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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
ches ihm in seiner sache gegen seine widerwärtige gebührte. Hiedurch wur-
de der mann so vielmehr getrieben/ durch göttlichen beystand alles Päbstische
wesen zu erkennen/ und den ungrund der Römischen angemasten gewalt ein-
zusehen/ so vielmehr da er durch Päbstische bulle unrechtmäßig excommuni-
ci
ret/ und welche seine sachen billigten/ mit dazu gezogen worden. Nach-
dem nun/ was von leuten in Teutschland war/ die ihrer seelen gerne recht
wahrgenommen hätten/ durch diesen streit Lutheri er wecket wurde/ die sache
zu untersuchen/ auff welcher seite die wahrheit wäre/ so wurde Lutherus
bald von vielen andern Christl. leuten secundiret/ und bekam beyfall. Nach-
dem nun die Päbstische mißbräuche und irrthume in vielen dingen jederman
gantz deutlich in die augen leuchteten/ so konten diese/ und mit ihnen die obrig-
keiten/ nicht anders/ als was ihr gewissen verletzte/ abstellen/ ohne deswegen
sich von der kirchen selbsten zu trennen/ wie sie dann immer die hoffnung hat-
ten/ obwol die unbilligkeit des Römischen stuhls ihnen kein recht wiederfah-
ren liesse/ so würde doch in einem allgemeinen Concilio, darauff sie alle ihre
hoffnung ernstlich setzten/ ihnen recht wiederfahren/ und eine völlige refor-
mation
folgen. Wie ihnen aber darauff von der Päbstischen Clerisey/ Bi-
schoffen und andern begegnet/ auch die weltliche machten gegen sie angerei-
tzet/ alsobald viele deßwegen hingerichtet/ und eine verfolgung angehoben
worden/ zeiget die historia. Also waren einerseits/ wie bereits erwehnet/
offenbare mißbräuche und irrthum/ hartnäckigkeit in dero vertheidigung/
hochmuth und tyranney von seiten des Römischen stuhls/ davon sonsten bes-
serung erwartet worden/ und endlich geistliche verbannung und leibliche ver-
folgung: andern theils fand sich erkäntnüß jener mißbräuche und irrthumen
aus trieb des gewissens widerspruch gegen dieselbe/ demüthige unterwerf-
fung unter den Römischen stuhl/ von demselben die besserung der beklagten
stücke zu suchen/ als lange noch eine hoffnung der gerechtigkeit war/ ferner so
viel muthigere vertheidigung der guten sache aus GOttes wort/ als man
dero gerechtigkeit mehr aus dem unbilligen verfahren des gegentheils über-
zeuget wurde/ abstellung der dinge/ die dem gewissen anstößig waren/ hoff-
nung auff besserung/ und gedultige ertragung des leidens. Unter diesen bey-
den partheyen und ihrem verhalten wirds nun nicht schwehr werden zuerken-
nen/ welche mehr recht gehabt/ und sich den regeln Christi und des gewissens
am gemässesten/ bezeuget habe. Wo nun ein unglück entstehet aus deme/ da
ihrer zwey an einander gerathen/ da wird allezeit derjenige recht und loßge-
sprochen/ welcher vorhin die beste sache gehabt/ und mehr gelitten als gethan
hat. 4. Selbs zu zeiten der Augspurgischen Confession verlangten die un-
srige keine trennung/ ja auch/ wie sie austrücklich bezeugeten/ nicht die ent-
ziehung der herrligkeit oder gewalt der Bischöffe/ sondern waren bereit zu

allem/

Das erſte Capitel.
ches ihm in ſeiner ſache gegen ſeine widerwaͤrtige gebuͤhrte. Hiedurch wur-
de der mann ſo vielmehr getrieben/ durch goͤttlichen beyſtand alles Paͤbſtiſche
weſen zu erkennen/ und den ungrund der Roͤmiſchen angemaſten gewalt ein-
zuſehen/ ſo vielmehr da er durch Paͤbſtiſche bulle unrechtmaͤßig excommuni-
ci
ret/ und welche ſeine ſachen billigten/ mit dazu gezogen worden. Nach-
dem nun/ was von leuten in Teutſchland war/ die ihrer ſeelen gerne recht
wahrgenommen haͤtten/ durch dieſen ſtreit Lutheri er wecket wurde/ die ſache
zu unterſuchen/ auff welcher ſeite die wahrheit waͤre/ ſo wurde Lutherus
bald von vielen andern Chriſtl. leuten ſecundiret/ und bekam beyfall. Nach-
dem nun die Paͤbſtiſche mißbraͤuche und irrthume in vielen dingen jederman
gantz deutlich in die augen leuchteten/ ſo konten dieſe/ und mit ihnen die obrig-
keiten/ nicht anders/ als was ihr gewiſſen verletzte/ abſtellen/ ohne deswegen
ſich von der kirchen ſelbſten zu trennen/ wie ſie dann immer die hoffnung hat-
ten/ obwol die unbilligkeit des Roͤmiſchen ſtuhls ihnen kein recht wiederfah-
ren lieſſe/ ſo wuͤrde doch in einem allgemeinen Concilio, darauff ſie alle ihre
hoffnung ernſtlich ſetzten/ ihnen recht wiederfahren/ und eine voͤllige refor-
mation
folgen. Wie ihnen aber darauff von der Paͤbſtiſchen Cleriſey/ Bi-
ſchoffen und andern begegnet/ auch die weltliche machten gegen ſie angerei-
tzet/ alſobald viele deßwegen hingerichtet/ und eine verfolgung angehoben
worden/ zeiget die hiſtoria. Alſo waren einerſeits/ wie bereits erwehnet/
offenbare mißbraͤuche und irꝛthum/ hartnaͤckigkeit in dero vertheidigung/
hochmuth und tyranney von ſeiten des Roͤmiſchen ſtuhls/ davon ſonſten beſ-
ſerung erwartet worden/ und endlich geiſtliche verbannung und leibliche ver-
folgung: andern theils fand ſich erkaͤntnuͤß jener mißbꝛaͤuche und irꝛthumen
aus trieb des gewiſſens widerſpruch gegen dieſelbe/ demuͤthige unterwerf-
fung unter den Roͤmiſchen ſtuhl/ von demſelben die beſſerung der beklagten
ſtuͤcke zu ſuchen/ als lange noch eine hoffnung der gerechtigkeit war/ ferner ſo
viel muthigere vertheidigung der guten ſache aus GOttes wort/ als man
dero gerechtigkeit mehr aus dem unbilligen verfahren des gegentheils uͤber-
zeuget wurde/ abſtellung der dinge/ die dem gewiſſen anſtoͤßig waren/ hoff-
nung auff beſſerung/ und gedultige ertragung des leidens. Unter dieſen bey-
den partheyen und ihrem verhalten wirds nun nicht ſchwehr werden zuerken-
nen/ welche mehr recht gehabt/ und ſich den regeln Chriſti und des gewiſſens
am gemaͤſſeſten/ bezeuget habe. Wo nun ein ungluͤck entſtehet aus deme/ da
ihrer zwey an einander gerathen/ da wird allezeit derjenige recht und loßge-
ſprochen/ welcher vorhin die beſte ſache gehabt/ und mehr gelitten als gethan
hat. 4. Selbs zu zeiten der Augſpurgiſchen Confeſſion verlangten die un-
ſrige keine trennung/ ja auch/ wie ſie austruͤcklich bezeugeten/ nicht die ent-
ziehung der herrligkeit oder gewalt der Biſchoͤffe/ ſondern waren bereit zu

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[112/0128] Das erſte Capitel. ches ihm in ſeiner ſache gegen ſeine widerwaͤrtige gebuͤhrte. Hiedurch wur- de der mann ſo vielmehr getrieben/ durch goͤttlichen beyſtand alles Paͤbſtiſche weſen zu erkennen/ und den ungrund der Roͤmiſchen angemaſten gewalt ein- zuſehen/ ſo vielmehr da er durch Paͤbſtiſche bulle unrechtmaͤßig excommuni- ciret/ und welche ſeine ſachen billigten/ mit dazu gezogen worden. Nach- dem nun/ was von leuten in Teutſchland war/ die ihrer ſeelen gerne recht wahrgenommen haͤtten/ durch dieſen ſtreit Lutheri er wecket wurde/ die ſache zu unterſuchen/ auff welcher ſeite die wahrheit waͤre/ ſo wurde Lutherus bald von vielen andern Chriſtl. leuten ſecundiret/ und bekam beyfall. Nach- dem nun die Paͤbſtiſche mißbraͤuche und irrthume in vielen dingen jederman gantz deutlich in die augen leuchteten/ ſo konten dieſe/ und mit ihnen die obrig- keiten/ nicht anders/ als was ihr gewiſſen verletzte/ abſtellen/ ohne deswegen ſich von der kirchen ſelbſten zu trennen/ wie ſie dann immer die hoffnung hat- ten/ obwol die unbilligkeit des Roͤmiſchen ſtuhls ihnen kein recht wiederfah- ren lieſſe/ ſo wuͤrde doch in einem allgemeinen Concilio, darauff ſie alle ihre hoffnung ernſtlich ſetzten/ ihnen recht wiederfahren/ und eine voͤllige refor- mation folgen. Wie ihnen aber darauff von der Paͤbſtiſchen Cleriſey/ Bi- ſchoffen und andern begegnet/ auch die weltliche machten gegen ſie angerei- tzet/ alſobald viele deßwegen hingerichtet/ und eine verfolgung angehoben worden/ zeiget die hiſtoria. Alſo waren einerſeits/ wie bereits erwehnet/ offenbare mißbraͤuche und irꝛthum/ hartnaͤckigkeit in dero vertheidigung/ hochmuth und tyranney von ſeiten des Roͤmiſchen ſtuhls/ davon ſonſten beſ- ſerung erwartet worden/ und endlich geiſtliche verbannung und leibliche ver- folgung: andern theils fand ſich erkaͤntnuͤß jener mißbꝛaͤuche und irꝛthumen aus trieb des gewiſſens widerſpruch gegen dieſelbe/ demuͤthige unterwerf- fung unter den Roͤmiſchen ſtuhl/ von demſelben die beſſerung der beklagten ſtuͤcke zu ſuchen/ als lange noch eine hoffnung der gerechtigkeit war/ ferner ſo viel muthigere vertheidigung der guten ſache aus GOttes wort/ als man dero gerechtigkeit mehr aus dem unbilligen verfahren des gegentheils uͤber- zeuget wurde/ abſtellung der dinge/ die dem gewiſſen anſtoͤßig waren/ hoff- nung auff beſſerung/ und gedultige ertragung des leidens. Unter dieſen bey- den partheyen und ihrem verhalten wirds nun nicht ſchwehr werden zuerken- nen/ welche mehr recht gehabt/ und ſich den regeln Chriſti und des gewiſſens am gemaͤſſeſten/ bezeuget habe. Wo nun ein ungluͤck entſtehet aus deme/ da ihrer zwey an einander gerathen/ da wird allezeit derjenige recht und loßge- ſprochen/ welcher vorhin die beſte ſache gehabt/ und mehr gelitten als gethan hat. 4. Selbs zu zeiten der Augſpurgiſchen Confeſſion verlangten die un- ſrige keine trennung/ ja auch/ wie ſie austruͤcklich bezeugeten/ nicht die ent- ziehung der herrligkeit oder gewalt der Biſchoͤffe/ ſondern waren bereit zu allem/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/128>, abgerufen am 27.11.2024.