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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XV.
mögen gnug seyn/ unsre gebet und wünsche vor die verstorbene zu rechtferti-
gen/ ohne der wahrheit deswegen eintrag zu thun. Er führet auch an/ wie
wir sonsten vor manches bitten/ welches ohnedas gewiß geschihet/ und noth-
wendig geschehen muß. Als da ist die zukunfft Christi/ um welche doch die
gläubige auch bitten. Aus alle solchen absichten bey dem gebet aber folget
kein fegfeuer.

3. Das letzte argument p. 396. ist aus der schrifft 1. Cor. 3/ 15. aber auch
wiedrum ein sehr elendes argument, welches Paulo etwas zuschreibet/ so
ihm in den sinn nicht gekommen ist: massen unter dem feuer/ davon Paulus
handelt/ und unter dem Päpstischen fegfeuer/ allzugrosser unterscheid ist. 1.
Pauli feuer gehet allein an diejenige/ die in der kirchen GOttes bauen/ v. 11.
12. und also lehrer/ der Papisten feuer soll alle gläubige/ so mit läßigen sün-
den absterben/ betreffen. 2. Pauli feuer betrifft nicht nur diejenige/ die ü-
bel gebauet/ sondern auch die lauter gold/ silber und edelgestein gebaut/ müs-
sen doch in solches feuer/ und sich bewähren lassen: Das fegfeuer soll nur die
jenige betreffen/ so übel gebauet haben. 3. Pauli feuer wird sich offenbah-
ren erst an gewissem tag/ in das fegefeuer aber sollen kommen jede unvollkom-
mene seelen/ wenn sie aus dem leben abscheiden. 4. Pauli feuer greifft die
wercke an/ und dieselbe bleiben entweder oder verbrennen/ das Papistische
fegfeuer aber solle die seelen qvälen. 5. Pauli feuer ist ein feuer/ das zu of-
fenbahrung der guten und bösen arbeit in dem kirchen-bau gemeinet ist/ das
fegfeuer aber hat zum zweck die abstraffung und reinigung der seelen. Also
kommen sie in nichts/ als in dem nahmen des feuers überein. Es kan aber
Paulus auch nicht von einem leiblichen materialischen feuer billig verstan-
den werden/ sondern wie gold/ silber/ edelgestein/ holtz/ heu/ stop-
peln/ nichts materialisches an diesem ort sind/ so muß es auch ein feuer
seyn/ daß derselben art gemäß ist/ nemlich ein figürliches feuer. So
sagt auch Paulus nicht/ er wird selig werden durchs feuer/ sondern
als durchs feuer/ das ist/ mit grosser gefahr/ wie einer/ dem das
hauß und alle seine haabe verbrennet/ er aber noch daraus errettet wird.
Ob also wol nicht ohne ist/ daß der verstand des Apostels etwas dunckel/
daher einige durch das feuer die hitze der anfechtung noch in diesem leben/ an-
dere das feuer des jüngsten gerichts/ da alles geprüfet werden solle/ verste-
hen/ so ist doch leicht ausfündig/ daß gleichwol von keinem Papistischen feg-
feuer hie geredet werde. Daher auch die liebe altväter gar unterschiedlich
von diesem ort gehalten/ und wol die vornehmste das feuer/ davon an je-
nem tag die welt verbrennen soll/ verstehen. Wie denn auch Augustinus,
den P. Dez anführet/ der sache so gar selbs nicht gewiß gewesen/ daß wo er
sich auch einiges fegfeuer belieben lässet/ er doch setzt: Forsitan verum est.

Wer
S 3

SECTIO XV.
moͤgen gnug ſeyn/ unſre gebet und wuͤnſche vor die verſtorbene zu rechtferti-
gen/ ohne der wahrheit deswegen eintrag zu thun. Er fuͤhret auch an/ wie
wir ſonſten vor manches bitten/ welches ohnedas gewiß geſchihet/ und noth-
wendig geſchehen muß. Als da iſt die zukunfft Chriſti/ um welche doch die
glaͤubige auch bitten. Aus alle ſolchen abſichten bey dem gebet aber folget
kein fegfeuer.

3. Das letzte argument p. 396. iſt aus der ſchrifft 1. Cor. 3/ 15. aber auch
wiedrum ein ſehr elendes argument, welches Paulo etwas zuſchreibet/ ſo
ihm in den ſinn nicht gekommen iſt: maſſen unter dem feuer/ davon Paulus
handelt/ und unter dem Paͤpſtiſchen fegfeuer/ allzugroſſer unterſcheid iſt. 1.
Pauli feuer gehet allein an diejenige/ die in der kirchen GOttes bauen/ v. 11.
12. und alſo lehrer/ der Papiſten feuer ſoll alle glaͤubige/ ſo mit laͤßigen ſuͤn-
den abſterben/ betreffen. 2. Pauli feuer betrifft nicht nur diejenige/ die uͤ-
bel gebauet/ ſondern auch die lauter gold/ ſilber und edelgeſtein gebaut/ muͤſ-
ſen doch in ſolches feuer/ und ſich bewaͤhren laſſen: Das fegfeuer ſoll nur die
jenige betreffen/ ſo uͤbel gebauet haben. 3. Pauli feuer wird ſich offenbah-
ren erſt an gewiſſem tag/ in das fegefeuer aber ſollen kommen jede unvollkom-
mene ſeelen/ wenn ſie aus dem leben abſcheiden. 4. Pauli feuer greifft die
wercke an/ und dieſelbe bleiben entweder oder verbrennen/ das Papiſtiſche
fegfeuer aber ſolle die ſeelen qvaͤlen. 5. Pauli feuer iſt ein feuer/ das zu of-
fenbahrung der guten und boͤſen arbeit in dem kirchen-bau gemeinet iſt/ das
fegfeuer aber hat zum zweck die abſtraffung und reinigung der ſeelen. Alſo
kommen ſie in nichts/ als in dem nahmen des feuers uͤberein. Es kan aber
Paulus auch nicht von einem leiblichen materialiſchen feuer billig verſtan-
den werden/ ſondern wie gold/ ſilber/ edelgeſtein/ holtz/ heu/ ſtop-
peln/ nichts materialiſches an dieſem ort ſind/ ſo muß es auch ein feuer
ſeyn/ daß derſelben art gemaͤß iſt/ nemlich ein figuͤrliches feuer. So
ſagt auch Paulus nicht/ er wird ſelig werden durchs feuer/ ſondern
als durchs feuer/ das iſt/ mit groſſer gefahr/ wie einer/ dem das
hauß und alle ſeine haabe verbrennet/ er aber noch daraus errettet wird.
Ob alſo wol nicht ohne iſt/ daß der verſtand des Apoſtels etwas dunckel/
daher einige durch das feuer die hitze der anfechtung noch in dieſem leben/ an-
dere das feuer des juͤngſten gerichts/ da alles gepruͤfet werden ſolle/ verſte-
hen/ ſo iſt doch leicht ausfuͤndig/ daß gleichwol von keinem Papiſtiſchen feg-
feuer hie geredet werde. Daher auch die liebe altvaͤter gar unterſchiedlich
von dieſem ort gehalten/ und wol die vornehmſte das feuer/ davon an je-
nem tag die welt verbrennen ſoll/ verſtehen. Wie denn auch Auguſtinus,
den P. Dez anfuͤhret/ der ſache ſo gar ſelbs nicht gewiß geweſen/ daß wo er
ſich auch einiges fegfeuer belieben laͤſſet/ er doch ſetzt: Forſitan verum eſt.

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[141/0157] SECTIO XV. moͤgen gnug ſeyn/ unſre gebet und wuͤnſche vor die verſtorbene zu rechtferti- gen/ ohne der wahrheit deswegen eintrag zu thun. Er fuͤhret auch an/ wie wir ſonſten vor manches bitten/ welches ohnedas gewiß geſchihet/ und noth- wendig geſchehen muß. Als da iſt die zukunfft Chriſti/ um welche doch die glaͤubige auch bitten. Aus alle ſolchen abſichten bey dem gebet aber folget kein fegfeuer. 3. Das letzte argument p. 396. iſt aus der ſchrifft 1. Cor. 3/ 15. aber auch wiedrum ein ſehr elendes argument, welches Paulo etwas zuſchreibet/ ſo ihm in den ſinn nicht gekommen iſt: maſſen unter dem feuer/ davon Paulus handelt/ und unter dem Paͤpſtiſchen fegfeuer/ allzugroſſer unterſcheid iſt. 1. Pauli feuer gehet allein an diejenige/ die in der kirchen GOttes bauen/ v. 11. 12. und alſo lehrer/ der Papiſten feuer ſoll alle glaͤubige/ ſo mit laͤßigen ſuͤn- den abſterben/ betreffen. 2. Pauli feuer betrifft nicht nur diejenige/ die uͤ- bel gebauet/ ſondern auch die lauter gold/ ſilber und edelgeſtein gebaut/ muͤſ- ſen doch in ſolches feuer/ und ſich bewaͤhren laſſen: Das fegfeuer ſoll nur die jenige betreffen/ ſo uͤbel gebauet haben. 3. Pauli feuer wird ſich offenbah- ren erſt an gewiſſem tag/ in das fegefeuer aber ſollen kommen jede unvollkom- mene ſeelen/ wenn ſie aus dem leben abſcheiden. 4. Pauli feuer greifft die wercke an/ und dieſelbe bleiben entweder oder verbrennen/ das Papiſtiſche fegfeuer aber ſolle die ſeelen qvaͤlen. 5. Pauli feuer iſt ein feuer/ das zu of- fenbahrung der guten und boͤſen arbeit in dem kirchen-bau gemeinet iſt/ das fegfeuer aber hat zum zweck die abſtraffung und reinigung der ſeelen. Alſo kommen ſie in nichts/ als in dem nahmen des feuers uͤberein. Es kan aber Paulus auch nicht von einem leiblichen materialiſchen feuer billig verſtan- den werden/ ſondern wie gold/ ſilber/ edelgeſtein/ holtz/ heu/ ſtop- peln/ nichts materialiſches an dieſem ort ſind/ ſo muß es auch ein feuer ſeyn/ daß derſelben art gemaͤß iſt/ nemlich ein figuͤrliches feuer. So ſagt auch Paulus nicht/ er wird ſelig werden durchs feuer/ ſondern als durchs feuer/ das iſt/ mit groſſer gefahr/ wie einer/ dem das hauß und alle ſeine haabe verbrennet/ er aber noch daraus errettet wird. Ob alſo wol nicht ohne iſt/ daß der verſtand des Apoſtels etwas dunckel/ daher einige durch das feuer die hitze der anfechtung noch in dieſem leben/ an- dere das feuer des juͤngſten gerichts/ da alles gepruͤfet werden ſolle/ verſte- hen/ ſo iſt doch leicht ausfuͤndig/ daß gleichwol von keinem Papiſtiſchen feg- feuer hie geredet werde. Daher auch die liebe altvaͤter gar unterſchiedlich von dieſem ort gehalten/ und wol die vornehmſte das feuer/ davon an je- nem tag die welt verbrennen ſoll/ verſtehen. Wie denn auch Auguſtinus, den P. Dez anfuͤhret/ der ſache ſo gar ſelbs nicht gewiß geweſen/ daß wo er ſich auch einiges fegfeuer belieben laͤſſet/ er doch ſetzt: Forſitan verum eſt. Wer S 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/157>, abgerufen am 21.11.2024.