſs die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die<lb/>
Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬<lb/>
dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des<lb/>
Tacitus sehr wahrscheinlich, daſs man alles gethan<lb/>
hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo<lb/>
der aristokratisch römische Geist überhaupt und die<lb/>
Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit<lb/>
sehr grellen Farben gezeichnet seyn muſste. Dieses<lb/>
waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der<lb/>
Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges<lb/>
Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe<lb/>
kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬<lb/>
lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬<lb/>
mäſs, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen<lb/>
von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬<lb/>
scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten.<lb/>
Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬<lb/>
gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als<lb/>
vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬<lb/>
bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so<lb/></p></div></body></text></TEI>
[108/0134]
wie alle seine Mitbürger, die es bey den letzten Unru¬
hen in Rom unter dem Triumvirat thätig genug ge¬
zeigt hatten; er war ein erklärter Feind der Despotie.
August selbst, dem die römische Schmeicheley schänd¬
licher Weise einen so schönen Namen gab, nannte
ihn mit einer sehr feinen Tyrannenmäſsigung nur ei¬
nen Pompejaner. Die Familie der Cäsarn war nun
Meister; man kennt die Folge der erbaulichen Sub¬
jekte derselben, die schon schlimm genug waren, wenn
sie auch nur halb so schlecht waren, als sie in der
Geschichte stehen. Du findest doch wohl begreiflich,
daſs die Cäsarn nicht absichtlich ein Werk, wie die
Geschichte des Livius war, zu Lichte werden geför¬
dert haben. Es wird mir sogar aus einigen Stellen des
Tacitus sehr wahrscheinlich, daſs man alles gethan
hat sie zu unterdrücken; wenigstens die Stellen, wo
der aristokratisch römische Geist überhaupt und die
Tyranney der Cäsarischen Familie insbesondere mit
sehr grellen Farben gezeichnet seyn muſste. Dieses
waren vorzüglich der Sklavenkrieg und das Ende der
Bürgerkriege. Es war überhaupt ein weitläufiges
Werk, und nicht jeder war im Stande sich dasselbe
kopieren zu lassen. Alle fanden es also wahrschein¬
lich genug ihrer Sicherheit und ihrem Interesse ge¬
mäſs, die Stellen nicht bey sich zu haben, die ihnen
von dem Argwohn und der Grausamkeit ihrer Herr¬
scher leicht die blutigste Ahndung zuziehen konnten.
Auf diese Weise ist das Schätzbarste von Livius im ei¬
gentlichen Sinne nicht sowohl verloren gegangen als
vernichtet worden: und als man anfing ihn ins Ara¬
bische zu übersetzen, war er vermuthlich schon so
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/134>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.