Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

es in Peterswalde verhältnissmässig billiger und besser.
Der Wirth zur goldenen Rose in Budin hatte ein gutes
Haus von aussen und ein schlechtes von innen. Eine
Suppe von Kaldauen, altes dürres Rindfleisch und eine
sehr zähe lederne Brate von einer Gans, die noch
mit eine Retterin des Kapitols gewesen seyn mochte;
noch schlechter waren die Betten: aber am schlechte¬
sten war der Preis. Die schlechten Sachen waren un¬
geheuer theuer, wovon ich schon vorher unterrichtet
war. Aber Muss ist ein Bretnagel, heisst das Sprich¬
wort: er ist der Einzige in Budin, und mich däucht,
schon Küttner hat gehörig sein Lob gesungen. Uebri¬
gens lasse ich die Qualität der Wirthshäuser mich we¬
nig anfechten. Das beste ist mir nicht zu gut, und
mit dem schlechtesten weiss ich noch fertig zu wer¬
den. Ich denke, es ist noch lange nicht so schlimm
als auf einem englischen Transportschiffe, wo man
uns wie die schwedischen Heringe einpökelte, oder im
Zelte, oder auf der Brandwache, wo ich Stein
zum Kopfkissen nahm, sanft schlief und das Donner¬
wetter ruhig über mir wegziehen liess.

In der Budiner Wirthsstube war ein Quodlibet
von Menschen, die einander ihre Schicksale erzählten
und hier und da zur Verschönerung wahrscheinlich
etwas dazu logen. Einige Oestreichische Soldaten,
Stallleute und ehemalige Stückknechte, die alle in der
französischen Gefangenschaft gewesen waren, und ei¬
nige Sachsen von dem Kontingent machten eine er¬
bauliche Gruppe, und unterhielten die Nachbarn lang
und breit von ihren ausgestandenen Leiden. Beson¬
ders machte einer der Soldaten eine so gräuliche Be¬

es in Peterswalde verhältniſsmäſsig billiger und besser.
Der Wirth zur goldenen Rose in Budin hatte ein gutes
Haus von auſsen und ein schlechtes von innen. Eine
Suppe von Kaldauen, altes dürres Rindfleisch und eine
sehr zähe lederne Brate von einer Gans, die noch
mit eine Retterin des Kapitols gewesen seyn mochte;
noch schlechter waren die Betten: aber am schlechte¬
sten war der Preis. Die schlechten Sachen waren un¬
geheuer theuer, wovon ich schon vorher unterrichtet
war. Aber Muſs ist ein Bretnagel, heiſst das Sprich¬
wort: er ist der Einzige in Budin, und mich däucht,
schon Küttner hat gehörig sein Lob gesungen. Uebri¬
gens lasse ich die Qualität der Wirthshäuser mich we¬
nig anfechten. Das beste ist mir nicht zu gut, und
mit dem schlechtesten weiſs ich noch fertig zu wer¬
den. Ich denke, es ist noch lange nicht so schlimm
als auf einem englischen Transportschiffe, wo man
uns wie die schwedischen Heringe einpökelte, oder im
Zelte, oder auf der Brandwache, wo ich Stein
zum Kopfkissen nahm, sanft schlief und das Donner¬
wetter ruhig über mir wegziehen lieſs.

In der Budiner Wirthsstube war ein Quodlibet
von Menschen, die einander ihre Schicksale erzählten
und hier und da zur Verschönerung wahrscheinlich
etwas dazu logen. Einige Oestreichische Soldaten,
Stallleute und ehemalige Stückknechte, die alle in der
französischen Gefangenschaft gewesen waren, und ei¬
nige Sachsen von dem Kontingent machten eine er¬
bauliche Gruppe, und unterhielten die Nachbarn lang
und breit von ihren ausgestandenen Leiden. Beson¬
ders machte einer der Soldaten eine so gräuliche Be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0039" n="13"/>
es in Peterswalde verhältni&#x017F;smä&#x017F;sig billiger und besser.<lb/>
Der Wirth zur goldenen Rose in Budin hatte ein gutes<lb/>
Haus von au&#x017F;sen und ein schlechtes von innen. Eine<lb/>
Suppe von Kaldauen, altes dürres Rindfleisch und eine<lb/>
sehr zähe lederne Brate von einer Gans, die noch<lb/>
mit eine Retterin des Kapitols gewesen seyn mochte;<lb/>
noch schlechter waren die Betten: aber am schlechte¬<lb/>
sten war der Preis. Die schlechten Sachen waren un¬<lb/>
geheuer theuer, wovon ich schon vorher unterrichtet<lb/>
war. Aber Mu&#x017F;s ist ein Bretnagel, hei&#x017F;st das Sprich¬<lb/>
wort: er ist der Einzige in Budin, und mich däucht,<lb/>
schon Küttner hat gehörig sein Lob gesungen. Uebri¬<lb/>
gens lasse ich die Qualität der Wirthshäuser mich we¬<lb/>
nig anfechten. Das beste ist mir nicht zu gut, und<lb/>
mit dem schlechtesten wei&#x017F;s ich noch fertig zu wer¬<lb/>
den. Ich denke, es ist noch lange nicht so schlimm<lb/>
als auf einem englischen Transportschiffe, wo man<lb/>
uns wie die schwedischen Heringe einpökelte, oder im<lb/>
Zelte, oder auf der Brandwache, wo ich Stein<lb/>
zum Kopfkissen nahm, sanft schlief und das Donner¬<lb/>
wetter ruhig über mir wegziehen lie&#x017F;s.</p><lb/>
        <p>In der Budiner Wirthsstube war ein Quodlibet<lb/>
von Menschen, die einander ihre Schicksale erzählten<lb/>
und hier und da zur Verschönerung wahrscheinlich<lb/>
etwas dazu logen. Einige Oestreichische Soldaten,<lb/>
Stallleute und ehemalige Stückknechte, die alle in der<lb/>
französischen Gefangenschaft gewesen waren, und ei¬<lb/>
nige Sachsen von dem Kontingent machten eine er¬<lb/>
bauliche Gruppe, und unterhielten die Nachbarn lang<lb/>
und breit von ihren ausgestandenen Leiden. Beson¬<lb/>
ders machte einer der Soldaten eine so gräuliche Be¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0039] es in Peterswalde verhältniſsmäſsig billiger und besser. Der Wirth zur goldenen Rose in Budin hatte ein gutes Haus von auſsen und ein schlechtes von innen. Eine Suppe von Kaldauen, altes dürres Rindfleisch und eine sehr zähe lederne Brate von einer Gans, die noch mit eine Retterin des Kapitols gewesen seyn mochte; noch schlechter waren die Betten: aber am schlechte¬ sten war der Preis. Die schlechten Sachen waren un¬ geheuer theuer, wovon ich schon vorher unterrichtet war. Aber Muſs ist ein Bretnagel, heiſst das Sprich¬ wort: er ist der Einzige in Budin, und mich däucht, schon Küttner hat gehörig sein Lob gesungen. Uebri¬ gens lasse ich die Qualität der Wirthshäuser mich we¬ nig anfechten. Das beste ist mir nicht zu gut, und mit dem schlechtesten weiſs ich noch fertig zu wer¬ den. Ich denke, es ist noch lange nicht so schlimm als auf einem englischen Transportschiffe, wo man uns wie die schwedischen Heringe einpökelte, oder im Zelte, oder auf der Brandwache, wo ich Stein zum Kopfkissen nahm, sanft schlief und das Donner¬ wetter ruhig über mir wegziehen lieſs. In der Budiner Wirthsstube war ein Quodlibet von Menschen, die einander ihre Schicksale erzählten und hier und da zur Verschönerung wahrscheinlich etwas dazu logen. Einige Oestreichische Soldaten, Stallleute und ehemalige Stückknechte, die alle in der französischen Gefangenschaft gewesen waren, und ei¬ nige Sachsen von dem Kontingent machten eine er¬ bauliche Gruppe, und unterhielten die Nachbarn lang und breit von ihren ausgestandenen Leiden. Beson¬ ders machte einer der Soldaten eine so gräuliche Be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/39
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/39>, abgerufen am 03.12.2024.