Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. weist/ so fället auch 2. das darauff gebauete/ daß der Römischen kirchen unddero Bischoff solches recht zukäme. Wiewol wenn auch Petro etwas son- derbares gegeben worden wäre/ die folge noch nicht erwiesen wäre/ daß der- gleichen auff seine Successores, und in specie zu Rom fort erben sollen. Es haben die Apostel bereits als Apostel etwas besonders gehabt/ und können wir viel gründlicher von allen/ als die Papisten von dem einigen Petro sa- gen/ daß sie die allgemeine Bischöffe der gantzen kirchen gewesen/ und also ei- nes jeglichen amt sich über die gantze kirche erstrecket. Wie aber keiner der andern Apostel solche macht jemand anders überlassen konte/ also konte es auch Petrus nicht/ denn es ist eine sache/ die an dem Apostolischen amt selbst hänget. Krafft aber eben solches allgemeinen Apostolischen characteris se- hen wir/ daß also kein Apostel an einem gewissen ort/ oder bey einer gewissen kirchen/ als deroselben sonderbarer Bischoff/ blieben/ und sich derselben ver- binden können/ indem gedachter massen jeder zu der allgemeinen sorge und predigt beruffen gewesen; daher auch dieses ohne sichern grund gesagt ist/ daß Petrus zu Rom Bischoff gewesen: denn ob man dem zeugnüß der väter nicht abstehen will/ daß Petrus zu Rom gewesen/ so kan doch dieses nicht er- wiesen werden/ daß er die stadt Rom zu seinem ordinari bistum wider der A- postel allgemeine pflicht erwehlet habe/ sondern er war Bischoff daselbs/ wie es Paulus auch war/ die zeit als er sich da auffgehalten hat/ wie nicht weniger jeglicher Apostel an jedem ort seines verbleibens. Ferner weil Pe- trus so wol zu Antiochia als zu Rom als Bischoff gesessen solle seyn/ so wür- de noch viel disputat werden/ welcher unter den beyden orten zu seiner Suc- cession das meiste recht hätte. Jnsgesamt ist diese haupt-thesis zu erwei- sen/ hingegen auch zu erweisen unmöglich: daß die Römische kirche und derselben Bischoff aller der dignität und vorzugs/ welche Petrus gehabt/ fähig/ und solche ihr von GOtt gegeben seye; davon aber aus GOttes wort auch das geringste jota nicht zu erweisen/ sondern wenn eine kirche als der andern aller mutter und meister in anzusehen wäre/ solte man vielmehr aus der schrifft auff Jerusalem als auff Rom die vermuthung schöpffen. Sehen wir an die kirchen-historie/ und was in der kirchen nach der Apostel zeit vorgegangen/ so ist nicht ohne/ daß die Römische kirch/ und also derselben Bischoff bald in grosses ansehen gekommen/ aus unterschiedli- chen ursachen: 1. weil die Apostel/ Petrus und Paulus daselbst gelehrt/ wie denn in der alten kirchen diejenige insgesamt besonders Apostolische kirchen genennet worden/ wo die Apostel gelehrt/ daher auch den kirchen zu Corinth/ Philippen/ Antiochia u s. f. dergleichen titel gegeben worden. 2. Weil in sol- cher berühmtenstadt allezeit stattliche u. tapfere lehrer gewesen/ wie ohne das insgemein in den grössern und volckreichern städten pfleget ein mehrer anzahl von
Das erſte Capitel. weiſt/ ſo faͤllet auch 2. das darauff gebauete/ daß der Roͤmiſchen kirchen unddero Biſchoff ſolches recht zukaͤme. Wiewol wenn auch Petro etwas ſon- derbares gegeben worden waͤre/ die folge noch nicht erwieſen waͤre/ daß der- gleichen auff ſeine Succeſſores, und in ſpecie zu Rom fort erben ſollen. Es haben die Apoſtel bereits als Apoſtel etwas beſonders gehabt/ und koͤnnen wir viel gruͤndlicher von allen/ als die Papiſten von dem einigen Petro ſa- gen/ daß ſie die allgemeine Biſchoͤffe der gantzen kirchen geweſen/ und alſo ei- nes jeglichen amt ſich uͤber die gantze kirche erſtrecket. Wie aber keiner der andern Apoſtel ſolche macht jemand anders uͤberlaſſen konte/ alſo konte es auch Petrus nicht/ denn es iſt eine ſache/ die an dem Apoſtoliſchen amt ſelbſt haͤnget. Krafft aber eben ſolches allgemeinen Apoſtoliſchen characteris ſe- hen wir/ daß alſo kein Apoſtel an einem gewiſſen ort/ oder bey einer gewiſſen kirchen/ als deroſelben ſonderbarer Biſchoff/ blieben/ und ſich derſelben ver- binden koͤnnen/ indem gedachter maſſen jeder zu der allgemeinen ſorge und predigt beruffen geweſen; daher auch dieſes ohne ſichern grund geſagt iſt/ daß Petrus zu Rom Biſchoff geweſen: denn ob man dem zeugnuͤß der vaͤter nicht abſtehen will/ daß Petrus zu Rom geweſen/ ſo kan doch dieſes nicht er- wieſen werden/ daß er die ſtadt Rom zu ſeinem ordinari biſtum wider der A- poſtel allgemeine pflicht erwehlet habe/ ſondern er war Biſchoff daſelbs/ wie es Paulus auch war/ die zeit als er ſich da auffgehalten hat/ wie nicht weniger jeglicher Apoſtel an jedem ort ſeines verbleibens. Ferner weil Pe- trus ſo wol zu Antiochia als zu Rom als Biſchoff geſeſſen ſolle ſeyn/ ſo wuͤr- de noch viel diſputat werden/ welcher unter den beyden orten zu ſeiner Suc- ceſſion das meiſte recht haͤtte. Jnsgeſamt iſt dieſe haupt-theſis zu erwei- ſen/ hingegen auch zu erweiſen unmoͤglich: daß die Roͤmiſche kirche und derſelben Biſchoff aller der dignitaͤt und vorzugs/ welche Petrus gehabt/ faͤhig/ und ſolche ihr von GOtt gegeben ſeye; davon aber aus GOttes wort auch das geringſte jota nicht zu erweiſen/ ſondern wenn eine kirche als der andern aller mutter und meiſter in anzuſehen waͤre/ ſolte man vielmehr aus der ſchrifft auff Jeruſalem als auff Rom die vermuthung ſchoͤpffen. Sehen wir an die kirchen-hiſtorie/ und was in der kirchen nach der Apoſtel zeit vorgegangen/ ſo iſt nicht ohne/ daß die Roͤmiſche kirch/ und alſo derſelben Biſchoff bald in groſſes anſehen gekommen/ aus unterſchiedli- chen urſachen: 1. weil die Apoſtel/ Petrus und Paulus daſelbſt gelehrt/ wie denn in der alten kirchen diejenige insgeſamt beſonders Apoſtoliſche kirchen genennet worden/ wo die Apoſtel gelehrt/ daher auch den kirchen zu Corinth/ Philippen/ Antiochia u ſ. f. dergleichen titel gegeben worden. 2. Weil in ſol- cher beruͤhmtenſtadt allezeit ſtattliche u. tapfere lehrer geweſen/ wie ohne das insgemein in den groͤſſern und volckreichern ſtaͤdten pfleget ein mehrer anzahl von
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Das erſte Capitel.
weiſt/ ſo faͤllet auch 2. das darauff gebauete/ daß der Roͤmiſchen kirchen und
dero Biſchoff ſolches recht zukaͤme. Wiewol wenn auch Petro etwas ſon-
derbares gegeben worden waͤre/ die folge noch nicht erwieſen waͤre/ daß der-
gleichen auff ſeine Succeſſores, und in ſpecie zu Rom fort erben ſollen. Es
haben die Apoſtel bereits als Apoſtel etwas beſonders gehabt/ und koͤnnen
wir viel gruͤndlicher von allen/ als die Papiſten von dem einigen Petro ſa-
gen/ daß ſie die allgemeine Biſchoͤffe der gantzen kirchen geweſen/ und alſo ei-
nes jeglichen amt ſich uͤber die gantze kirche erſtrecket. Wie aber keiner der
andern Apoſtel ſolche macht jemand anders uͤberlaſſen konte/ alſo konte es
auch Petrus nicht/ denn es iſt eine ſache/ die an dem Apoſtoliſchen amt ſelbſt
haͤnget. Krafft aber eben ſolches allgemeinen Apoſtoliſchen characteris ſe-
hen wir/ daß alſo kein Apoſtel an einem gewiſſen ort/ oder bey einer gewiſſen
kirchen/ als deroſelben ſonderbarer Biſchoff/ blieben/ und ſich derſelben ver-
binden koͤnnen/ indem gedachter maſſen jeder zu der allgemeinen ſorge und
predigt beruffen geweſen; daher auch dieſes ohne ſichern grund geſagt iſt/
daß Petrus zu Rom Biſchoff geweſen: denn ob man dem zeugnuͤß der vaͤter
nicht abſtehen will/ daß Petrus zu Rom geweſen/ ſo kan doch dieſes nicht er-
wieſen werden/ daß er die ſtadt Rom zu ſeinem ordinari biſtum wider der A-
poſtel allgemeine pflicht erwehlet habe/ ſondern er war Biſchoff daſelbs/
wie es Paulus auch war/ die zeit als er ſich da auffgehalten hat/ wie nicht
weniger jeglicher Apoſtel an jedem ort ſeines verbleibens. Ferner weil Pe-
trus ſo wol zu Antiochia als zu Rom als Biſchoff geſeſſen ſolle ſeyn/ ſo wuͤr-
de noch viel diſputat werden/ welcher unter den beyden orten zu ſeiner Suc-
ceſſion das meiſte recht haͤtte. Jnsgeſamt iſt dieſe haupt-theſis zu erwei-
ſen/ hingegen auch zu erweiſen unmoͤglich: daß die Roͤmiſche kirche und
derſelben Biſchoff aller der dignitaͤt und vorzugs/ welche Petrus
gehabt/ faͤhig/ und ſolche ihr von GOtt gegeben ſeye; davon aber aus
GOttes wort auch das geringſte jota nicht zu erweiſen/ ſondern wenn eine
kirche als der andern aller mutter und meiſter in anzuſehen waͤre/ ſolte man
vielmehr aus der ſchrifft auff Jeruſalem als auff Rom die vermuthung
ſchoͤpffen. Sehen wir an die kirchen-hiſtorie/ und was in der kirchen nach
der Apoſtel zeit vorgegangen/ ſo iſt nicht ohne/ daß die Roͤmiſche kirch/ und
alſo derſelben Biſchoff bald in groſſes anſehen gekommen/ aus unterſchiedli-
chen urſachen: 1. weil die Apoſtel/ Petrus und Paulus daſelbſt gelehrt/ wie
denn in der alten kirchen diejenige insgeſamt beſonders Apoſtoliſche kirchen
genennet worden/ wo die Apoſtel gelehrt/ daher auch den kirchen zu Corinth/
Philippen/ Antiochia u ſ. f. dergleichen titel gegeben worden. 2. Weil in ſol-
cher beruͤhmtenſtadt allezeit ſtattliche u. tapfere lehrer geweſen/ wie ohne das
insgemein in den groͤſſern und volckreichern ſtaͤdten pfleget ein mehrer anzahl
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