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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
ligt ob/ auff keinerley weise directe oder indirecte, uns von unserm haupt-
fundament, der schrifft/ abziehen zu lassen/ wir werden auch alsdenn am si-
chersten stehen/ wenn wir dabey allein fest halten/ und unsre Augspurgische
Confession in dem werth bleiben lassen/ der ihr als einer menschlichen bekänt-
nüß bleibet/ aber dem widersacher den vortheil nicht gönnen/ den disputat
von der schrifft hauptsächlich auff dieselbe ziehen zu lassen.

Wo nun kurtz zur versicherung des gewissens die nichtigkeit des gantzen
wercks des P. Dez zu zeigen ist/ so ist zu mercken.

I. Daß das haupt-fundament so er leget/ eben dasjenige seye/ was auch
stets alle übrige Papisten legen/ aber auch so offt von den unsrigen umgestos-
sen worden ist/ nemlich es seye die Römische heutige kirche dieeinige wahre
kirche/ und also die meisterin des glaubens. Er thut auch hierinnen so gar
unweißlich nicht/ daß er aller orten dieses hauptsächlich treibet: dann ist die-
ser punct bewiesen/ so bedarffs nachmal des übrigen disputats nicht/ sondern
wäre aller streit auff einmal als per compendium ausgemacht/ wie er sich
darauff beruffet p. 58. 90. 150. und anderswo/ hingegen wo sie in erweiß die-
ses articuls zurück bleiben/ und was sie anführen/ zu schwach befunden wird/
so fället auch ihr gantzes werck. Wie nun aber solcher satz zu seiner erweisung
vieles erfordert/ werden wir nach sleißiger untersuchung finden/ daß alles
was dazu angeführet wird/ viel zu schwach seye/ und das vorgeben nimmer-
mehr einem erwiesen werden könne/ der sich nicht mit dem blossen vorgeben
abspeisen lassen will.

Es muß zum fundament von ihm geleget werden/ daß die kirche Chri-
sti/ wie er p. 59. austrücklich vorgibet/ auff Petrum gegründet/ und die-
sem ein solcher vorzug von Christo gegeben seye über alle andre Apostel/ der
allgemeine hirt/ auff eine sonderbahre art/ als die andre Apostel nicht sind/
zu seyn/ solche gewalt auch seinen nachfolgern zu Rom biß an das ende der
welt zu überlassen. Aber nichts unter allen denen puncten ist er wiesen 1.
vor die person Petrikan nichts gezeiget werden/ daß derselben jemal solche
würde gegeben worden wäre. Der ort Matth. 16/ 18. wird vergebens an-
geführet/ und ist offt sattsam von den unsrigen erwiesen worden/ wie gegen-
theil so gar nicht in solchem spruch seine intention fundiren könne/ daß man
sich zu verwundern/ wie man sich immer damit wiedrum zu behelffen unter-
stehen dörffe. Es macht unser Heyland den austrücklichen unterscheid un-
ter Petro und unter dem felsen/ so zwahr in dem Frantzösischen ein nahmen
Pierre ist/ aber in andern und der grund-sprach sind die wort gantz different.
Und hat also der HErr seine kirche auff den felsen/ von dem Petrus den nah-
men hat/ und der Christus selbs ist. 1. Cor. 10/ 4. und 1. Cor. 3/ 11.
nicht aber auff Petrum (der zu solchem grund viel zu schwach war/ und gleich

dar-

Das erſte Capitel.
ligt ob/ auff keinerley weiſe directe oder indirecte, uns von unſerm haupt-
fundament, der ſchrifft/ abziehen zu laſſen/ wir werden auch alsdenn am ſi-
cherſten ſtehen/ wenn wir dabey allein feſt halten/ und unſre Augſpurgiſche
Confeſſion in dem werth bleiben laſſen/ der ihr als einer menſchlichen bekaͤnt-
nuͤß bleibet/ aber dem widerſacher den vortheil nicht goͤnnen/ den diſputat
von der ſchrifft hauptſaͤchlich auff dieſelbe ziehen zu laſſen.

Wo nun kurtz zur verſicherung des gewiſſens die nichtigkeit des gantzen
wercks des P. Dez zu zeigen iſt/ ſo iſt zu mercken.

I. Daß das haupt-fundament ſo er leget/ eben dasjenige ſeye/ was auch
ſtets alle uͤbrige Papiſten legen/ aber auch ſo offt von den unſrigen umgeſtoſ-
ſen worden iſt/ nemlich es ſeye die Roͤmiſche heutige kirche dieeinige wahre
kirche/ und alſo die meiſterin des glaubens. Er thut auch hierinnen ſo gar
unweißlich nicht/ daß er aller orten dieſes hauptſaͤchlich treibet: dann iſt die-
ſer punct bewieſen/ ſo bedarffs nachmal des uͤbrigen diſputats nicht/ ſondern
waͤre aller ſtreit auff einmal als per compendium ausgemacht/ wie er ſich
darauff beruffet p. 58. 90. 150. und anderswo/ hingegen wo ſie in erweiß die-
ſes articuls zuruͤck bleiben/ und was ſie anfuͤhren/ zu ſchwach befunden wird/
ſo faͤllet auch ihr gantzes werck. Wie nun aber ſolcher ſatz zu ſeiner erweiſung
vieles erfordert/ werden wir nach ſleißiger unterſuchung finden/ daß alles
was dazu angefuͤhret wird/ viel zu ſchwach ſeye/ und das vorgeben nimmer-
mehr einem erwieſen werden koͤnne/ der ſich nicht mit dem bloſſen vorgeben
abſpeiſen laſſen will.

Es muß zum fundament von ihm geleget werden/ daß die kirche Chri-
ſti/ wie er p. 59. austruͤcklich vorgibet/ auff Petrum gegruͤndet/ und die-
ſem ein ſolcher vorzug von Chriſto gegeben ſeye uͤber alle andre Apoſtel/ der
allgemeine hirt/ auff eine ſonderbahre art/ als die andre Apoſtel nicht ſind/
zu ſeyn/ ſolche gewalt auch ſeinen nachfolgern zu Rom biß an das ende der
welt zu uͤberlaſſen. Aber nichts unter allen denen puncten iſt er wieſen 1.
vor die perſon Petrikan nichts gezeiget werden/ daß derſelben jemal ſolche
wuͤrde gegeben worden waͤre. Der ort Matth. 16/ 18. wird vergebens an-
gefuͤhret/ und iſt offt ſattſam von den unſrigen erwieſen worden/ wie gegen-
theil ſo gar nicht in ſolchem ſpruch ſeine intention fundiren koͤnne/ daß man
ſich zu verwundern/ wie man ſich immer damit wiedrum zu behelffen unter-
ſtehen doͤrffe. Es macht unſer Heyland den austruͤcklichen unterſcheid un-
ter Petro und unter dem felſen/ ſo zwahr in dem Frantzoͤſiſchen ein nahmen
Pierre iſt/ aber in andern und der grund-ſprach ſind die wort gantz different.
Und hat alſo der HErr ſeine kirche auff den felſen/ von dem Petrus den nah-
men hat/ und der Chriſtus ſelbs iſt. 1. Cor. 10/ 4. und 1. Cor. 3/ 11.
nicht aber auff Petrum (der zu ſolchem grund viel zu ſchwach war/ und gleich

dar-
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[96/0112] Das erſte Capitel. ligt ob/ auff keinerley weiſe directe oder indirecte, uns von unſerm haupt- fundament, der ſchrifft/ abziehen zu laſſen/ wir werden auch alsdenn am ſi- cherſten ſtehen/ wenn wir dabey allein feſt halten/ und unſre Augſpurgiſche Confeſſion in dem werth bleiben laſſen/ der ihr als einer menſchlichen bekaͤnt- nuͤß bleibet/ aber dem widerſacher den vortheil nicht goͤnnen/ den diſputat von der ſchrifft hauptſaͤchlich auff dieſelbe ziehen zu laſſen. Wo nun kurtz zur verſicherung des gewiſſens die nichtigkeit des gantzen wercks des P. Dez zu zeigen iſt/ ſo iſt zu mercken. I. Daß das haupt-fundament ſo er leget/ eben dasjenige ſeye/ was auch ſtets alle uͤbrige Papiſten legen/ aber auch ſo offt von den unſrigen umgeſtoſ- ſen worden iſt/ nemlich es ſeye die Roͤmiſche heutige kirche dieeinige wahre kirche/ und alſo die meiſterin des glaubens. Er thut auch hierinnen ſo gar unweißlich nicht/ daß er aller orten dieſes hauptſaͤchlich treibet: dann iſt die- ſer punct bewieſen/ ſo bedarffs nachmal des uͤbrigen diſputats nicht/ ſondern waͤre aller ſtreit auff einmal als per compendium ausgemacht/ wie er ſich darauff beruffet p. 58. 90. 150. und anderswo/ hingegen wo ſie in erweiß die- ſes articuls zuruͤck bleiben/ und was ſie anfuͤhren/ zu ſchwach befunden wird/ ſo faͤllet auch ihr gantzes werck. Wie nun aber ſolcher ſatz zu ſeiner erweiſung vieles erfordert/ werden wir nach ſleißiger unterſuchung finden/ daß alles was dazu angefuͤhret wird/ viel zu ſchwach ſeye/ und das vorgeben nimmer- mehr einem erwieſen werden koͤnne/ der ſich nicht mit dem bloſſen vorgeben abſpeiſen laſſen will. Es muß zum fundament von ihm geleget werden/ daß die kirche Chri- ſti/ wie er p. 59. austruͤcklich vorgibet/ auff Petrum gegruͤndet/ und die- ſem ein ſolcher vorzug von Chriſto gegeben ſeye uͤber alle andre Apoſtel/ der allgemeine hirt/ auff eine ſonderbahre art/ als die andre Apoſtel nicht ſind/ zu ſeyn/ ſolche gewalt auch ſeinen nachfolgern zu Rom biß an das ende der welt zu uͤberlaſſen. Aber nichts unter allen denen puncten iſt er wieſen 1. vor die perſon Petrikan nichts gezeiget werden/ daß derſelben jemal ſolche wuͤrde gegeben worden waͤre. Der ort Matth. 16/ 18. wird vergebens an- gefuͤhret/ und iſt offt ſattſam von den unſrigen erwieſen worden/ wie gegen- theil ſo gar nicht in ſolchem ſpruch ſeine intention fundiren koͤnne/ daß man ſich zu verwundern/ wie man ſich immer damit wiedrum zu behelffen unter- ſtehen doͤrffe. Es macht unſer Heyland den austruͤcklichen unterſcheid un- ter Petro und unter dem felſen/ ſo zwahr in dem Frantzoͤſiſchen ein nahmen Pierre iſt/ aber in andern und der grund-ſprach ſind die wort gantz different. Und hat alſo der HErr ſeine kirche auff den felſen/ von dem Petrus den nah- men hat/ und der Chriſtus ſelbs iſt. 1. Cor. 10/ 4. und 1. Cor. 3/ 11. nicht aber auff Petrum (der zu ſolchem grund viel zu ſchwach war/ und gleich dar-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/112>, abgerufen am 27.11.2024.