Man kann nichts romaneskeres haben, als den kleinen Gang von dem Averner See bis zum Eintritt in die Grotte, zumal wenn man den Kopf voll Fabel hat. Hier zündeten wir die Fackel an und gingen nun in dem Gewölbe hinter, bis man rechts tief hinunter in das Sakrarium steigt. Vermuthlich hat Virgil seine Erzäh¬ lung nach diesem Orte gearbeitet; denn das Facilis descensus Averni scheint wörtlich hier weggenommen zu seyn. Es ging immer tiefer und tiefer, bis wir an ein etwas weites Gemach kamen, welches ziemlich voll Wasser war. Hier musste ich mich auf den Rük¬ ken meines Führers setzen und hinüber reiten. Rechts und links fand ich hier einen langen Katalog von Neu¬ gierigen aller Nationen. Mein Name steht oben auf dem Erkta, wo die Karthager so brav und lange schlu¬ gen, der heiligen Rosalia auf der Nase; und damit ge¬ nug. So ganz allein mit einem Wildfremden in die¬ ser Höhle herum zu schleichen, mein Freund, macht doch etwas unheimisch.
Ein Schauerchen fuhr mir beym Fackelschein Im Heiligthum durch das Gebein; Das Wasser ging mir in der Höhle Des Mütterchens bis an die Seele. Mir ward so ernst und feyerlich, Und voll von Ehrfurcht setzt' ich mich An einem dreyfach dunkeln Flecke Auf einen Stein in einer Ecke. Mein Führer liess mir eben etwas Zeit Mit seiner Stromgelehrsamkeit,
Man kann nichts romaneskeres haben, als den kleinen Gang von dem Averner See bis zum Eintritt in die Grotte, zumal wenn man den Kopf voll Fabel hat. Hier zündeten wir die Fackel an und gingen nun in dem Gewölbe hinter, bis man rechts tief hinunter in das Sakrarium steigt. Vermuthlich hat Virgil seine Erzäh¬ lung nach diesem Orte gearbeitet; denn das Facilis descensus Averni scheint wörtlich hier weggenommen zu seyn. Es ging immer tiefer und tiefer, bis wir an ein etwas weites Gemach kamen, welches ziemlich voll Wasser war. Hier muſste ich mich auf den Rük¬ ken meines Führers setzen und hinüber reiten. Rechts und links fand ich hier einen langen Katalog von Neu¬ gierigen aller Nationen. Mein Name steht oben auf dem Erkta, wo die Karthager so brav und lange schlu¬ gen, der heiligen Rosalia auf der Nase; und damit ge¬ nug. So ganz allein mit einem Wildfremden in die¬ ser Höhle herum zu schleichen, mein Freund, macht doch etwas unheimisch.
Ein Schauerchen fuhr mir beym Fackelschein Im Heiligthum durch das Gebein; Das Wasser ging mir in der Höhle Des Mütterchens bis an die Seele. Mir ward so ernst und feyerlich, Und voll von Ehrfurcht setzt' ich mich An einem dreyfach dunkeln Flecke Auf einen Stein in einer Ecke. Mein Führer lieſs mir eben etwas Zeit Mit seiner Stromgelehrsamkeit,
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Man kann nichts romaneskeres haben, als den kleinen
Gang von dem Averner See bis zum Eintritt in die
Grotte, zumal wenn man den Kopf voll Fabel hat.
Hier zündeten wir die Fackel an und gingen nun in
dem Gewölbe hinter, bis man rechts tief hinunter in das
Sakrarium steigt. Vermuthlich hat Virgil seine Erzäh¬
lung nach diesem Orte gearbeitet; denn das Facilis
descensus Averni scheint wörtlich hier weggenommen
zu seyn. Es ging immer tiefer und tiefer, bis wir an
ein etwas weites Gemach kamen, welches ziemlich
voll Wasser war. Hier muſste ich mich auf den Rük¬
ken meines Führers setzen und hinüber reiten. Rechts
und links fand ich hier einen langen Katalog von Neu¬
gierigen aller Nationen. Mein Name steht oben auf
dem Erkta, wo die Karthager so brav und lange schlu¬
gen, der heiligen Rosalia auf der Nase; und damit ge¬
nug. So ganz allein mit einem Wildfremden in die¬
ser Höhle herum zu schleichen, mein Freund, macht
doch etwas unheimisch.
Ein Schauerchen fuhr mir beym Fackelschein
Im Heiligthum durch das Gebein;
Das Wasser ging mir in der Höhle
Des Mütterchens bis an die Seele.
Mir ward so ernst und feyerlich,
Und voll von Ehrfurcht setzt' ich mich
An einem dreyfach dunkeln Flecke
Auf einen Stein in einer Ecke.
Mein Führer lieſs mir eben etwas Zeit
Mit seiner Stromgelehrsamkeit,
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/360>, abgerufen am 22.11.2024.
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