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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XV.
SECTIO XV.
Examen
des Pater Dez tractats von der wieder-
vereinigung der Römischen und Protestirenden kirchen/ die er
aus der Augsp. Confession bestätigen wollen. Darinn insge-
mein die mit dem Pabstum im schwang gehende strei-
tigkeiten vorkommen.
Jn JEsu Nahmen. Amen.

ES hat des P. Dez tractat von der wiedervereinigung der Römi-
schen und
Protestirenden kirchen einen zimlichen schein/ wo er von
denjenigen gelesen wird/ welche des wahren grundes nicht kundig sind/
oder ihren glauben auff diejenige art nicht gefasset haben/ wie sie ihn fassen
solten. Denn was diejenige anlangt/ welche der Evangelischen lehr des-
wegen anhangen/ weil sie dabey gebohren und erzogen/ weil sie darinnen von
eltern und Praeceptoribus, die sie als Christl. und fromme leute erkant haben/
unterrichtet worden seyen/ und also in guter meinung stehen/ es werde ja un-
sre Evangelische kirche nichts unrechts lehren/ weil sie ihren glauben nicht
recht gründen (denn derselbe muß sich alleine gründen auff das göttl. wort/
aus dem man in krafft des Heil. Geistes von den Evangelischen wahrheiten
überzeuget seye) mögen sie leicht durch dergleichen scheinbare vorstellungen
über wunden werden/ nicht aus schuld unsrer wahrheit/ sondern weil dieselbe
niemal gründlich in ihre seelen eingetrucket worden ist: und wo man auff das
eusserliche/ und was in der menschl. vernunfft augen fället/ sehen will/ frey-
lich die Römische vor unsrer Evangelischen kirche viele scheinbare vorzüge
hat. Hierinnen hat sich nun P. Dez als einen meister erwiesen/ daher auch
sein buch solche gemüther/ die nicht in der wahrheit gegründet/ leicht wan-
cken oder fallen machen kan. Dazu kommet auch/ daß er wider die gewohn-
heit seiner societät den stylum moderiret/ und sich der anzüglichen wort mehr
als andre enthalten/ aber damit gemachet hat/ daß sein buch mit desto mehr
anmuth gelesen werde/ hingegen eben desto eher die gemüther einnehmen
kan. Jndessen wo gleichwol alles tieffer eingesehen wird/ hat sein vorgeben
den unbeweglichen grund nicht/ welchen er demselben zuschreibet/ ja bringet
in der that nichts neues/ was nicht andre berichtet hätten/ ohne daß seine
methode und ordnung neu eingerichtet ist/ und uns lieber von der schrifft
abziehen wolte auff die Augspurgische Confession, aus dero er nach seinen
Principiis, weil seine parthey stets erfahren/ daß sie aus der schrifft mit uns
nichts ausrichtet/ sondern allemal den kürtzern gezogen hat/ eher mit uns zu-
recht zu kommen getrauet/ und auch wo wir uns von dem haupt-grund der
schrifft abziehen liessen/ in der that eher etwas erhalten möchte. Uns aber

ligt
SECTIO XV.
SECTIO XV.
Examen
des Pater Dez tractats von der wieder-
vereinigung der Roͤmiſchen und Proteſtirenden kirchen/ die er
aus der Augſp. Confeſſion beſtaͤtigen wollen. Darinn insge-
mein die mit dem Pabſtum im ſchwang gehende ſtrei-
tigkeiten vorkommen.
Jn JEſu Nahmen. Amen.

ES hat des P. Dez tractat von der wiedervereinigung der Roͤmi-
ſchen und
Proteſtirenden kirchen einen zimlichen ſchein/ wo er von
denjenigen geleſen wird/ welche des wahren grundes nicht kundig ſind/
oder ihren glauben auff diejenige art nicht gefaſſet haben/ wie ſie ihn faſſen
ſolten. Denn was diejenige anlangt/ welche der Evangeliſchen lehr des-
wegen anhangen/ weil ſie dabey gebohren und erzogen/ weil ſie darinnen von
eltern und Præceptoribus, die ſie als Chriſtl. und fromme leute erkant haben/
unterrichtet worden ſeyen/ und alſo in guter meinung ſtehen/ es werde ja un-
ſre Evangeliſche kirche nichts unrechts lehren/ weil ſie ihren glauben nicht
recht gruͤnden (denn derſelbe muß ſich alleine gruͤnden auff das goͤttl. wort/
aus dem man in krafft des Heil. Geiſtes von den Evangeliſchen wahrheiten
uͤberzeuget ſeye) moͤgen ſie leicht durch dergleichen ſcheinbare vorſtellungen
uͤber wunden werden/ nicht aus ſchuld unſrer wahrheit/ ſondern weil dieſelbe
niemal gruͤndlich in ihre ſeelen eingetrucket worden iſt: und wo man auff das
euſſerliche/ und was in der menſchl. vernunfft augen faͤllet/ ſehen will/ frey-
lich die Roͤmiſche vor unſrer Evangeliſchen kirche viele ſcheinbare vorzuͤge
hat. Hierinnen hat ſich nun P. Dez als einen meiſter erwieſen/ daher auch
ſein buch ſolche gemuͤther/ die nicht in der wahrheit gegruͤndet/ leicht wan-
cken oder fallen machen kan. Dazu kommet auch/ daß er wider die gewohn-
heit ſeiner ſocietaͤt den ſtylum moderiret/ und ſich der anzuͤglichen wort mehr
als andre enthalten/ aber damit gemachet hat/ daß ſein buch mit deſto mehr
anmuth geleſen werde/ hingegen eben deſto eher die gemuͤther einnehmen
kan. Jndeſſen wo gleichwol alles tieffer eingeſehen wird/ hat ſein vorgeben
den unbeweglichen grund nicht/ welchen er demſelben zuſchreibet/ ja bringet
in der that nichts neues/ was nicht andre berichtet haͤtten/ ohne daß ſeine
methode und ordnung neu eingerichtet iſt/ und uns lieber von der ſchrifft
abziehen wolte auff die Augſpurgiſche Confeſſion, aus dero er nach ſeinen
Principiis, weil ſeine parthey ſtets erfahren/ daß ſie aus der ſchrifft mit uns
nichts ausrichtet/ ſondern allemal den kuͤrtzern gezogen hat/ eher mit uns zu-
recht zu kommen getrauet/ und auch wo wir uns von dem haupt-grund der
ſchrifft abziehen lieſſen/ in der that eher etwas erhalten moͤchte. Uns aber

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[95/0111] SECTIO XV. SECTIO XV. Examen des Pater Dez tractats von der wieder- vereinigung der Roͤmiſchen und Proteſtirenden kirchen/ die er aus der Augſp. Confeſſion beſtaͤtigen wollen. Darinn insge- mein die mit dem Pabſtum im ſchwang gehende ſtrei- tigkeiten vorkommen. Jn JEſu Nahmen. Amen. ES hat des P. Dez tractat von der wiedervereinigung der Roͤmi- ſchen und Proteſtirenden kirchen einen zimlichen ſchein/ wo er von denjenigen geleſen wird/ welche des wahren grundes nicht kundig ſind/ oder ihren glauben auff diejenige art nicht gefaſſet haben/ wie ſie ihn faſſen ſolten. Denn was diejenige anlangt/ welche der Evangeliſchen lehr des- wegen anhangen/ weil ſie dabey gebohren und erzogen/ weil ſie darinnen von eltern und Præceptoribus, die ſie als Chriſtl. und fromme leute erkant haben/ unterrichtet worden ſeyen/ und alſo in guter meinung ſtehen/ es werde ja un- ſre Evangeliſche kirche nichts unrechts lehren/ weil ſie ihren glauben nicht recht gruͤnden (denn derſelbe muß ſich alleine gruͤnden auff das goͤttl. wort/ aus dem man in krafft des Heil. Geiſtes von den Evangeliſchen wahrheiten uͤberzeuget ſeye) moͤgen ſie leicht durch dergleichen ſcheinbare vorſtellungen uͤber wunden werden/ nicht aus ſchuld unſrer wahrheit/ ſondern weil dieſelbe niemal gruͤndlich in ihre ſeelen eingetrucket worden iſt: und wo man auff das euſſerliche/ und was in der menſchl. vernunfft augen faͤllet/ ſehen will/ frey- lich die Roͤmiſche vor unſrer Evangeliſchen kirche viele ſcheinbare vorzuͤge hat. Hierinnen hat ſich nun P. Dez als einen meiſter erwieſen/ daher auch ſein buch ſolche gemuͤther/ die nicht in der wahrheit gegruͤndet/ leicht wan- cken oder fallen machen kan. Dazu kommet auch/ daß er wider die gewohn- heit ſeiner ſocietaͤt den ſtylum moderiret/ und ſich der anzuͤglichen wort mehr als andre enthalten/ aber damit gemachet hat/ daß ſein buch mit deſto mehr anmuth geleſen werde/ hingegen eben deſto eher die gemuͤther einnehmen kan. Jndeſſen wo gleichwol alles tieffer eingeſehen wird/ hat ſein vorgeben den unbeweglichen grund nicht/ welchen er demſelben zuſchreibet/ ja bringet in der that nichts neues/ was nicht andre berichtet haͤtten/ ohne daß ſeine methode und ordnung neu eingerichtet iſt/ und uns lieber von der ſchrifft abziehen wolte auff die Augſpurgiſche Confeſſion, aus dero er nach ſeinen Principiis, weil ſeine parthey ſtets erfahren/ daß ſie aus der ſchrifft mit uns nichts ausrichtet/ ſondern allemal den kuͤrtzern gezogen hat/ eher mit uns zu- recht zu kommen getrauet/ und auch wo wir uns von dem haupt-grund der ſchrifft abziehen lieſſen/ in der that eher etwas erhalten moͤchte. Uns aber ligt

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/111>, abgerufen am 27.11.2024.