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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
den allein mir überschriebenen ümständen/ als der ich von der andern seiten nichts
weiß/ könte ich des Sempronii und Archi-Diaconi verhalten nicht billigen. Auffs
wenigste solte diesem obgelegen seyn/ da er jenen admittiret hätte/ denselben dahin
zu halten/ daß er sich mit E. Wohlehrwürden erstlich versöhnet/ und daß er sein amt
damit nicht verachten/ oder seine person beschimpffen/ sondern seine andacht am
liebsten durch den/ da sein hertz dißmal ihn mehr hintrüge/ befördern wolte/ hätte
bezeigen müssen. Wäre dieses erstlich geschehen/ und hätte E. Wohlehrw. ihn
nochmal desjenigen/ was sie sonsten ihm seiner seelen wegen vorhalten wollen/ er-
innert/ damit die fernere verantwortung dem andern überlassen/ hätte sie gantz
wol sich solcher sorge entschütten können. Wie ich versichere/ so bald jemand mei-
ner beichtkinder von mir zu einem andern verlangte/ ich gantz willig seyn würde/
ihn der verbindlichkeit an mich loßzusprechen/ und wo es an höhern ort gesucht wer-
den müste/ selbs darum zu bitten/ nimmermehr aber verlangt/ einen einigen zu
behalten/ der nicht so hertzlich gern bey mir bliebe/ als ich ihn behielte/ nachdem ich
weiß/ wie ein grosses von der frucht des amts daran ligt/ daß beyde gutes vertrauen
gegen einander tragen. Nachdem aber die sache nunmehr geschehen/ wolte E.
Wohlehrw. dieses rathen/ dem Archi-Diacono nochmal freundlich zuzuspre-
chen/ wie unförmlich er darinnen verfahren/ wie dann da es zu andrer erkäntnüß
kommen solte/ seyn beginnen bey denen mir berichteten umständen nicht gelobet
oder gebilliget werden würde/ und ihn hauptsächlich dessen zu erinnern/ daß er
das amt eines beichtvaters/ so man ihm nun willig überlassen wollen/ also ver-
richten solle/ daß er seine seele vor GOtt nicht beschwere. Es wird aber auch sol-
che vorhaltung mit geziemender vorsichtigkeit und bescheidenheit geschehen müssen/
damit nicht die abwendung einer ungelegenheit eine schwerere nach sich ziehe: son-
derlich wo mans mit leuten zu thun haben möchte/ welche auff die wort genau ach-
tung geben. Was also auch die klage gegen die collegas anlangt/ wird auch nö-
thig seyn/ eines theils sie freundlich zu erinnern/ anders theils aber auch wol zuzu-
sehen/ daß es auff eine solche weise geschehe/ daß sie erkennen mögen/ es geschehe
aus und in einer liebe/ und aus keiner animosität. GOtt gebe auch darzu den
Geist der weisheit und der krafft. 1688.

SECTIO V.
Von der absolutione conditionata.

JCH habe dasjenige/ was wegen der absolutionis conditionatae an mich
gelanget/ wol verstanden/ und sende hingegen/ was in dergleichen casu
nechst einem andern geantwortet/ wo die frage von der lehr selbs war/ ob
dergleichen conditionatae absolutiones vor irrig zu halten: welcher streit zwischen
einem Superintendente und Diacono entstanden/ da jener vermeinte/ daß dieser

ihn

Das andere Capitel.
den allein mir uͤberſchriebenen uͤmſtaͤnden/ als der ich von der andern ſeiten nichts
weiß/ koͤnte ich des Sempronii und Archi-Diaconi verhalten nicht billigen. Auffs
wenigſte ſolte dieſem obgelegen ſeyn/ da er jenen admittiret haͤtte/ denſelben dahin
zu halten/ daß er ſich mit E. Wohlehrwuͤrden erſtlich verſoͤhnet/ und daß er ſein amt
damit nicht verachten/ oder ſeine perſon beſchimpffen/ ſondern ſeine andacht am
liebſten durch den/ da ſein hertz dißmal ihn mehr hintruͤge/ befoͤrdern wolte/ haͤtte
bezeigen muͤſſen. Waͤre dieſes erſtlich geſchehen/ und haͤtte E. Wohlehrw. ihn
nochmal desjenigen/ was ſie ſonſten ihm ſeiner ſeelen wegen vorhalten wollen/ er-
innert/ damit die fernere verantwortung dem andern uͤberlaſſen/ haͤtte ſie gantz
wol ſich ſolcher ſorge entſchuͤtten koͤnnen. Wie ich verſichere/ ſo bald jemand mei-
ner beichtkinder von mir zu einem andern verlangte/ ich gantz willig ſeyn wuͤrde/
ihn der verbindlichkeit an mich loßzuſprechen/ und wo es an hoͤhern ort geſucht wer-
den muͤſte/ ſelbs darum zu bitten/ nimmermehr aber verlangt/ einen einigen zu
behalten/ der nicht ſo hertzlich gern bey mir bliebe/ als ich ihn behielte/ nachdem ich
weiß/ wie ein groſſes von der frucht des amts daran ligt/ daß beyde gutes vertrauen
gegen einander tragen. Nachdem aber die ſache nunmehr geſchehen/ wolte E.
Wohlehrw. dieſes rathen/ dem Archi-Diacono nochmal freundlich zuzuſpre-
chen/ wie unfoͤrmlich er darinnen verfahren/ wie dann da es zu andrer erkaͤntnuͤß
kommen ſolte/ ſeyn beginnen bey denen mir berichteten umſtaͤnden nicht gelobet
oder gebilliget werden wuͤrde/ und ihn hauptſaͤchlich deſſen zu erinnern/ daß er
das amt eines beichtvaters/ ſo man ihm nun willig uͤberlaſſen wollen/ alſo ver-
richten ſolle/ daß er ſeine ſeele vor GOtt nicht beſchwere. Es wird aber auch ſol-
che vorhaltung mit geziemender vorſichtigkeit und beſcheidenheit geſchehen muͤſſen/
damit nicht die abwendung einer ungelegenheit eine ſchwerere nach ſich ziehe: ſon-
derlich wo mans mit leuten zu thun haben moͤchte/ welche auff die wort genau ach-
tung geben. Was alſo auch die klage gegen die collegas anlangt/ wird auch noͤ-
thig ſeyn/ eines theils ſie freundlich zu erinnern/ anders theils aber auch wol zuzu-
ſehen/ daß es auff eine ſolche weiſe geſchehe/ daß ſie erkennen moͤgen/ es geſchehe
aus und in einer liebe/ und aus keiner animoſitaͤt. GOtt gebe auch darzu den
Geiſt der weisheit und der krafft. 1688.

SECTIO V.
Von der abſolutione conditionata.

JCH habe dasjenige/ was wegen der abſolutionis conditionatæ an mich
gelanget/ wol verſtanden/ und ſende hingegen/ was in dergleichen caſu
nechſt einem andern geantwortet/ wo die frage von der lehr ſelbs war/ ob
dergleichen conditionatæ abſolutiones vor irrig zu halten: welcher ſtreit zwiſchen
einem Superintendente und Diacono entſtanden/ da jener vermeinte/ daß dieſer

ihn
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[206/1006] Das andere Capitel. den allein mir uͤberſchriebenen uͤmſtaͤnden/ als der ich von der andern ſeiten nichts weiß/ koͤnte ich des Sempronii und Archi-Diaconi verhalten nicht billigen. Auffs wenigſte ſolte dieſem obgelegen ſeyn/ da er jenen admittiret haͤtte/ denſelben dahin zu halten/ daß er ſich mit E. Wohlehrwuͤrden erſtlich verſoͤhnet/ und daß er ſein amt damit nicht verachten/ oder ſeine perſon beſchimpffen/ ſondern ſeine andacht am liebſten durch den/ da ſein hertz dißmal ihn mehr hintruͤge/ befoͤrdern wolte/ haͤtte bezeigen muͤſſen. Waͤre dieſes erſtlich geſchehen/ und haͤtte E. Wohlehrw. ihn nochmal desjenigen/ was ſie ſonſten ihm ſeiner ſeelen wegen vorhalten wollen/ er- innert/ damit die fernere verantwortung dem andern uͤberlaſſen/ haͤtte ſie gantz wol ſich ſolcher ſorge entſchuͤtten koͤnnen. Wie ich verſichere/ ſo bald jemand mei- ner beichtkinder von mir zu einem andern verlangte/ ich gantz willig ſeyn wuͤrde/ ihn der verbindlichkeit an mich loßzuſprechen/ und wo es an hoͤhern ort geſucht wer- den muͤſte/ ſelbs darum zu bitten/ nimmermehr aber verlangt/ einen einigen zu behalten/ der nicht ſo hertzlich gern bey mir bliebe/ als ich ihn behielte/ nachdem ich weiß/ wie ein groſſes von der frucht des amts daran ligt/ daß beyde gutes vertrauen gegen einander tragen. Nachdem aber die ſache nunmehr geſchehen/ wolte E. Wohlehrw. dieſes rathen/ dem Archi-Diacono nochmal freundlich zuzuſpre- chen/ wie unfoͤrmlich er darinnen verfahren/ wie dann da es zu andrer erkaͤntnuͤß kommen ſolte/ ſeyn beginnen bey denen mir berichteten umſtaͤnden nicht gelobet oder gebilliget werden wuͤrde/ und ihn hauptſaͤchlich deſſen zu erinnern/ daß er das amt eines beichtvaters/ ſo man ihm nun willig uͤberlaſſen wollen/ alſo ver- richten ſolle/ daß er ſeine ſeele vor GOtt nicht beſchwere. Es wird aber auch ſol- che vorhaltung mit geziemender vorſichtigkeit und beſcheidenheit geſchehen muͤſſen/ damit nicht die abwendung einer ungelegenheit eine ſchwerere nach ſich ziehe: ſon- derlich wo mans mit leuten zu thun haben moͤchte/ welche auff die wort genau ach- tung geben. Was alſo auch die klage gegen die collegas anlangt/ wird auch noͤ- thig ſeyn/ eines theils ſie freundlich zu erinnern/ anders theils aber auch wol zuzu- ſehen/ daß es auff eine ſolche weiſe geſchehe/ daß ſie erkennen moͤgen/ es geſchehe aus und in einer liebe/ und aus keiner animoſitaͤt. GOtt gebe auch darzu den Geiſt der weisheit und der krafft. 1688. SECTIO V. Von der abſolutione conditionata. JCH habe dasjenige/ was wegen der abſolutionis conditionatæ an mich gelanget/ wol verſtanden/ und ſende hingegen/ was in dergleichen caſu nechſt einem andern geantwortet/ wo die frage von der lehr ſelbs war/ ob dergleichen conditionatæ abſolutiones vor irrig zu halten: welcher ſtreit zwiſchen einem Superintendente und Diacono entſtanden/ da jener vermeinte/ daß dieſer ihn

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1006>, abgerufen am 28.11.2024.