Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.Gattung: Gasterosteus. worden, indem derselbe zuerst erkannte, dass die Männchen von Gasterosteusaculeatus es sind, welche das Nest bauen und, nachdem die Weibchen das- selbe mit Eiern besetzt haben, vor dem Eingange des Nestes durch fibrirende Bewegungen ihrer Brustflossen eine Wasserströmung unterhalten, um den in der Höhle des Nestes verborgenen Eiern frisches Wasser zuzutreiben. In die- sem Geschäfte werden sie aber oft unterbrochen, indem sie ihre müssigen und grausamen Weibchen mit Gewalt von den Nestern abzuhalten haben, da diese gern die Nester zerstören und den darin verborgenen Laich aufzehren. Aber auch unter sich haben diese Männchen Kämpfe zu bestehen, indem sie wahr- scheinlich aus Neid den Besitz unversehrter Nester einander missgönnen. Hat es endlich ein Stichlings-Männchen durch seine Wachsamkeit und seinen Muth so weit gebracht, dass die Brut ungestört zur Entwicklung und glück- lich zum Ausschlüpfen hat gelangen können, so beginnt für das erstere wie- der eine andere Sorge, indem einzelne zu bewegliche, aber wegen des grossen anhängenden Dottersacks zugleich sehr unbehülfliche Junge aus dem Neste fallen. Diese werden von dem aufmerksamen Männchen verschluckt und vor- sichtig wieder in das Nest gespieen. Alle diese Handlungen der Stichlings- Männchen sind auch von Hancock 1) beobachtet und beschrieben worden; ebenso haben auch Kinahan2) und R. Warington3) diese Beobachtungen Coste's an den Männchen des Gasterosteus leiurus bestätigen können. Ich selbst habe schon vor zwanzig Jahren Gelegenheit gehabt, aus eigener Anschauung die Wachsamkeit und den Muth des dreistacheligen Stichlings-Männchen zu be- wundern, und kann noch folgendes dem bereits Bekannten hinzufügen. Als ich nämlich im Sommer 1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich be- suchte, dessen Grund mit Sand bedeckt war, fielen mir darin vereinzelte drei- stachelige Stichlinge auf, welche fast unbeweglich im Wasser schwebten und sich durch nichts verscheuchen liessen. Ich erinnerte mich sogleich dessen, was ich vor einiger Zeit in der Isis über den Nestbau dieses Fischchens gelesen hatte und vermuthete, dass auch die eben erwähnten Stichlinge in der Nähe ihrer Nester Wache hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Wassers nir- gends auf dem sandigen Grunde des Teiches solche Nester entdecken. Als ich mit meinem Stocke auf dem Grunde des Teiches umherfuhr, bemerkte ich, dass, wenn ich damit in die Nähe eines Stichlings kam, dieser mit grösster Aufmerksamkeit den Bewegungen des Stockes folgte. Ich konnte durch dieses Benehmen der Stichlinge voraussehen, dass sie mir ihr wahrscheinlich im 1) S. dessen Observations on the Nidification a. a. O. 2) Vergl. dessen Observations on the Spawning of Gasterosteus leiurus in: the Zoolo- gist. Vol. X. 1852. pag. 3526. 3) S. the Annals of natural history. Vol. X. 1852. pag. 276, ferner Vol. XVI. 1855
pag. 330. Observations on the habits of the Stickleback. Gattung: Gasterosteus. worden, indem derselbe zuerst erkannte, dass die Männchen von Gasterosteusaculeatus es sind, welche das Nest bauen und, nachdem die Weibchen das- selbe mit Eiern besetzt haben, vor dem Eingange des Nestes durch fibrirende Bewegungen ihrer Brustflossen eine Wasserströmung unterhalten, um den in der Höhle des Nestes verborgenen Eiern frisches Wasser zuzutreiben. In die- sem Geschäfte werden sie aber oft unterbrochen, indem sie ihre müssigen und grausamen Weibchen mit Gewalt von den Nestern abzuhalten haben, da diese gern die Nester zerstören und den darin verborgenen Laich aufzehren. Aber auch unter sich haben diese Männchen Kämpfe zu bestehen, indem sie wahr- scheinlich aus Neid den Besitz unversehrter Nester einander missgönnen. Hat es endlich ein Stichlings-Männchen durch seine Wachsamkeit und seinen Muth so weit gebracht, dass die Brut ungestört zur Entwicklung und glück- lich zum Ausschlüpfen hat gelangen können, so beginnt für das erstere wie- der eine andere Sorge, indem einzelne zu bewegliche, aber wegen des grossen anhängenden Dottersacks zugleich sehr unbehülfliche Junge aus dem Neste fallen. Diese werden von dem aufmerksamen Männchen verschluckt und vor- sichtig wieder in das Nest gespieen. Alle diese Handlungen der Stichlings- Männchen sind auch von Hancock 1) beobachtet und beschrieben worden; ebenso haben auch Kinahan2) und R. Warington3) diese Beobachtungen Coste’s an den Männchen des Gasterosteus leiurus bestätigen können. Ich selbst habe schon vor zwanzig Jahren Gelegenheit gehabt, aus eigener Anschauung die Wachsamkeit und den Muth des dreistacheligen Stichlings-Männchen zu be- wundern, und kann noch folgendes dem bereits Bekannten hinzufügen. Als ich nämlich im Sommer 1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich be- suchte, dessen Grund mit Sand bedeckt war, fielen mir darin vereinzelte drei- stachelige Stichlinge auf, welche fast unbeweglich im Wasser schwebten und sich durch nichts verscheuchen liessen. Ich erinnerte mich sogleich dessen, was ich vor einiger Zeit in der Isis über den Nestbau dieses Fischchens gelesen hatte und vermuthete, dass auch die eben erwähnten Stichlinge in der Nähe ihrer Nester Wache hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Wassers nir- gends auf dem sandigen Grunde des Teiches solche Nester entdecken. Als ich mit meinem Stocke auf dem Grunde des Teiches umherfuhr, bemerkte ich, dass, wenn ich damit in die Nähe eines Stichlings kam, dieser mit grösster Aufmerksamkeit den Bewegungen des Stockes folgte. Ich konnte durch dieses Benehmen der Stichlinge voraussehen, dass sie mir ihr wahrscheinlich im 1) S. dessen Observations on the Nidification a. a. O. 2) Vergl. dessen Observations on the Spawning of Gasterosteus leiurus in: the Zoolo- gist. Vol. X. 1852. pag. 3526. 3) S. the Annals of natural history. Vol. X. 1852. pag. 276, ferner Vol. XVI. 1855
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Gattung: Gasterosteus.
worden, indem derselbe zuerst erkannte, dass die Männchen von Gasterosteus
aculeatus es sind, welche das Nest bauen und, nachdem die Weibchen das-
selbe mit Eiern besetzt haben, vor dem Eingange des Nestes durch fibrirende
Bewegungen ihrer Brustflossen eine Wasserströmung unterhalten, um den in
der Höhle des Nestes verborgenen Eiern frisches Wasser zuzutreiben. In die-
sem Geschäfte werden sie aber oft unterbrochen, indem sie ihre müssigen und
grausamen Weibchen mit Gewalt von den Nestern abzuhalten haben, da diese
gern die Nester zerstören und den darin verborgenen Laich aufzehren. Aber
auch unter sich haben diese Männchen Kämpfe zu bestehen, indem sie wahr-
scheinlich aus Neid den Besitz unversehrter Nester einander missgönnen. Hat
es endlich ein Stichlings-Männchen durch seine Wachsamkeit und seinen
Muth so weit gebracht, dass die Brut ungestört zur Entwicklung und glück-
lich zum Ausschlüpfen hat gelangen können, so beginnt für das erstere wie-
der eine andere Sorge, indem einzelne zu bewegliche, aber wegen des grossen
anhängenden Dottersacks zugleich sehr unbehülfliche Junge aus dem Neste
fallen. Diese werden von dem aufmerksamen Männchen verschluckt und vor-
sichtig wieder in das Nest gespieen. Alle diese Handlungen der Stichlings-
Männchen sind auch von Hancock 1) beobachtet und beschrieben worden;
ebenso haben auch Kinahan 2) und R. Warington 3) diese Beobachtungen Coste’s
an den Männchen des Gasterosteus leiurus bestätigen können. Ich selbst habe
schon vor zwanzig Jahren Gelegenheit gehabt, aus eigener Anschauung die
Wachsamkeit und den Muth des dreistacheligen Stichlings-Männchen zu be-
wundern, und kann noch folgendes dem bereits Bekannten hinzufügen. Als
ich nämlich im Sommer 1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich be-
suchte, dessen Grund mit Sand bedeckt war, fielen mir darin vereinzelte drei-
stachelige Stichlinge auf, welche fast unbeweglich im Wasser schwebten und
sich durch nichts verscheuchen liessen. Ich erinnerte mich sogleich dessen,
was ich vor einiger Zeit in der Isis über den Nestbau dieses Fischchens gelesen
hatte und vermuthete, dass auch die eben erwähnten Stichlinge in der Nähe
ihrer Nester Wache hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Wassers nir-
gends auf dem sandigen Grunde des Teiches solche Nester entdecken. Als ich
mit meinem Stocke auf dem Grunde des Teiches umherfuhr, bemerkte ich,
dass, wenn ich damit in die Nähe eines Stichlings kam, dieser mit grösster
Aufmerksamkeit den Bewegungen des Stockes folgte. Ich konnte durch dieses
Benehmen der Stichlinge voraussehen, dass sie mir ihr wahrscheinlich im
1) S. dessen Observations on the Nidification a. a. O.
2) Vergl. dessen Observations on the Spawning of Gasterosteus leiurus in: the Zoolo-
gist. Vol. X. 1852. pag. 3526.
3) S. the Annals of natural history. Vol. X. 1852. pag. 276, ferner Vol. XVI. 1855
pag. 330. Observations on the habits of the Stickleback.
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