gab auf den wiederholten Ehrenantrag des Mannes den diktatorischen Bescheid: Jo sono pedone e non voglio andare a cavallo sul asino. Die Leute sahen mich an und der Eseltreiber mit, und lächelten über meinen Gang und meine Sprache; aber waren so gutartig und lachten nicht. Das waren urbane Menschenkinder; ich glaube fast, dass im gleichen Falle die Deutschen gelacht hätten.
In Tolentino gings gut, und ich liess mich über¬ reden von hier aus durch die Apenninen, denen man nichts gutes zutraut, ein Fuhrwerk zu nehmen, um nicht ganz allein zu seyn. Hier kommt der Chiente den Berg herunter und ist für Italien ein ganz hüb¬ scher Fluss, hat auch etwas besseres Wasser als die übrigen. Man geht nun einige Tagereisen zwischen den Bergen immer an dem Flusse hinauf, bis zu sei¬ nem Ursprunge bey Colfiorito, wo er aus einem See kommt, in welchem sich das Wasser rund umher aus den hohen Spitzen der Apenninen sammelt. Ich hatte einen Wagen gemiethet, aber der Wirth als Vermie¬ ther kam mit der Entschuldigung: es sey jetzt eben keiner zu finden; ich müsse zwey Stunden warten. Das war nun nicht erbaulich: Aergerniss hätte mich aber nur mehr aufgehalten; ich fasste also Geduld und liess mich mit meinem Tornister auf einen Maulesel schro¬ ten; mein Führer setzte sich, als wir zur Stadt hin¬ aus waren, auf die Kruppe, und so trabten wir italiä¬ nisch immer in den Schluchten hinauf. Diese wur¬ den bald ziemlich enge und wild, und hier und da aufgehangene Menschenknochen machten eben nicht die beste Idylle. Ich blieb auf einer Station, deren
gab auf den wiederholten Ehrenantrag des Mannes den diktatorischen Bescheid: Jo sono pedone e non voglio andare a cavallo sul asino. Die Leute sahen mich an und der Eseltreiber mit, und lächelten über meinen Gang und meine Sprache; aber waren so gutartig und lachten nicht. Das waren urbane Menschenkinder; ich glaube fast, daſs im gleichen Falle die Deutschen gelacht hätten.
In Tolentino gings gut, und ich lieſs mich über¬ reden von hier aus durch die Apenninen, denen man nichts gutes zutraut, ein Fuhrwerk zu nehmen, um nicht ganz allein zu seyn. Hier kommt der Chiente den Berg herunter und ist für Italien ein ganz hüb¬ scher Fluſs, hat auch etwas besseres Wasser als die übrigen. Man geht nun einige Tagereisen zwischen den Bergen immer an dem Flusse hinauf, bis zu sei¬ nem Ursprunge bey Colfiorito, wo er aus einem See kommt, in welchem sich das Wasser rund umher aus den hohen Spitzen der Apenninen sammelt. Ich hatte einen Wagen gemiethet, aber der Wirth als Vermie¬ ther kam mit der Entschuldigung: es sey jetzt eben keiner zu finden; ich müsse zwey Stunden warten. Das war nun nicht erbaulich: Aergerniſs hätte mich aber nur mehr aufgehalten; ich faſste also Geduld und lieſs mich mit meinem Tornister auf einen Maulesel schro¬ ten; mein Führer setzte sich, als wir zur Stadt hin¬ aus waren, auf die Kruppe, und so trabten wir italiä¬ nisch immer in den Schluchten hinauf. Diese wur¬ den bald ziemlich enge und wild, und hier und da aufgehangene Menschenknochen machten eben nicht die beste Idylle. Ich blieb auf einer Station, deren
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[140/0166]
gab auf den wiederholten Ehrenantrag des Mannes den
diktatorischen Bescheid: Jo sono pedone e non voglio
andare a cavallo sul asino. Die Leute sahen mich an
und der Eseltreiber mit, und lächelten über meinen
Gang und meine Sprache; aber waren so gutartig und
lachten nicht. Das waren urbane Menschenkinder;
ich glaube fast, daſs im gleichen Falle die Deutschen
gelacht hätten.
In Tolentino gings gut, und ich lieſs mich über¬
reden von hier aus durch die Apenninen, denen man
nichts gutes zutraut, ein Fuhrwerk zu nehmen, um
nicht ganz allein zu seyn. Hier kommt der Chiente
den Berg herunter und ist für Italien ein ganz hüb¬
scher Fluſs, hat auch etwas besseres Wasser als die
übrigen. Man geht nun einige Tagereisen zwischen
den Bergen immer an dem Flusse hinauf, bis zu sei¬
nem Ursprunge bey Colfiorito, wo er aus einem See
kommt, in welchem sich das Wasser rund umher aus
den hohen Spitzen der Apenninen sammelt. Ich hatte
einen Wagen gemiethet, aber der Wirth als Vermie¬
ther kam mit der Entschuldigung: es sey jetzt eben
keiner zu finden; ich müsse zwey Stunden warten. Das
war nun nicht erbaulich: Aergerniſs hätte mich aber
nur mehr aufgehalten; ich faſste also Geduld und lieſs
mich mit meinem Tornister auf einen Maulesel schro¬
ten; mein Führer setzte sich, als wir zur Stadt hin¬
aus waren, auf die Kruppe, und so trabten wir italiä¬
nisch immer in den Schluchten hinauf. Diese wur¬
den bald ziemlich enge und wild, und hier und da
aufgehangene Menschenknochen machten eben nicht
die beste Idylle. Ich blieb auf einer Station, deren
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/166>, abgerufen am 30.11.2024.
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