an der Herrschaft des Naturgesetzes innerhalb unseres Weltbildes ver- wirklichen: gegenüber dem Haften an der einzelnen Erscheinung, der Zufälligkeit und der Isoliertheit primärer Empirie, ist das Naturgesetz eine ungeheure Kondensierung des Erkennens; es fasst in eine kurze Formel die Erscheinungsart und Bewegung endloser Einzelfälle zu- sammen, der Geist komprimiert mit ihm die räumliche und zeitliche Extensität des Geschehens in eine überschaubare Systematik, in der so- zusagen die ganze Welt latent enthalten ist. An einem ganz anderen Pol der Erscheinungen zeigt die Ablösung der Handwaffen durch die Feuerwaffen dieselbe Entwicklungsform. Im Pulver liegt die enorme Kraftverdichtung, die mit einem Minimum von Muskelleistung eine un- mittelbar gar nicht erzielbare Extensität der Wirkung entfesselt. Ja vielleicht ist die Wichtigkeit und die Differenzierung der Persönlich- keit innerhalb der historischen Bewegung, die an die Stelle der Gentil-, Familien-, Genossenschaftsorganisationen tritt, dem gleichen Prinzip unterthan. Indem die bewegenden Kräfte von immer individualisier- teren, äusserlich enger begrenzten Trägern ausstrahlen, erscheinen sie komprimierter als vorher, die Schicksalsfaktoren, die bei enger Ein- schmelzung des Einzelnen in seine Gruppe durch diese hin verteilt sind, konzentrieren sich jetzt in ihm selbst; das Selbstbestimmungs- recht des modernen Menschen hätte zweckmässigerweise nicht auf- kommen können, wenn nicht in der engen Form personaler Existenz ein sehr gestiegenes Quantum von Wirkungsmöglichkeiten zusammen- gebunden wäre. Und dem widerstreitet es durchaus nicht, dass zugleich die Funktionen jener engen Gemeinschaften zum grossen Teil an den so viel extensiveren Grossstaat übergegangen sind. Denn auf die wirk- lichen Leistungen angesehen, ist die Lebensform des modernen Staates mit seiner Beamtenorganisation, seinen Machtmitteln, seiner Zentrali- sierung, eine unendlich viel intensivere, als die der kleinen und primi- tiven Gemeinwesen. Der moderne Staat beruht auf einem ungeheuren Zusammennehmen, Ineinanderflechten und Vereinheitlichen aller politi- schen Kräfte; so dass man direkt sagen kann: gegenüber den Kraft- verschwendungen, die die Zerfällung einer Nation in jene selbständigen, in sich zentralisierten Gemeinwesen von geringster Extensität bewirkt, stellt sowohl die freie und differenzierte Persönlichkeit, wie andrer- seits der moderne Grossstaat ein unvergleichliches Zusammennehmen der Kräfte dar; die sozialen Spannkräfte sind hiermit in eine der- artig kompendiöse Form gebracht, dass jeder einzelnen Aufforderung gegenüber mit einem Minimum von neuem Energieaufwand ein Maxi- mum von Leistung erzielt werden kann. Es ist nun interessant zu sehen, wie das Geld sich nicht nur diesen Beispielen der historischen
an der Herrschaft des Naturgesetzes innerhalb unseres Weltbildes ver- wirklichen: gegenüber dem Haften an der einzelnen Erscheinung, der Zufälligkeit und der Isoliertheit primärer Empirie, ist das Naturgesetz eine ungeheure Kondensierung des Erkennens; es faſst in eine kurze Formel die Erscheinungsart und Bewegung endloser Einzelfälle zu- sammen, der Geist komprimiert mit ihm die räumliche und zeitliche Extensität des Geschehens in eine überschaubare Systematik, in der so- zusagen die ganze Welt latent enthalten ist. An einem ganz anderen Pol der Erscheinungen zeigt die Ablösung der Handwaffen durch die Feuerwaffen dieselbe Entwicklungsform. Im Pulver liegt die enorme Kraftverdichtung, die mit einem Minimum von Muskelleistung eine un- mittelbar gar nicht erzielbare Extensität der Wirkung entfesselt. Ja vielleicht ist die Wichtigkeit und die Differenzierung der Persönlich- keit innerhalb der historischen Bewegung, die an die Stelle der Gentil-, Familien-, Genossenschaftsorganisationen tritt, dem gleichen Prinzip unterthan. Indem die bewegenden Kräfte von immer individualisier- teren, äuſserlich enger begrenzten Trägern ausstrahlen, erscheinen sie komprimierter als vorher, die Schicksalsfaktoren, die bei enger Ein- schmelzung des Einzelnen in seine Gruppe durch diese hin verteilt sind, konzentrieren sich jetzt in ihm selbst; das Selbstbestimmungs- recht des modernen Menschen hätte zweckmäſsigerweise nicht auf- kommen können, wenn nicht in der engen Form personaler Existenz ein sehr gestiegenes Quantum von Wirkungsmöglichkeiten zusammen- gebunden wäre. Und dem widerstreitet es durchaus nicht, daſs zugleich die Funktionen jener engen Gemeinschaften zum groſsen Teil an den so viel extensiveren Groſsstaat übergegangen sind. Denn auf die wirk- lichen Leistungen angesehen, ist die Lebensform des modernen Staates mit seiner Beamtenorganisation, seinen Machtmitteln, seiner Zentrali- sierung, eine unendlich viel intensivere, als die der kleinen und primi- tiven Gemeinwesen. Der moderne Staat beruht auf einem ungeheuren Zusammennehmen, Ineinanderflechten und Vereinheitlichen aller politi- schen Kräfte; so daſs man direkt sagen kann: gegenüber den Kraft- verschwendungen, die die Zerfällung einer Nation in jene selbständigen, in sich zentralisierten Gemeinwesen von geringster Extensität bewirkt, stellt sowohl die freie und differenzierte Persönlichkeit, wie andrer- seits der moderne Groſsstaat ein unvergleichliches Zusammennehmen der Kräfte dar; die sozialen Spannkräfte sind hiermit in eine der- artig kompendiöse Form gebracht, daſs jeder einzelnen Aufforderung gegenüber mit einem Minimum von neuem Energieaufwand ein Maxi- mum von Leistung erzielt werden kann. Es ist nun interessant zu sehen, wie das Geld sich nicht nur diesen Beispielen der historischen
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an der Herrschaft des Naturgesetzes innerhalb unseres Weltbildes ver-
wirklichen: gegenüber dem Haften an der einzelnen Erscheinung, der
Zufälligkeit und der Isoliertheit primärer Empirie, ist das Naturgesetz
eine ungeheure Kondensierung des Erkennens; es faſst in eine kurze
Formel die Erscheinungsart und Bewegung endloser Einzelfälle zu-
sammen, der Geist komprimiert mit ihm die räumliche und zeitliche
Extensität des Geschehens in eine überschaubare Systematik, in der so-
zusagen die ganze Welt latent enthalten ist. An einem ganz anderen
Pol der Erscheinungen zeigt die Ablösung der Handwaffen durch die
Feuerwaffen dieselbe Entwicklungsform. Im Pulver liegt die enorme
Kraftverdichtung, die mit einem Minimum von Muskelleistung eine un-
mittelbar gar nicht erzielbare Extensität der Wirkung entfesselt. Ja
vielleicht ist die Wichtigkeit und die Differenzierung der Persönlich-
keit innerhalb der historischen Bewegung, die an die Stelle der Gentil-,
Familien-, Genossenschaftsorganisationen tritt, dem gleichen Prinzip
unterthan. Indem die bewegenden Kräfte von immer individualisier-
teren, äuſserlich enger begrenzten Trägern ausstrahlen, erscheinen sie
komprimierter als vorher, die Schicksalsfaktoren, die bei enger Ein-
schmelzung des Einzelnen in seine Gruppe durch diese hin verteilt
sind, konzentrieren sich jetzt in ihm selbst; das Selbstbestimmungs-
recht des modernen Menschen hätte zweckmäſsigerweise nicht auf-
kommen können, wenn nicht in der engen Form personaler Existenz
ein sehr gestiegenes Quantum von Wirkungsmöglichkeiten zusammen-
gebunden wäre. Und dem widerstreitet es durchaus nicht, daſs zugleich
die Funktionen jener engen Gemeinschaften zum groſsen Teil an den
so viel extensiveren Groſsstaat übergegangen sind. Denn auf die wirk-
lichen Leistungen angesehen, ist die Lebensform des modernen Staates
mit seiner Beamtenorganisation, seinen Machtmitteln, seiner Zentrali-
sierung, eine unendlich viel intensivere, als die der kleinen und primi-
tiven Gemeinwesen. Der moderne Staat beruht auf einem ungeheuren
Zusammennehmen, Ineinanderflechten und Vereinheitlichen aller politi-
schen Kräfte; so daſs man direkt sagen kann: gegenüber den Kraft-
verschwendungen, die die Zerfällung einer Nation in jene selbständigen,
in sich zentralisierten Gemeinwesen von geringster Extensität bewirkt,
stellt sowohl die freie und differenzierte Persönlichkeit, wie andrer-
seits der moderne Groſsstaat ein unvergleichliches Zusammennehmen
der Kräfte dar; die sozialen Spannkräfte sind hiermit in eine der-
artig kompendiöse Form gebracht, daſs jeder einzelnen Aufforderung
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/198>, abgerufen am 21.11.2024.
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