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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
nen Beichtvater davon part zu geben seyn/ wie jener adulterii in geheim/ je-
doch ohne nennung der person/ beschuldiget worden wäre/ damit auch dessen
buß nach vermögen befördert würde.

4. Die vierdte frage ist: wie fern mit dem nobili, mit dem sie sich
auch fleischlich vermischet/ zuverfahren/ ob der auch deswegen im ge-
wissen zu rügen/ oder aber wenn man übel ärger machen solte/ wie des-
sen unterschiedliche vermuthungen angeführet werden/ zuschweigen
rathsamer wäre?
Hierauff finde dem gewissen gemäß/ daß nicht bloß ge-
schwiegen/ aber gleichwol die sache mit Christlicher prudenz geführet werde/
welches auff diese weise geschehen möchte/ daß sein Beichtvater ihn in schuldi-
ger geheim bespreche/ seine sorgfalt vor seine seele bezeuge/ und andeute/ daß ihm
auff solche art/ wie er die person zu nennen nicht macht habe/ hinterbracht worden
seye/ daß derselbe um die und die zeit/ ort/ und was etwa vor umstände sonsten/
bekant/ dergleichen sünden begangen haben solte. Nun wolte man die ausdrückliche
bekäntnüs von ihm nicht fordern (wie wir denn auch dergleichen bekäntnüs nicht
eben jure divino, es lauffen dann andre circumstantiae mit ein von jedem gefal-
lenen zu fordern befugt sind) sondern ihm allein treuhertzig erinnern/ da ihn/ wie
man aus der andern deposition nicht wol zweiffeln dörffte/ sein gewissen des-
wegen bestraffte/ daß er ja solchen fall vor GOTT hertzlich erkennen/ beich-
ten und bereuen/ so dann sein leben künfftig in solcher keuschheit führen wolte/
damit der Beichtvater an stat itziger seufftzer über seine thätige buß sich freuen
und GOtt dancken möchte. Auff diese art würde der Beichtvater/ so viel als
in diesem casu geschehen kan/ sein gewissen retten/ hoffentlich auch jenes hertz
rühren/ daß er entweder von selbsten herausginge/ oder doch vor GOTT
seine schuld/ da sonderlich des lasters schwere nachdrücklich vorgestellet worden/
desto nachdrücklicher erkennen/ auffs wenigste würde keines der besorgten incon-
venienti
en darauff erfolgen.

Nun der HERR erfülle geliebten bruder in diesen und allen andern amts
angelegenheiten mit dem geist der weißheit und des raths in allen stücken zuer-
kennen/ was seines göttlichen willens seye/ und alsdenn denselben getrost
zu vollbringen: er segne auch alle seine übrige arbeit von oben herab mit
vieler der anvertrauten seelen erbauung/ und seine person mit aller
gedeiglichen wohlfahrt.
1687.

SE-

Das andere Capitel.
nen Beichtvater davon part zu geben ſeyn/ wie jener adulterii in geheim/ je-
doch ohne nennung der perſon/ beſchuldiget worden waͤre/ damit auch deſſen
buß nach vermoͤgen befoͤrdert wuͤrde.

4. Die vierdte frage iſt: wie fern mit dem nobili, mit dem ſie ſich
auch fleiſchlich vermiſchet/ zuverfahren/ ob der auch deswegen im ge-
wiſſen zu ruͤgen/ oder aber wenn man uͤbel aͤrger machen ſolte/ wie deſ-
ſen unterſchiedliche vermuthungen angefuͤhret werden/ zuſchweigen
rathſamer waͤre?
Hierauff finde dem gewiſſen gemaͤß/ daß nicht bloß ge-
ſchwiegen/ aber gleichwol die ſache mit Chriſtlicher prudenz gefuͤhret werde/
welches auff dieſe weiſe geſchehen moͤchte/ daß ſein Beichtvater ihn in ſchuldi-
ger geheim beſpreche/ ſeine ſorgfalt vor ſeine ſeele bezeuge/ und andeute/ daß ihm
auff ſolche art/ wie er die perſon zu nennen nicht macht habe/ hinterbracht worden
ſeye/ daß derſelbe um die und die zeit/ ort/ und was etwa vor umſtaͤnde ſonſten/
bekant/ dergleichen ſuͤnden begangen haben ſolte. Nun wolte man die ausdruͤckliche
bekaͤntnuͤs von ihm nicht fordern (wie wir denn auch dergleichen bekaͤntnuͤs nicht
eben jure divino, es lauffen dann andre circumſtantiæ mit ein von jedem gefal-
lenen zu fordern befugt ſind) ſondern ihm allein treuhertzig erinnern/ da ihn/ wie
man aus der andern depoſition nicht wol zweiffeln doͤrffte/ ſein gewiſſen des-
wegen beſtraffte/ daß er ja ſolchen fall vor GOTT hertzlich erkennen/ beich-
ten und bereuen/ ſo dann ſein leben kuͤnfftig in ſolcher keuſchheit fuͤhren wolte/
damit der Beichtvater an ſtat itziger ſeufftzer uͤber ſeine thaͤtige buß ſich freuen
und GOtt dancken moͤchte. Auff dieſe art wuͤrde der Beichtvater/ ſo viel als
in dieſem caſu geſchehen kan/ ſein gewiſſen retten/ hoffentlich auch jenes hertz
ruͤhren/ daß er entweder von ſelbſten herausginge/ oder doch vor GOTT
ſeine ſchuld/ da ſonderlich des laſters ſchwere nachdruͤcklich vorgeſtellet worden/
deſto nachdruͤcklicher erkennen/ auffs wenigſte wuͤrde keines der beſorgten incon-
venienti
en darauff erfolgen.

Nun der HERR erfuͤlle geliebten bruder in dieſen und allen andern amts
angelegenheiten mit dem geiſt der weißheit und des raths in allen ſtuͤcken zuer-
kennen/ was ſeines goͤttlichen willens ſeye/ und alsdenn denſelben getroſt
zu vollbringen: er ſegne auch alle ſeine uͤbrige arbeit von oben herab mit
vieler der anvertrauten ſeelen erbauung/ und ſeine perſon mit aller
gedeiglichen wohlfahrt.
1687.

SE-
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[236/1036] Das andere Capitel. nen Beichtvater davon part zu geben ſeyn/ wie jener adulterii in geheim/ je- doch ohne nennung der perſon/ beſchuldiget worden waͤre/ damit auch deſſen buß nach vermoͤgen befoͤrdert wuͤrde. 4. Die vierdte frage iſt: wie fern mit dem nobili, mit dem ſie ſich auch fleiſchlich vermiſchet/ zuverfahren/ ob der auch deswegen im ge- wiſſen zu ruͤgen/ oder aber wenn man uͤbel aͤrger machen ſolte/ wie deſ- ſen unterſchiedliche vermuthungen angefuͤhret werden/ zuſchweigen rathſamer waͤre? Hierauff finde dem gewiſſen gemaͤß/ daß nicht bloß ge- ſchwiegen/ aber gleichwol die ſache mit Chriſtlicher prudenz gefuͤhret werde/ welches auff dieſe weiſe geſchehen moͤchte/ daß ſein Beichtvater ihn in ſchuldi- ger geheim beſpreche/ ſeine ſorgfalt vor ſeine ſeele bezeuge/ und andeute/ daß ihm auff ſolche art/ wie er die perſon zu nennen nicht macht habe/ hinterbracht worden ſeye/ daß derſelbe um die und die zeit/ ort/ und was etwa vor umſtaͤnde ſonſten/ bekant/ dergleichen ſuͤnden begangen haben ſolte. Nun wolte man die ausdruͤckliche bekaͤntnuͤs von ihm nicht fordern (wie wir denn auch dergleichen bekaͤntnuͤs nicht eben jure divino, es lauffen dann andre circumſtantiæ mit ein von jedem gefal- lenen zu fordern befugt ſind) ſondern ihm allein treuhertzig erinnern/ da ihn/ wie man aus der andern depoſition nicht wol zweiffeln doͤrffte/ ſein gewiſſen des- wegen beſtraffte/ daß er ja ſolchen fall vor GOTT hertzlich erkennen/ beich- ten und bereuen/ ſo dann ſein leben kuͤnfftig in ſolcher keuſchheit fuͤhren wolte/ damit der Beichtvater an ſtat itziger ſeufftzer uͤber ſeine thaͤtige buß ſich freuen und GOtt dancken moͤchte. Auff dieſe art wuͤrde der Beichtvater/ ſo viel als in dieſem caſu geſchehen kan/ ſein gewiſſen retten/ hoffentlich auch jenes hertz ruͤhren/ daß er entweder von ſelbſten herausginge/ oder doch vor GOTT ſeine ſchuld/ da ſonderlich des laſters ſchwere nachdruͤcklich vorgeſtellet worden/ deſto nachdruͤcklicher erkennen/ auffs wenigſte wuͤrde keines der beſorgten incon- venientien darauff erfolgen. Nun der HERR erfuͤlle geliebten bruder in dieſen und allen andern amts angelegenheiten mit dem geiſt der weißheit und des raths in allen ſtuͤcken zuer- kennen/ was ſeines goͤttlichen willens ſeye/ und alsdenn denſelben getroſt zu vollbringen: er ſegne auch alle ſeine uͤbrige arbeit von oben herab mit vieler der anvertrauten ſeelen erbauung/ und ſeine perſon mit aller gedeiglichen wohlfahrt. 1687. SE-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1036>, abgerufen am 26.11.2024.