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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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und auch diejenige gemüther/ welche sich zu dem rechtschaffenen wesen in Chri-
sto nicht führen lassen/ auffs wenigste dahin gebracht werden/ daß sie etwas ih-
rer gröbern laster ablegen. Da aber in Gottes grosser haußhaltung nicht nur
damit gutes gethan wird/ wo seine kinder recht versorgt werden/ welches
zwahr freylich das vornehmste/ sondern wo auch das gesind etwas in ordnung
gebracht wird. Wie wir also der weltlichen obrigkeit amt hoch halten und
billich halten sollen/ wo sie nur eusserliche zucht und ehrbarkeit auch unter hey-
den erhält/ so ist auch nicht gar nichts gethan/ wo ein theil unsers amts eben
dasselbige bey solchen leuten ausrichtete. Wir können aber und müssen
freylich weiter gehen/ auch hoffnung haben/ daß GOtt die arbeit zu weite-
rem segnen werde: Und geben es die exempel/ daß einige verrucht geweste leut/
durch ein und andere ernstliche predigten erstlich zu einer forcht/ dadurch zu
ablegung offenbarer sünden gebracht/ und damit vollends vorbereitet worden/
daß sie folglich durch übrige privat-mittel zu einem guten Christenthum ge-
kommen sind. Ferner wo den leuten treulich gezeiget wird/ was es mit ih-
rem vermeinten Christenthum vor eine bewandnüß habe/ mit ihrem opere
operato/
eingebildeten glauben und dergleichen/ so kan vielen erstlich zwahr
ihre sicherheit verstöret/ damit aber erlangt werden/ daß einige/ wo noch eine
sorge der seeligkeit ist/ zurecht gebracht werden. Also was das ärgernüß
anlangt so man sorgen muß aus admittirung der unwürdigen/ ist vieles des-
selben krafft benommen/ wo wir nicht nur offentlich klagen über die unord-
nung unserer kirchen/ sondern auch den leuten deutlich und offt reprae-
senti
ren/ daß sie alle solche mittel nicht nutzen möchten: Unsere absolution
seye niemahl anders als in der that conditionata, seye der glaube bey ihnen
(den sie an seinen früchten und wercken zu prüffen) so nutze sie dieselbe/ wo
nicht/ so würden sie in den sünden nur mehr verstricket/ also wäre aller trost/
den sie darauff setzten/ gantz vergebens/ wo sie nicht in dem stand der gläubi-
gen stünden: Gleiches seye auch mit der communion/ die uns abgestohlen
oder abgezwungen würde/ nachdem wir in gegenwärtigem stande grösser übel
der kirchen zu verhüten noch nicht widerstehen könten/ sie aber treulich vor
ihrem schaden warnen wolten. Gehen sie darüber zu grunde/ so ist das
blut auff ihrem kopff: Wir habens ihnen gesagt/ ob wir wohl sie noch nicht
haben abhalten können. Es kommt noch dazu/ daß auch/ wo die privat-
absoluti
on gewöhnlich/ durch gelegenheit des dabey thuenden zuspruchs um
die zeit/ wo die jenige/ bey welchen noch das wenigste gute übrig/ sich etlicher
massen zu schicken gedacht haben/ und also in solcher stunde etwas in ihre her-
tzen tieffer gedrucket werden kan/ etwas beförderung geschehen mag zu eini-
gem guten. Daß also durch unsern öffentlichen kirchen-dienst annoch dieses
gute erhalten wird. 1. Die gantz ruchlose mögen in einig ehrbar leben ge-

bracht

Das andere Capitel.
und auch diejenige gemuͤther/ welche ſich zu dem rechtſchaffenen weſen in Chꝛi-
ſto nicht fuͤhren laſſen/ auffs wenigſte dahin gebꝛacht werden/ daß ſie etwas ih-
rer groͤbern laſter ablegen. Da aber in Gottes groſſer haußhaltung nicht nur
damit gutes gethan wird/ wo ſeine kinder recht verſorgt werden/ welches
zwahr freylich das vornehmſte/ ſondern wo auch das geſind etwas in ordnung
gebracht wird. Wie wir alſo der weltlichen obrigkeit amt hoch halten und
billich halten ſollen/ wo ſie nur euſſerliche zucht und ehrbarkeit auch unter hey-
den erhaͤlt/ ſo iſt auch nicht gar nichts gethan/ wo ein theil unſers amts eben
daſſelbige bey ſolchen leuten ausrichtete. Wir koͤnnen aber und muͤſſen
freylich weiter gehen/ auch hoffnung haben/ daß GOtt die arbeit zu weite-
rem ſegnen werde: Und geben es die exempel/ daß einige verrucht geweſte leut/
durch ein und andere ernſtliche predigten erſtlich zu einer forcht/ dadurch zu
ablegung offenbarer ſuͤnden gebracht/ uñ damit vollends vorbereitet worden/
daß ſie folglich durch uͤbrige privat-mittel zu einem guten Chriſtenthum ge-
kommen ſind. Ferner wo den leuten treulich gezeiget wird/ was es mit ih-
rem vermeinten Chriſtenthum vor eine bewandnuͤß habe/ mit ihrem opere
operato/
eingebildeten glauben und dergleichen/ ſo kan vielen erſtlich zwahr
ihre ſicherheit verſtoͤret/ damit aber erlangt werden/ daß einige/ wo noch eine
ſorge der ſeeligkeit iſt/ zurecht gebracht werden. Alſo was das aͤrgernuͤß
anlangt ſo man ſorgen muß aus admittirung der unwuͤrdigen/ iſt vieles deſ-
ſelben krafft benommen/ wo wir nicht nur offentlich klagen uͤber die unord-
nung unſerer kirchen/ ſondern auch den leuten deutlich und offt repræ-
ſenti
ren/ daß ſie alle ſolche mittel nicht nutzen moͤchten: Unſere abſolution
ſeye niemahl anders als in der that conditionata, ſeye der glaube bey ihnen
(den ſie an ſeinen fruͤchten und wercken zu pruͤffen) ſo nutze ſie dieſelbe/ wo
nicht/ ſo wuͤrden ſie in den ſuͤnden nur mehr verſtricket/ alſo waͤre aller troſt/
den ſie darauff ſetzten/ gantz vergebens/ wo ſie nicht in dem ſtand der glaͤubi-
gen ſtuͤnden: Gleiches ſeye auch mit der communion/ die uns abgeſtohlen
oder abgezwungen wuͤrde/ nachdem wir in gegenwaͤrtigem ſtande groͤſſer uͤbel
der kirchen zu verhuͤten noch nicht widerſtehen koͤnten/ ſie aber treulich vor
ihrem ſchaden warnen wolten. Gehen ſie daruͤber zu grunde/ ſo iſt das
blut auff ihrem kopff: Wir habens ihnen geſagt/ ob wir wohl ſie noch nicht
haben abhalten koͤnnen. Es kommt noch dazu/ daß auch/ wo die privat-
abſoluti
on gewoͤhnlich/ durch gelegenheit des dabey thuenden zuſpruchs um
die zeit/ wo die jenige/ bey welchen noch das wenigſte gute uͤbrig/ ſich etlicher
maſſen zu ſchicken gedacht haben/ und alſo in ſolcher ſtunde etwas in ihre her-
tzen tieffer gedrucket werden kan/ etwas befoͤrderung geſchehen mag zu eini-
gem guten. Daß alſo durch unſern oͤffentlichen kirchen-dienſt annoch dieſes
gute erhalten wird. 1. Die gantz ruchloſe moͤgen in einig ehrbar leben ge-

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[270/1070] Das andere Capitel. und auch diejenige gemuͤther/ welche ſich zu dem rechtſchaffenen weſen in Chꝛi- ſto nicht fuͤhren laſſen/ auffs wenigſte dahin gebꝛacht werden/ daß ſie etwas ih- rer groͤbern laſter ablegen. Da aber in Gottes groſſer haußhaltung nicht nur damit gutes gethan wird/ wo ſeine kinder recht verſorgt werden/ welches zwahr freylich das vornehmſte/ ſondern wo auch das geſind etwas in ordnung gebracht wird. Wie wir alſo der weltlichen obrigkeit amt hoch halten und billich halten ſollen/ wo ſie nur euſſerliche zucht und ehrbarkeit auch unter hey- den erhaͤlt/ ſo iſt auch nicht gar nichts gethan/ wo ein theil unſers amts eben daſſelbige bey ſolchen leuten ausrichtete. Wir koͤnnen aber und muͤſſen freylich weiter gehen/ auch hoffnung haben/ daß GOtt die arbeit zu weite- rem ſegnen werde: Und geben es die exempel/ daß einige verrucht geweſte leut/ durch ein und andere ernſtliche predigten erſtlich zu einer forcht/ dadurch zu ablegung offenbarer ſuͤnden gebracht/ uñ damit vollends vorbereitet worden/ daß ſie folglich durch uͤbrige privat-mittel zu einem guten Chriſtenthum ge- kommen ſind. Ferner wo den leuten treulich gezeiget wird/ was es mit ih- rem vermeinten Chriſtenthum vor eine bewandnuͤß habe/ mit ihrem opere operato/ eingebildeten glauben und dergleichen/ ſo kan vielen erſtlich zwahr ihre ſicherheit verſtoͤret/ damit aber erlangt werden/ daß einige/ wo noch eine ſorge der ſeeligkeit iſt/ zurecht gebracht werden. Alſo was das aͤrgernuͤß anlangt ſo man ſorgen muß aus admittirung der unwuͤrdigen/ iſt vieles deſ- ſelben krafft benommen/ wo wir nicht nur offentlich klagen uͤber die unord- nung unſerer kirchen/ ſondern auch den leuten deutlich und offt repræ- ſentiren/ daß ſie alle ſolche mittel nicht nutzen moͤchten: Unſere abſolution ſeye niemahl anders als in der that conditionata, ſeye der glaube bey ihnen (den ſie an ſeinen fruͤchten und wercken zu pruͤffen) ſo nutze ſie dieſelbe/ wo nicht/ ſo wuͤrden ſie in den ſuͤnden nur mehr verſtricket/ alſo waͤre aller troſt/ den ſie darauff ſetzten/ gantz vergebens/ wo ſie nicht in dem ſtand der glaͤubi- gen ſtuͤnden: Gleiches ſeye auch mit der communion/ die uns abgeſtohlen oder abgezwungen wuͤrde/ nachdem wir in gegenwaͤrtigem ſtande groͤſſer uͤbel der kirchen zu verhuͤten noch nicht widerſtehen koͤnten/ ſie aber treulich vor ihrem ſchaden warnen wolten. Gehen ſie daruͤber zu grunde/ ſo iſt das blut auff ihrem kopff: Wir habens ihnen geſagt/ ob wir wohl ſie noch nicht haben abhalten koͤnnen. Es kommt noch dazu/ daß auch/ wo die privat- abſolution gewoͤhnlich/ durch gelegenheit des dabey thuenden zuſpruchs um die zeit/ wo die jenige/ bey welchen noch das wenigſte gute uͤbrig/ ſich etlicher maſſen zu ſchicken gedacht haben/ und alſo in ſolcher ſtunde etwas in ihre her- tzen tieffer gedrucket werden kan/ etwas befoͤrderung geſchehen mag zu eini- gem guten. Daß alſo durch unſern oͤffentlichen kirchen-dienſt annoch dieſes gute erhalten wird. 1. Die gantz ruchloſe moͤgen in einig ehrbar leben ge- bracht

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1070>, abgerufen am 24.11.2024.