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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECT. IV.
SECTIO IV.
Von änderung des beichtvaters.

WAs die sache wegen Sempronii anlanget/ da derselbe einen andern beicht-
vater erwehlet hat/ so weiß ich fast nicht/ was ich schreiben solle. An
und vor sich selbs läugne ich nicht/ daß ich eine freyheit in der wahl der
beichtväter mehr wünschete. Jn Straßburg ist dieselbe in usu, und wo auch
einer aus mehrer anmuth sich gar in ein ander kirchspiel/ die sonsten unterschieden
sind/ halten will/ darff ers nur seinen vorigen beichtvater/ und denjenigen/ zu
den er künfftig gehen will/ anzeigen/ da dann diese beyde sich drüber bereden/ und
wo der erste nicht zeigen kan/ daß es propter fugam disciplinae geschehe/ muß er
ihn loß geben. Jn Franckfurt ist eine noch grössere freyheit/ und mag einer aus
einem mehrern vertrauen zu einem andern unbefragt sich an denselben halten/ wird
auch der andre sich im geringsten nicht darüber beschweren/ ja dörffte es auch nicht/ es
wäre denn auch ob fugam disciplinae, wo aber gemeiniglich/ wann die sache vor
den conventum ecclesiasticum kommet/ der vorige beichtvater/ wenn er zeigt/
daß derselbe ihn deswegen verlassen/ weil er ihm seines lebens wegen zugespro-
chen/ dannoch nicht leicht fordert/ daß er wider zu ihn sich halten müste/ sondern daß
ihm sein unrecht von dem neuen beichtvater ernstlich vorgehalten werde. So sind
zeit meines daseyns unterschiedliche von mir zu einigen meiner collegen, oder von
einem derselben zu mir/ oder auch andern umgetreten/ und zwar ohne alle ursach/
daß sie drüber befragt/ keine anzeigen werden/ sondern einem jeglichen gern die
freyheit gelassen worden/ seine erbauung bey dem zu suchen/ zu dem ihn seine
anmuth trüge. Es hat auch keiner einen unwillen deswegen auff die person noch
collegen geschöpfft/ noch sich daran geärgert/ weil es offt geschehen. Stehet
auch dahin/ ob nicht solches/ auffs wenigste/ wo alle Prediger es rechtschaffen
meinen/ und keiner sich dessen dazu mißbrauchte/ diejenige zu ihren eignen scha-
den damit an sich zu locken/ welche gerne pfülwe unter ihr haupt haben/ am rath-
samsten wäre. Was aber anlangt diese lande/ find ich die verordnungen/ wel-
che jegliche an ihre einmal gehabte beichtväter verbinde/ als gar/ daß wo einer ei-
nen andern haben will/ die sache erst im hiesigem Ober-Consistorio erhalten wer-
den muß/ da man über die ursachen cognosciret/ und nach befinden das begehren
gewähret/ oder abschläget. Jn was Stand es nun bey ihrer kirchen hergebracht
seye/ weiß ich nicht/ indem einer kirchen-gewohnheit in solchen sachen/ die von der
kirchlichen verordnung/ wie insgesamt unser gewöhnlicher beichtstul/ dependi-
ren/ die vornehmste maß geben muß. Wäre die sache in hiesiges Ober-Consi-
storium
gebracht/ und ein informat gefordert worden/ würde man sich nach den
erzehlten umständen gerichtet/ oder auch vorher des gegentheils anführende ursa-
chen erfordert/ oder die antwort auff gewisse conditiones gesetzet haben. Nach

den
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ARTIC. VI. SECT. IV.
SECTIO IV.
Von aͤnderung des beichtvaters.

WAs die ſache wegen Sempronii anlanget/ da derſelbe einen andern beicht-
vater erwehlet hat/ ſo weiß ich faſt nicht/ was ich ſchreiben ſolle. An
und vor ſich ſelbs laͤugne ich nicht/ daß ich eine freyheit in der wahl der
beichtvaͤter mehr wuͤnſchete. Jn Straßburg iſt dieſelbe in uſu, und wo auch
einer aus mehrer anmuth ſich gar in ein ander kirchſpiel/ die ſonſten unterſchieden
ſind/ halten will/ darff ers nur ſeinen vorigen beichtvater/ und denjenigen/ zu
den er kuͤnfftig gehen will/ anzeigen/ da dann dieſe beyde ſich druͤber bereden/ und
wo der erſte nicht zeigen kan/ daß es propter fugam diſciplinæ geſchehe/ muß er
ihn loß geben. Jn Franckfurt iſt eine noch groͤſſere freyheit/ und mag einer aus
einem mehrern vertrauen zu einem andern unbefragt ſich an denſelben halten/ wird
auch der andre ſich im geringſtẽ nicht daruͤber beſchweren/ ja doͤrffte es auch nicht/ es
waͤre denn auch ob fugam diſciplinæ, wo aber gemeiniglich/ wann die ſache vor
den conventum eccleſiaſticum kommet/ der vorige beichtvater/ wenn er zeigt/
daß derſelbe ihn deswegen verlaſſen/ weil er ihm ſeines lebens wegen zugeſpro-
chen/ dannoch nicht leicht fordert/ daß er wider zu ihn ſich halten muͤſte/ ſondern daß
ihm ſein unrecht von dem neuen beichtvater ernſtlich vorgehalten werde. So ſind
zeit meines daſeyns unterſchiedliche von mir zu einigen meiner collegen, oder von
einem derſelben zu mir/ oder auch andern umgetreten/ und zwar ohne alle urſach/
daß ſie druͤber befragt/ keine anzeigen werden/ ſondern einem jeglichen gern die
freyheit gelaſſen worden/ ſeine erbauung bey dem zu ſuchen/ zu dem ihn ſeine
anmuth truͤge. Es hat auch keiner einen unwillen deswegen auff die perſon noch
collegen geſchoͤpfft/ noch ſich daran geaͤrgert/ weil es offt geſchehen. Stehet
auch dahin/ ob nicht ſolches/ auffs wenigſte/ wo alle Prediger es rechtſchaffen
meinen/ und keiner ſich deſſen dazu mißbrauchte/ diejenige zu ihren eignen ſcha-
den damit an ſich zu locken/ welche gerne pfuͤlwe unter ihr haupt haben/ am rath-
ſamſten waͤre. Was aber anlangt dieſe lande/ find ich die verordnungen/ wel-
che jegliche an ihre einmal gehabte beichtvaͤter verbinde/ als gar/ daß wo einer ei-
nen andern haben will/ die ſache erſt im hieſigem Ober-Conſiſtorio erhalten wer-
den muß/ da man uͤber die urſachen cognoſciret/ und nach befinden das begehren
gewaͤhret/ oder abſchlaͤget. Jn was Stand es nun bey ihrer kirchen hergebracht
ſeye/ weiß ich nicht/ indem einer kirchen-gewohnheit in ſolchen ſachen/ die von der
kirchlichen verordnung/ wie insgeſamt unſer gewoͤhnlicher beichtſtul/ dependi-
ren/ die vornehmſte maß geben muß. Waͤre die ſache in hieſiges Ober-Conſi-
ſtorium
gebracht/ und ein informat gefordert worden/ wuͤrde man ſich nach den
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den
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[205/1005] ARTIC. VI. SECT. IV. SECTIO IV. Von aͤnderung des beichtvaters. WAs die ſache wegen Sempronii anlanget/ da derſelbe einen andern beicht- vater erwehlet hat/ ſo weiß ich faſt nicht/ was ich ſchreiben ſolle. An und vor ſich ſelbs laͤugne ich nicht/ daß ich eine freyheit in der wahl der beichtvaͤter mehr wuͤnſchete. Jn Straßburg iſt dieſelbe in uſu, und wo auch einer aus mehrer anmuth ſich gar in ein ander kirchſpiel/ die ſonſten unterſchieden ſind/ halten will/ darff ers nur ſeinen vorigen beichtvater/ und denjenigen/ zu den er kuͤnfftig gehen will/ anzeigen/ da dann dieſe beyde ſich druͤber bereden/ und wo der erſte nicht zeigen kan/ daß es propter fugam diſciplinæ geſchehe/ muß er ihn loß geben. Jn Franckfurt iſt eine noch groͤſſere freyheit/ und mag einer aus einem mehrern vertrauen zu einem andern unbefragt ſich an denſelben halten/ wird auch der andre ſich im geringſtẽ nicht daruͤber beſchweren/ ja doͤrffte es auch nicht/ es waͤre denn auch ob fugam diſciplinæ, wo aber gemeiniglich/ wann die ſache vor den conventum eccleſiaſticum kommet/ der vorige beichtvater/ wenn er zeigt/ daß derſelbe ihn deswegen verlaſſen/ weil er ihm ſeines lebens wegen zugeſpro- chen/ dannoch nicht leicht fordert/ daß er wider zu ihn ſich halten muͤſte/ ſondern daß ihm ſein unrecht von dem neuen beichtvater ernſtlich vorgehalten werde. So ſind zeit meines daſeyns unterſchiedliche von mir zu einigen meiner collegen, oder von einem derſelben zu mir/ oder auch andern umgetreten/ und zwar ohne alle urſach/ daß ſie druͤber befragt/ keine anzeigen werden/ ſondern einem jeglichen gern die freyheit gelaſſen worden/ ſeine erbauung bey dem zu ſuchen/ zu dem ihn ſeine anmuth truͤge. Es hat auch keiner einen unwillen deswegen auff die perſon noch collegen geſchoͤpfft/ noch ſich daran geaͤrgert/ weil es offt geſchehen. Stehet auch dahin/ ob nicht ſolches/ auffs wenigſte/ wo alle Prediger es rechtſchaffen meinen/ und keiner ſich deſſen dazu mißbrauchte/ diejenige zu ihren eignen ſcha- den damit an ſich zu locken/ welche gerne pfuͤlwe unter ihr haupt haben/ am rath- ſamſten waͤre. Was aber anlangt dieſe lande/ find ich die verordnungen/ wel- che jegliche an ihre einmal gehabte beichtvaͤter verbinde/ als gar/ daß wo einer ei- nen andern haben will/ die ſache erſt im hieſigem Ober-Conſiſtorio erhalten wer- den muß/ da man uͤber die urſachen cognoſciret/ und nach befinden das begehren gewaͤhret/ oder abſchlaͤget. Jn was Stand es nun bey ihrer kirchen hergebracht ſeye/ weiß ich nicht/ indem einer kirchen-gewohnheit in ſolchen ſachen/ die von der kirchlichen verordnung/ wie insgeſamt unſer gewoͤhnlicher beichtſtul/ dependi- ren/ die vornehmſte maß geben muß. Waͤre die ſache in hieſiges Ober-Conſi- ſtorium gebracht/ und ein informat gefordert worden/ wuͤrde man ſich nach den erzehlten umſtaͤnden gerichtet/ oder auch vorher des gegentheils anfuͤhrende urſa- chen erfordert/ oder die antwort auff gewiſſe conditiones geſetzet haben. Nach den c c 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1005>, abgerufen am 28.11.2024.