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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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solle. Nechst deme muß auch fleißig darauff gesehen werden/ daß unter collegis
aus solcher sache kein mißverstand und streit/ so dann bey der übrigen gemein-
de kein ärgerniß entstehe. Jenes kan verhütet werden/ da sich collegae in der
furcht des HErrn dessen unter einander vergleichen/ und aller orten bey der ge-
meinde bezeugen/ wie sie daraus keinen verdruß untereinander schöpffen/ wie es
denn gewiß bey gemüthern die nicht daß ihrige sondern was GOttes ist/ suchen/
so schwehr nicht seyn wird/ sich dessen untereinander zu vereinigen: dann warum
solte ich verlangen/ daß einige an meinen dienst sich binden müsten/ die wegen
mehrern vertrauen zu einem andern von diesem mehr erbauung haben könten?
So dann läugne ich nicht/ daß dabey ebenfals zu verhüten seye/ daß die arbeit
eines orts nicht alle auf einen falle/ und ihn zu hart drucke/ worinnen man zu se-
hen hat/ wie man mit liebe die leute mehr zu einer eigenen austheilung bewege/
als mit einem zwang constringire. Wo aber einige ordnungen bereits gemacht
sind/ und sich nicht eben sehr wichtige in convenientia daraus hervor thun/ so
lässet man es auch also bewenden: sonderlich da man sorgen muß/ daß eine
neuerung mehr zerruttung geben möchte. Jedoch versichere mich/ daß wo die
oben recommendirte freyheit platz hat/ vielen difficulteten am leichtesten durch
dieselbe abgeholffen würde. Daher auffs wenigste so viel müglich wäre/ und
ohne notable brechung der eingeführten ordnung geschehen kan/ in sich begebenden
zweiffelfällen mehr auff solche freyheit als dero einschränckung zu incliniren
seyn würde. 2. Wo nun dieses orts solche freyheit wäre/ würde es diese be-
schwerde nicht geben/ welche in diesem casu sich jetzt findet/ sondern würden die
person ohne noth zu haben/ daß sie die ursach anzeigen müsten/ sondern al-
lein ihre anmnth zu den andern zu bezeigen gnug wäre/ sich zu dem andern ver-
fügen/ und könte der vorige beichtvater ohne einige seine beschimpffung dabey be-
ruhen. 3. Weil aber hier eine ursach ist/ welche mehr an sich selbs als die fol-
gende abtretung den vorigen beichtvater graviret/ sonderlich da die ursach auch
unter mehrern ausgebreitet worden (daran zwar jene leut unrecht gethan hätten)
so sehe nicht/ daß ohne eine mehrere untersuchung/ der sache wol abzuhelffen
seye. 4. Jch achtete also das beste zu seyn/ daß der collega, welchen die leute
zum beichtvater ersuchen/ den vorigen darüber brüderlich bespreche/ und was zwi-
schen ihm und denselben vorgegangen von ihm vernehme/ welcher auch sich zu
solcher sache nicht schwehr zu machen hat/ oder daß es noch weiter gesucht wür-
de (so doch nicht zurathen) zugeben muß. Wo nun sichs in der that also finden sol-
te/ daß aus der beicht geschwätzet worden/ so thäte der pfarrherr wol/ er machte
selbs nicht viel wesens darüber/ sondern wäre wol zu frieden/ daß die sache nicht
weiter komme. Dann solte er gefährlich solches ausgetragen haben und es kä-
me an eine höhere erkantnis/ es dörffte eine ernstliche ordnung drauff erfolgen/
welche er auch wol verdienet hätte/ wäre es auch nur aus unvorsichtigkeit und

unbe-

Das andere Capitel.
ſolle. Nechſt deme muß auch fleißig darauff geſehen werden/ daß unter collegis
aus ſolcher ſache kein mißverſtand und ſtreit/ ſo dann bey der uͤbrigen gemein-
de kein aͤrgerniß entſtehe. Jenes kan verhuͤtet werden/ da ſich collegæ in der
furcht des HErrn deſſen unter einander vergleichen/ und aller orten bey der ge-
meinde bezeugen/ wie ſie daraus keinen verdruß untereinander ſchoͤpffen/ wie es
denn gewiß bey gemuͤthern die nicht daß ihrige ſondern was GOttes iſt/ ſuchen/
ſo ſchwehr nicht ſeyn wird/ ſich deſſen untereinander zu vereinigen: dann warum
ſolte ich verlangen/ daß einige an meinen dienſt ſich binden muͤſten/ die wegen
mehrern vertrauen zu einem andern von dieſem mehr erbauung haben koͤnten?
So dann laͤugne ich nicht/ daß dabey ebenfals zu verhuͤten ſeye/ daß die arbeit
eines orts nicht alle auf einen falle/ und ihn zu hart drucke/ worinnen man zu ſe-
hen hat/ wie man mit liebe die leute mehr zu einer eigenen austheilung bewege/
als mit einem zwang conſtringire. Wo aber einige ordnungen bereits gemacht
ſind/ und ſich nicht eben ſehr wichtige in convenientia daraus hervor thun/ ſo
laͤſſet man es auch alſo bewenden: ſonderlich da man ſorgen muß/ daß eine
neuerung mehr zerruttung geben moͤchte. Jedoch verſichere mich/ daß wo die
oben recommendirte freyheit platz hat/ vielen difficulteten am leichteſten durch
dieſelbe abgeholffen wuͤrde. Daher auffs wenigſte ſo viel muͤglich waͤre/ und
ohne notable brechung der eingefuͤhrten ordnung geſchehen kan/ in ſich begebenden
zweiffelfaͤllen mehr auff ſolche freyheit als dero einſchraͤnckung zu incliniren
ſeyn wuͤrde. 2. Wo nun dieſes orts ſolche freyheit waͤre/ wuͤrde es dieſe be-
ſchwerde nicht geben/ welche in dieſem caſu ſich jetzt findet/ ſondern wuͤrden die
perſon ohne noth zu haben/ daß ſie die urſach anzeigen muͤſten/ ſondern al-
lein ihre anmnth zu den andern zu bezeigen gnug waͤre/ ſich zu dem andern ver-
fuͤgen/ und koͤnte der vorige beichtvater ohne einige ſeine beſchimpffung dabey be-
ruhen. 3. Weil aber hier eine urſach iſt/ welche mehr an ſich ſelbs als die fol-
gende abtretung den vorigen beichtvater graviret/ ſonderlich da die urſach auch
unter mehrern ausgebreitet worden (daran zwar jene leut unrecht gethan haͤtten)
ſo ſehe nicht/ daß ohne eine mehrere unterſuchung/ der ſache wol abzuhelffen
ſeye. 4. Jch achtete alſo das beſte zu ſeyn/ daß der collega, welchen die leute
zum beichtvater erſuchen/ den vorigen daruͤber bruͤderlich beſpreche/ und was zwi-
ſchen ihm und denſelben vorgegangen von ihm vernehme/ welcher auch ſich zu
ſolcher ſache nicht ſchwehr zu machen hat/ oder daß es noch weiter geſucht wuͤr-
de (ſo doch nicht zurathen) zugeben muß. Wo nun ſichs in der that alſo finden ſol-
te/ daß aus der beicht geſchwaͤtzet worden/ ſo thaͤte der pfarrherr wol/ er machte
ſelbs nicht viel weſens daruͤber/ ſondern waͤre wol zu frieden/ daß die ſache nicht
weiter komme. Dann ſolte er gefaͤhrlich ſolches ausgetragen haben und es kaͤ-
me an eine hoͤhere erkantnis/ es doͤrffte eine ernſtliche ordnung drauff erfolgen/
welche er auch wol verdienet haͤtte/ waͤre es auch nur aus unvorſichtigkeit und

unbe-
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[308/1108] Das andere Capitel. ſolle. Nechſt deme muß auch fleißig darauff geſehen werden/ daß unter collegis aus ſolcher ſache kein mißverſtand und ſtreit/ ſo dann bey der uͤbrigen gemein- de kein aͤrgerniß entſtehe. Jenes kan verhuͤtet werden/ da ſich collegæ in der furcht des HErrn deſſen unter einander vergleichen/ und aller orten bey der ge- meinde bezeugen/ wie ſie daraus keinen verdruß untereinander ſchoͤpffen/ wie es denn gewiß bey gemuͤthern die nicht daß ihrige ſondern was GOttes iſt/ ſuchen/ ſo ſchwehr nicht ſeyn wird/ ſich deſſen untereinander zu vereinigen: dann warum ſolte ich verlangen/ daß einige an meinen dienſt ſich binden muͤſten/ die wegen mehrern vertrauen zu einem andern von dieſem mehr erbauung haben koͤnten? So dann laͤugne ich nicht/ daß dabey ebenfals zu verhuͤten ſeye/ daß die arbeit eines orts nicht alle auf einen falle/ und ihn zu hart drucke/ worinnen man zu ſe- hen hat/ wie man mit liebe die leute mehr zu einer eigenen austheilung bewege/ als mit einem zwang conſtringire. Wo aber einige ordnungen bereits gemacht ſind/ und ſich nicht eben ſehr wichtige in convenientia daraus hervor thun/ ſo laͤſſet man es auch alſo bewenden: ſonderlich da man ſorgen muß/ daß eine neuerung mehr zerruttung geben moͤchte. Jedoch verſichere mich/ daß wo die oben recommendirte freyheit platz hat/ vielen difficulteten am leichteſten durch dieſelbe abgeholffen wuͤrde. Daher auffs wenigſte ſo viel muͤglich waͤre/ und ohne notable brechung der eingefuͤhrten ordnung geſchehen kan/ in ſich begebenden zweiffelfaͤllen mehr auff ſolche freyheit als dero einſchraͤnckung zu incliniren ſeyn wuͤrde. 2. Wo nun dieſes orts ſolche freyheit waͤre/ wuͤrde es dieſe be- ſchwerde nicht geben/ welche in dieſem caſu ſich jetzt findet/ ſondern wuͤrden die perſon ohne noth zu haben/ daß ſie die urſach anzeigen muͤſten/ ſondern al- lein ihre anmnth zu den andern zu bezeigen gnug waͤre/ ſich zu dem andern ver- fuͤgen/ und koͤnte der vorige beichtvater ohne einige ſeine beſchimpffung dabey be- ruhen. 3. Weil aber hier eine urſach iſt/ welche mehr an ſich ſelbs als die fol- gende abtretung den vorigen beichtvater graviret/ ſonderlich da die urſach auch unter mehrern ausgebreitet worden (daran zwar jene leut unrecht gethan haͤtten) ſo ſehe nicht/ daß ohne eine mehrere unterſuchung/ der ſache wol abzuhelffen ſeye. 4. Jch achtete alſo das beſte zu ſeyn/ daß der collega, welchen die leute zum beichtvater erſuchen/ den vorigen daruͤber bruͤderlich beſpreche/ und was zwi- ſchen ihm und denſelben vorgegangen von ihm vernehme/ welcher auch ſich zu ſolcher ſache nicht ſchwehr zu machen hat/ oder daß es noch weiter geſucht wuͤr- de (ſo doch nicht zurathen) zugeben muß. Wo nun ſichs in der that alſo finden ſol- te/ daß aus der beicht geſchwaͤtzet worden/ ſo thaͤte der pfarrherr wol/ er machte ſelbs nicht viel weſens daruͤber/ ſondern waͤre wol zu frieden/ daß die ſache nicht weiter komme. Dann ſolte er gefaͤhrlich ſolches ausgetragen haben und es kaͤ- me an eine hoͤhere erkantnis/ es doͤrffte eine ernſtliche ordnung drauff erfolgen/ welche er auch wol verdienet haͤtte/ waͤre es auch nur aus unvorſichtigkeit und unbe-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1108>, abgerufen am 21.11.2024.