Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. ner mutter einen gehorsam schuldig wären/ sondern sie ehren sie als dieälteste schwester/ die im übrigen einander gleich sind: würden auch nim- mermehr/ wo man ihre ehrerbietung weiter ausdehnen wolte/ sich dazu verstehen. Eine gleiche bewandnüß hatte es auch in der ersten zeit mit der Römischen kirchen/ und wird sich nicht leicht etwas zeigen/ wie sich die andre gegen diese verhalten/ daß nicht auch die Sächsische kirche/ ohne deß- wegen eine gewalt über die andre bekommen zu haben/ gleiches gegen sich offt geschehen zu seyn/ weisen könte. Jn diesen terminis einer feinen ordnung bliebe es/ so lange noch die so
Das erſte Capitel. ner mutter einen gehorſam ſchuldig waͤren/ ſondern ſie ehren ſie als dieaͤlteſte ſchweſter/ die im uͤbrigen einander gleich ſind: wuͤrden auch nim- mermehr/ wo man ihre ehrerbietung weiter ausdehnen wolte/ ſich dazu verſtehen. Eine gleiche bewandnuͤß hatte es auch in der erſten zeit mit der Roͤmiſchen kirchen/ und wird ſich nicht leicht etwas zeigen/ wie ſich die andre gegen dieſe verhalten/ daß nicht auch die Saͤchſiſche kirche/ ohne deß- wegen eine gewalt uͤber die andre bekommen zu haben/ gleiches gegen ſich offt geſchehen zu ſeyn/ weiſen koͤnte. Jn dieſen terminis einer feinen ordnung bliebe es/ ſo lange noch die ſo
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Das erſte Capitel.
ner mutter einen gehorſam ſchuldig waͤren/ ſondern ſie ehren ſie als die
aͤlteſte ſchweſter/ die im uͤbrigen einander gleich ſind: wuͤrden auch nim-
mermehr/ wo man ihre ehrerbietung weiter ausdehnen wolte/ ſich dazu
verſtehen. Eine gleiche bewandnuͤß hatte es auch in der erſten zeit mit
der Roͤmiſchen kirchen/ und wird ſich nicht leicht etwas zeigen/ wie ſich die
andre gegen dieſe verhalten/ daß nicht auch die Saͤchſiſche kirche/ ohne deß-
wegen eine gewalt uͤber die andre bekommen zu haben/ gleiches gegen ſich
offt geſchehen zu ſeyn/ weiſen koͤnte.
Jn dieſen terminis einer feinen ordnung bliebe es/ ſo lange noch die
Biſchoͤffe zu Rom recht gottſeelige leute/ und es denſelben redlich allein um
der kirchen beſtes zu thun war. Wie aber unter den menſchen gemeinig-
lich die autoritaͤt/ die jeglichem GOtt gibet/ mißbrauchet/ und zu ei-
nem mittel des hochmuths gemachet wird/ alſo gieng es auch darinnen.
Jn deme die Roͤmiſchen zeitlich angehoben/ den kopff empor zu heben/ und
nicht nur uͤber die abendlaͤndiſche kirche/ ſondern auch die andere ihnen ei-
ne macht zu arrogiren. Den anfang machte ſonderlich Biſchoff Victor we-
gen des Oſterfeſts (welches die morgenlaͤnder anders als die abend-laͤnder
hielten/ und deßwegen Polycarpus von Epheſo zu Aniceto nach Rom gekom-
men/ um ſich freundlich eines gewiſſen zu vergleichen/ da er alſo deſſen
gewalt nicht erkannte/ doch auch nichts ausgerichtet hat) gegen das ende
des 2. ſeculi, ſich unternommen die Aſiatiſchen kirchen zu excommuniciren/
da aber die Aſiatiſche kirchen ihm nicht parirt, und auch Irenæus in ſeiner
und der Franzoͤſiſchen Biſchoͤffe nahmen ſolcher vermeſſenheit ſtarck wider-
ſprochen hat. Alſo nach dem Biſchoff Stephanus ſich abermal zu groſſer
macht gebrauchte/ widerſprach ihm Cyprianus ſehr tapffer/ und geſtund ihm
das jenige nicht/ was er ſich annahm. Jn dem Niceniſchen Concilio wurde
einige ordnung gemacht/ aber dem Antiochiſchen und Alexandriniſchen Bi-
ſchoff an ihren orten eben die jenige gewalt/ als dem Roͤmiſchen in dem ſei-
nigen/ zugeſtanden. Von der zeit/ als nun das reich gantz zu dem Chri-
ſtenthum kam/ fuhr der Roͤmiſche Biſchoff ſtets fort ſeine macht zu ergroͤſ-
ſern/ hatte aber allezeit ſeine widerſprecher und konte nie zu keinem ruht-
gen beſitz der prætendirten autoritaͤt kommen/ wie ſonderlich da Coeleſti-
nus, ſo 423 den ſitz betreten/ als er an die zu Carthago begehrte/ daß ſich
die Charthagiſche kirche dem Roͤmiſchen ſtuhl unterwerffen ſolte/ hart daruͤ-
ber von dem Biſchoff des 6. Charthaginiſchen Concilii daruͤber angelaſſen und
rund abgeſchlagen wurden ihm einige jurisdiction uͤber ſich zuzugeben/ auch
treulich verwarnet/ daß nicht ein ſolcher hochmuth in die kirche Chriſti einge-
fuͤhret wuͤrde. Da auch ſonderlich Polychronius Biſchoff zu Jeruſalem mit
gutem grund ſich daꝛauff beruffte/ weñ ja ein primatus in deꝛ kirche ſolte ſeyn/
ſo
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