Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
ARTIC. VI. SECTIO XXIV.
SECTIO XXIV.
Ob und wie dem übel/ in welchem unsere kirche ste-
het/ daß viele unwürdige zu der Heil. Communion gelassen
werden/ zu helffen seye/ sonderlich ob solches würde geschehen/ durch
absonderung von solcher gemeinde/ oder ob man annoch bey
solchem dienst in dieser unordnung bleiben
mag?

HJerauff zu antworten/ sind erstlich einige praesupposita zu statuiren/
und zu befestigen. Deren das erste ist/ daß in gegenwärtigem stand
unseres kirchen-amts annoch/ wo wir uns der gnade und der gelegen-
heit/ so viel uns GOtt jetzo noch gibet und lässet/ recht gebrauchen/ viel gu-
tes ausgerichtet werden kan. Dann solte dieses seyn/ daß nichts gutes mehr
ausgerichtet werden könte/ so wäre kein zweiffel/ daß wir solche unsere dienste
so bald quittiren müsten. Wo wir aber die sache auch noch in diesem verderb-
testen zustand erwegen/ werden wir finden/ daß durch GOttes segen von
treuen lehrern gleichwohl etwas fruchtbarlichs noch ausgerichtet werden
kan/ und ausgerichtet wird. I. Jn der predigt und öffentlichen sermonen
können wir nach der gnade GOttes/ die uns gegeben wird/ desselben wort
treulich und kräfftig der gemeinde vortragen/ sie von dem weg ihrer seligkeit
also unterrichten/ daß sie mit wahrheit sich dermahleins nicht entschuldigen
können/ daß ihnen solcher weg nicht gewiesen worden wäre; die jenige aber
so begierig sind/ denselben zu gehen/ davon ihren behuff haben können. Nun
ob wol gern gestehe/ daß dieses die sache die menschen zur seligkeit zu bringen/
noch nicht ausmache/ so ist gleichwohl nicht zu leugnen/ daß es das erste und
nothwendige fundament lege/ und wird also durch diejenige nicht vergebens
gearbeitet/ welche ihre zuhörer zimlicher massen in ihren hertzen überzeugen/
durch die krafft göttlichen worts/ was der wille des HErrn an sie seye/ was
die mittel oder auch die hindernüssen ihres heils seyen/ und die vermahnung
immer fortsetzen/ indem die erfahrung bezeuget/ wie mit stäter anhaltung sol-
cher lehr durch die zeit endlich zuwege gebracht wird/ daß die meisten einer ge-
meinde anfangen zu glauben und zu bekennen/ was zu dem Christenthum er-
fordert werde: welches ob es wohl wiederum die sache noch nicht aus-
macht/ gleichwohl eine sehr gute vorbereitung ist zu mehrerem/ und auffs
wenigste wo der stand einer solchen gemeinde verglichen wird mit einer an-
dern/ in welcher solche wahrheit nicht getreulich getrieben/ sondern die sicher-
heit auch durch die lehr selbs gestifftet wird/ derselbe gar erwünscht zu achten
ist. Hiezu kommt/ daß hingegen auch in den predigten die laster ernstl. gestrafft/

und
l l 3
ARTIC. VI. SECTIO XXIV.
SECTIO XXIV.
Ob und wie dem uͤbel/ in welchem unſere kirche ſte-
het/ daß viele unwuͤrdige zu der Heil. Communion gelaſſen
werden/ zu helffen ſeye/ ſonderlich ob ſolches wuͤrde geſchehen/ durch
abſonderung von ſolcher gemeinde/ oder ob man annoch bey
ſolchem dienſt in dieſer unordnung bleiben
mag?

HJerauff zu antworten/ ſind erſtlich einige præſuppoſita zu ſtatuiren/
und zu befeſtigen. Deren das erſte iſt/ daß in gegenwaͤrtigem ſtand
unſeres kirchen-amts annoch/ wo wir uns der gnade und der gelegen-
heit/ ſo viel uns GOtt jetzo noch gibet und laͤſſet/ recht gebrauchen/ viel gu-
tes ausgerichtet werden kan. Dann ſolte dieſes ſeyn/ daß nichts gutes mehr
ausgerichtet werden koͤnte/ ſo waͤre kein zweiffel/ daß wir ſolche unſere dienſte
ſo bald quittiren muͤſten. Wo wir aber die ſache auch noch in dieſem verderb-
teſten zuſtand erwegen/ werden wir finden/ daß durch GOttes ſegen von
treuen lehrern gleichwohl etwas fruchtbarlichs noch ausgerichtet werden
kan/ und ausgerichtet wird. I. Jn der predigt und oͤffentlichen ſermonen
koͤnnen wir nach der gnade GOttes/ die uns gegeben wird/ deſſelben wort
treulich und kraͤfftig der gemeinde vortragen/ ſie von dem weg ihrer ſeligkeit
alſo unterrichten/ daß ſie mit wahrheit ſich dermahleins nicht entſchuldigen
koͤnnen/ daß ihnen ſolcher weg nicht gewieſen worden waͤre; die jenige aber
ſo begierig ſind/ denſelben zu gehen/ davon ihren behuff haben koͤnnen. Nun
ob wol gern geſtehe/ daß dieſes die ſache die menſchen zur ſeligkeit zu bringen/
noch nicht ausmache/ ſo iſt gleichwohl nicht zu leugnen/ daß es das erſte und
nothwendige fundament lege/ und wird alſo durch diejenige nicht vergebens
gearbeitet/ welche ihre zuhoͤrer zimlicher maſſen in ihren hertzen uͤberzeugen/
durch die krafft goͤttlichen worts/ was der wille des HErrn an ſie ſeye/ was
die mittel oder auch die hindernuͤſſen ihres heils ſeyen/ und die vermahnung
immer fortſetzen/ indem die erfahrung bezeuget/ wie mit ſtaͤter anhaltung ſol-
cher lehr durch die zeit endlich zuwege gebracht wird/ daß die meiſten einer ge-
meinde anfangen zu glauben und zu bekennen/ was zu dem Chriſtenthum er-
fordert werde: welches ob es wohl wiederum die ſache noch nicht aus-
macht/ gleichwohl eine ſehr gute vorbereitung iſt zu mehrerem/ und auffs
wenigſte wo der ſtand einer ſolchen gemeinde verglichen wird mit einer an-
dern/ in welcher ſolche wahrheit nicht getreulich getrieben/ ſondern die ſicher-
heit auch durch die lehr ſelbs geſtifftet wird/ derſelbe gar erwuͤnſcht zu achten
iſt. Hiezu kom̃t/ daß hingegen auch in den predigten die laſter ernſtl. geſtrafft/

und
l l 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f1069" n="269"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC.</hi> VI. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXIV.</hi> </hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XXIV.</hi></hi><lb/>
Ob und wie dem u&#x0364;bel/ in welchem un&#x017F;ere kirche &#x017F;te-<lb/>
het/ daß viele unwu&#x0364;rdige zu der Heil. Communion gela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden/ zu helffen &#x017F;eye/ &#x017F;onderlich ob &#x017F;olches wu&#x0364;rde ge&#x017F;chehen/ durch<lb/>
ab&#x017F;onderung von &#x017F;olcher gemeinde/ oder ob man annoch bey<lb/>
&#x017F;olchem dien&#x017F;t in die&#x017F;er unordnung bleiben<lb/>
mag?</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">H</hi>Jerauff zu antworten/ &#x017F;ind er&#x017F;tlich einige <hi rendition="#aq">præ&#x017F;uppo&#x017F;ita</hi> zu <hi rendition="#aq">&#x017F;tatui</hi>ren/<lb/>
und zu befe&#x017F;tigen. Deren das er&#x017F;te i&#x017F;t/ daß in gegenwa&#x0364;rtigem &#x017F;tand<lb/>
un&#x017F;eres kirchen-amts annoch/ wo wir uns der gnade und der gelegen-<lb/>
heit/ &#x017F;o viel uns GOtt jetzo noch gibet und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ recht gebrauchen/ viel gu-<lb/>
tes ausgerichtet werden kan. Dann &#x017F;olte die&#x017F;es &#x017F;eyn/ daß nichts gutes mehr<lb/>
ausgerichtet werden ko&#x0364;nte/ &#x017F;o wa&#x0364;re kein zweiffel/ daß wir &#x017F;olche un&#x017F;ere dien&#x017F;te<lb/>
&#x017F;o bald quittiren mu&#x0364;&#x017F;ten. Wo wir aber die &#x017F;ache auch noch in die&#x017F;em verderb-<lb/>
te&#x017F;ten zu&#x017F;tand erwegen/ werden wir finden/ daß durch GOttes &#x017F;egen von<lb/>
treuen lehrern gleichwohl etwas fruchtbarlichs noch ausgerichtet werden<lb/>
kan/ und ausgerichtet wird. <hi rendition="#aq">I.</hi> Jn der predigt und o&#x0364;ffentlichen <hi rendition="#aq">&#x017F;ermonen</hi><lb/>
ko&#x0364;nnen wir nach der gnade GOttes/ die uns gegeben wird/ de&#x017F;&#x017F;elben wort<lb/>
treulich und kra&#x0364;fftig der gemeinde vortragen/ &#x017F;ie von dem weg ihrer &#x017F;eligkeit<lb/>
al&#x017F;o unterrichten/ daß &#x017F;ie mit wahrheit &#x017F;ich dermahleins nicht ent&#x017F;chuldigen<lb/>
ko&#x0364;nnen/ daß ihnen &#x017F;olcher weg nicht gewie&#x017F;en worden wa&#x0364;re; die jenige aber<lb/>
&#x017F;o begierig &#x017F;ind/ den&#x017F;elben zu gehen/ davon ihren behuff haben ko&#x0364;nnen. Nun<lb/>
ob wol gern ge&#x017F;tehe/ daß die&#x017F;es die &#x017F;ache die men&#x017F;chen zur &#x017F;eligkeit zu bringen/<lb/>
noch nicht ausmache/ &#x017F;o i&#x017F;t gleichwohl nicht zu leugnen/ daß es das er&#x017F;te und<lb/>
nothwendige <hi rendition="#aq">fundament</hi> lege/ und wird al&#x017F;o durch diejenige nicht vergebens<lb/>
gearbeitet/ welche ihre zuho&#x0364;rer zimlicher ma&#x017F;&#x017F;en in ihren hertzen u&#x0364;berzeugen/<lb/>
durch die krafft go&#x0364;ttlichen worts/ was der wille des HErrn an &#x017F;ie &#x017F;eye/ was<lb/>
die mittel oder auch die hindernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihres heils &#x017F;eyen/ und die vermahnung<lb/>
immer fort&#x017F;etzen/ indem die erfahrung bezeuget/ wie mit &#x017F;ta&#x0364;ter anhaltung &#x017F;ol-<lb/>
cher lehr durch die zeit endlich zuwege gebracht wird/ daß die mei&#x017F;ten einer ge-<lb/>
meinde anfangen zu glauben und zu bekennen/ was zu dem Chri&#x017F;tenthum er-<lb/>
fordert werde: welches ob es wohl wiederum die &#x017F;ache noch nicht aus-<lb/>
macht/ gleichwohl eine &#x017F;ehr gute vorbereitung i&#x017F;t zu mehrerem/ und auffs<lb/>
wenig&#x017F;te wo der &#x017F;tand einer &#x017F;olchen gemeinde verglichen wird mit einer an-<lb/>
dern/ in welcher &#x017F;olche wahrheit nicht getreulich getrieben/ &#x017F;ondern die &#x017F;icher-<lb/>
heit auch durch die lehr &#x017F;elbs ge&#x017F;tifftet wird/ der&#x017F;elbe gar erwu&#x0364;n&#x017F;cht zu achten<lb/>
i&#x017F;t. Hiezu kom&#x0303;t/ daß hingegen auch in den predigten die la&#x017F;ter ern&#x017F;tl. ge&#x017F;trafft/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">l l 3</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/1069] ARTIC. VI. SECTIO XXIV. SECTIO XXIV. Ob und wie dem uͤbel/ in welchem unſere kirche ſte- het/ daß viele unwuͤrdige zu der Heil. Communion gelaſſen werden/ zu helffen ſeye/ ſonderlich ob ſolches wuͤrde geſchehen/ durch abſonderung von ſolcher gemeinde/ oder ob man annoch bey ſolchem dienſt in dieſer unordnung bleiben mag? HJerauff zu antworten/ ſind erſtlich einige præſuppoſita zu ſtatuiren/ und zu befeſtigen. Deren das erſte iſt/ daß in gegenwaͤrtigem ſtand unſeres kirchen-amts annoch/ wo wir uns der gnade und der gelegen- heit/ ſo viel uns GOtt jetzo noch gibet und laͤſſet/ recht gebrauchen/ viel gu- tes ausgerichtet werden kan. Dann ſolte dieſes ſeyn/ daß nichts gutes mehr ausgerichtet werden koͤnte/ ſo waͤre kein zweiffel/ daß wir ſolche unſere dienſte ſo bald quittiren muͤſten. Wo wir aber die ſache auch noch in dieſem verderb- teſten zuſtand erwegen/ werden wir finden/ daß durch GOttes ſegen von treuen lehrern gleichwohl etwas fruchtbarlichs noch ausgerichtet werden kan/ und ausgerichtet wird. I. Jn der predigt und oͤffentlichen ſermonen koͤnnen wir nach der gnade GOttes/ die uns gegeben wird/ deſſelben wort treulich und kraͤfftig der gemeinde vortragen/ ſie von dem weg ihrer ſeligkeit alſo unterrichten/ daß ſie mit wahrheit ſich dermahleins nicht entſchuldigen koͤnnen/ daß ihnen ſolcher weg nicht gewieſen worden waͤre; die jenige aber ſo begierig ſind/ denſelben zu gehen/ davon ihren behuff haben koͤnnen. Nun ob wol gern geſtehe/ daß dieſes die ſache die menſchen zur ſeligkeit zu bringen/ noch nicht ausmache/ ſo iſt gleichwohl nicht zu leugnen/ daß es das erſte und nothwendige fundament lege/ und wird alſo durch diejenige nicht vergebens gearbeitet/ welche ihre zuhoͤrer zimlicher maſſen in ihren hertzen uͤberzeugen/ durch die krafft goͤttlichen worts/ was der wille des HErrn an ſie ſeye/ was die mittel oder auch die hindernuͤſſen ihres heils ſeyen/ und die vermahnung immer fortſetzen/ indem die erfahrung bezeuget/ wie mit ſtaͤter anhaltung ſol- cher lehr durch die zeit endlich zuwege gebracht wird/ daß die meiſten einer ge- meinde anfangen zu glauben und zu bekennen/ was zu dem Chriſtenthum er- fordert werde: welches ob es wohl wiederum die ſache noch nicht aus- macht/ gleichwohl eine ſehr gute vorbereitung iſt zu mehrerem/ und auffs wenigſte wo der ſtand einer ſolchen gemeinde verglichen wird mit einer an- dern/ in welcher ſolche wahrheit nicht getreulich getrieben/ ſondern die ſicher- heit auch durch die lehr ſelbs geſtifftet wird/ derſelbe gar erwuͤnſcht zu achten iſt. Hiezu kom̃t/ daß hingegen auch in den predigten die laſter ernſtl. geſtrafft/ und l l 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1069
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1069>, abgerufen am 24.11.2024.