selben immer unabhängiger wird. Bei dieser sondernden Entwicklung der objektiven und der subjektiven Momente der Lebenspraxis bleibt natürlich die oben bezeichnete Thatsache unbewusst, dass im letzten Grunde und absolut genommen, die Gesamtheit dieser Praxis doch nur menschlich-subjektiver Natur ist: die Einrichtung einer Maschine oder einer Fabrik, so sehr sie den Gesetzen der Sache gemäss ist, wird doch schliesslich auch von den persönlichen Zwecken, von der subjek- tiven Denkfähigkeit des Menschen umfasst. Aber dieser allgemeine und absolute Charakter hat sich im relativen Sinne auf eines der Elemente konzentriert, in die das Ganze des Gebietes auseinander- gegangen ist.
Wenn wir die Rolle des Geldes in diesem Differenzierungsprozess untersuchen, so fällt zunächst auf, dass derselbe sich an die räumliche Entfernung zwischen dem Subjekt und seinem Besitz knüpft. Der Aktieninhaber, der mit der Geschäftsführung der Gesellschaft absolut nichts zu thun hat; der Staatsgläubiger, der das ihm verschuldete Land nie betreten hat; der Grossgrundbesitzer, der seine Ländereien in Pacht ausgethan hat -- sie alle überlassen ihre Besitzquanten einem rein technischen Betriebe, dessen Früchte sie allerdings ernten, mit dem an und für sich sie aber gar nichts zu schaffen haben. Und das eben ist ausschliesslich durch das Geld möglich. Erst wenn der Ertrag des Betriebes eine Form annimmt, in der er ohne weiteres an jeden Punkt übertragbar ist, gewährt er, durch die Entfernung zwischen Besitz und Besitzer, beiden jenes hohe Mass von Unabhängigkeit, sozusagen von Eigenbewegung: dem einen die Möglichkeit, ausschliesslich nach den inneren Anforderungen der Sache betrieben zu werden, dem andern die Möglichkeit, sein Leben ohne Rücksicht auf die spezifischen An- forderungen seines Besitzes einzurichten. Die Fernwirkung des Geldes gestattet dem Besitz und dem Besitzer so weit auseinanderzutreten, dass jedes seinen eignen Gesetzen ganz anders folgen kann, als da der Besitz noch in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Person stand, jedes ökonomische Engagement zugleich ein persönliches war, jede Wendung in der persönlichen Direktive oder Stellung zugleich eine solche innerhalb der ökonomischen Interessen bedeutete. So äussert sich die Solidarität zwischen Person und Besitz bei sehr vielen Natur- völkern aller Erdteile darin, dass der letztere, soweit er ganz indivi- duell, erobert oder erarbeitet ist, mit dem Besitzenden ins Grab geht. Es liegt auf der Hand, wie sehr hierdurch auch die objektive Kultur hintangehalten wird, deren Fortschritt grade auf dem Weiterbauen auf ererbten Produkten ruht. Erst durch die Vererbung erstreckt sich der Besitz über die Grenze des Individuums hinaus und beginnt, eine sach-
selben immer unabhängiger wird. Bei dieser sondernden Entwicklung der objektiven und der subjektiven Momente der Lebenspraxis bleibt natürlich die oben bezeichnete Thatsache unbewuſst, daſs im letzten Grunde und absolut genommen, die Gesamtheit dieser Praxis doch nur menschlich-subjektiver Natur ist: die Einrichtung einer Maschine oder einer Fabrik, so sehr sie den Gesetzen der Sache gemäſs ist, wird doch schlieſslich auch von den persönlichen Zwecken, von der subjek- tiven Denkfähigkeit des Menschen umfaſst. Aber dieser allgemeine und absolute Charakter hat sich im relativen Sinne auf eines der Elemente konzentriert, in die das Ganze des Gebietes auseinander- gegangen ist.
Wenn wir die Rolle des Geldes in diesem Differenzierungsprozeſs untersuchen, so fällt zunächst auf, daſs derselbe sich an die räumliche Entfernung zwischen dem Subjekt und seinem Besitz knüpft. Der Aktieninhaber, der mit der Geschäftsführung der Gesellschaft absolut nichts zu thun hat; der Staatsgläubiger, der das ihm verschuldete Land nie betreten hat; der Groſsgrundbesitzer, der seine Ländereien in Pacht ausgethan hat — sie alle überlassen ihre Besitzquanten einem rein technischen Betriebe, dessen Früchte sie allerdings ernten, mit dem an und für sich sie aber gar nichts zu schaffen haben. Und das eben ist ausschlieſslich durch das Geld möglich. Erst wenn der Ertrag des Betriebes eine Form annimmt, in der er ohne weiteres an jeden Punkt übertragbar ist, gewährt er, durch die Entfernung zwischen Besitz und Besitzer, beiden jenes hohe Maſs von Unabhängigkeit, sozusagen von Eigenbewegung: dem einen die Möglichkeit, ausschlieſslich nach den inneren Anforderungen der Sache betrieben zu werden, dem andern die Möglichkeit, sein Leben ohne Rücksicht auf die spezifischen An- forderungen seines Besitzes einzurichten. Die Fernwirkung des Geldes gestattet dem Besitz und dem Besitzer so weit auseinanderzutreten, daſs jedes seinen eignen Gesetzen ganz anders folgen kann, als da der Besitz noch in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Person stand, jedes ökonomische Engagement zugleich ein persönliches war, jede Wendung in der persönlichen Direktive oder Stellung zugleich eine solche innerhalb der ökonomischen Interessen bedeutete. So äuſsert sich die Solidarität zwischen Person und Besitz bei sehr vielen Natur- völkern aller Erdteile darin, daſs der letztere, soweit er ganz indivi- duell, erobert oder erarbeitet ist, mit dem Besitzenden ins Grab geht. Es liegt auf der Hand, wie sehr hierdurch auch die objektive Kultur hintangehalten wird, deren Fortschritt grade auf dem Weiterbauen auf ererbten Produkten ruht. Erst durch die Vererbung erstreckt sich der Besitz über die Grenze des Individuums hinaus und beginnt, eine sach-
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[338/0362]
selben immer unabhängiger wird. Bei dieser sondernden Entwicklung
der objektiven und der subjektiven Momente der Lebenspraxis bleibt
natürlich die oben bezeichnete Thatsache unbewuſst, daſs im letzten
Grunde und absolut genommen, die Gesamtheit dieser Praxis doch nur
menschlich-subjektiver Natur ist: die Einrichtung einer Maschine oder
einer Fabrik, so sehr sie den Gesetzen der Sache gemäſs ist, wird
doch schlieſslich auch von den persönlichen Zwecken, von der subjek-
tiven Denkfähigkeit des Menschen umfaſst. Aber dieser allgemeine
und absolute Charakter hat sich im relativen Sinne auf eines der
Elemente konzentriert, in die das Ganze des Gebietes auseinander-
gegangen ist.
Wenn wir die Rolle des Geldes in diesem Differenzierungsprozeſs
untersuchen, so fällt zunächst auf, daſs derselbe sich an die räumliche
Entfernung zwischen dem Subjekt und seinem Besitz knüpft. Der
Aktieninhaber, der mit der Geschäftsführung der Gesellschaft absolut
nichts zu thun hat; der Staatsgläubiger, der das ihm verschuldete Land
nie betreten hat; der Groſsgrundbesitzer, der seine Ländereien in
Pacht ausgethan hat — sie alle überlassen ihre Besitzquanten einem
rein technischen Betriebe, dessen Früchte sie allerdings ernten, mit
dem an und für sich sie aber gar nichts zu schaffen haben. Und das
eben ist ausschlieſslich durch das Geld möglich. Erst wenn der Ertrag
des Betriebes eine Form annimmt, in der er ohne weiteres an jeden
Punkt übertragbar ist, gewährt er, durch die Entfernung zwischen Besitz
und Besitzer, beiden jenes hohe Maſs von Unabhängigkeit, sozusagen
von Eigenbewegung: dem einen die Möglichkeit, ausschlieſslich nach
den inneren Anforderungen der Sache betrieben zu werden, dem andern
die Möglichkeit, sein Leben ohne Rücksicht auf die spezifischen An-
forderungen seines Besitzes einzurichten. Die Fernwirkung des Geldes
gestattet dem Besitz und dem Besitzer so weit auseinanderzutreten,
daſs jedes seinen eignen Gesetzen ganz anders folgen kann, als da der
Besitz noch in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Person stand,
jedes ökonomische Engagement zugleich ein persönliches war, jede
Wendung in der persönlichen Direktive oder Stellung zugleich eine
solche innerhalb der ökonomischen Interessen bedeutete. So äuſsert
sich die Solidarität zwischen Person und Besitz bei sehr vielen Natur-
völkern aller Erdteile darin, daſs der letztere, soweit er ganz indivi-
duell, erobert oder erarbeitet ist, mit dem Besitzenden ins Grab geht.
Es liegt auf der Hand, wie sehr hierdurch auch die objektive Kultur
hintangehalten wird, deren Fortschritt grade auf dem Weiterbauen auf
ererbten Produkten ruht. Erst durch die Vererbung erstreckt sich der
Besitz über die Grenze des Individuums hinaus und beginnt, eine sach-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/362>, abgerufen am 22.11.2024.
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