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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
Aber L. 21. de civ. Dei c. 26. handelt er weitläufftig davon/ und fället uns
darinnen mehr zu. Jnsgesamt bekennet er/ wie Bellarminus den ort
selbs anführet/ von diesem spruch: sententia plane ad intelligendum diffi-
cilis.
Aus dergleichen orten aber lassen sich je keine streitige glaubeus-ar-
ticul erweisen. Von dem ort 2. Macc. 25. setze ich nichts weiters hinzu/
in dem bereits davon gehandelt. 5. Wie in der fünfften forderung/ daß wir
die meß vor einen GOtt wolgefälligen dienst erkennen sollten/
der
Jesuit selbs bekennet/ es seye solches eine nothwendige folge der vorigen
sätze/ so fällt auch dieselbe von selbs hin/ da die vorige untüchtig befunden/
zusammt 6. der sechsten/ daß deßwegen die meß zu Straßburg anzurichten
seye.

Was darnach folget/ daß die protestirenden endlich accordiret haben/
(von denen man aber begehren solte/ daß er sie zeigte wer sie seyen) ist auch
bald abgelehnet 1. daß wir die messe oder das heil. Abendmal vor ein gedächt-
nüß-opffer halten/ ist wahr/ aber deßwegen ists kein wahres eigentliches
opffer/ sondern nur ein gedächtnüß eines eigentlichen opffers. Daß auch
eine versöhnung in dem heiligen Abendmal seye/ ist auch wahr/ und von
uns nie geläugnet/ in dem die vergebung der sünden darinnen ertheilet/ und
also der mensch mit GOtt versöhnet wird. Falsch aber ist/ daß solches ei-
gentlich dem opffer und nicht dem Sacrament zukomme: vielmehr ist des
opffers art die vergebung zu wege zu bringen/ des Sacraments/ solches
zuzueignen.

2. Daß allgemach auch vor die todte in der alten kirchen geopffert wor-
den/ haben die unsrige nie geläugnet/ aber gewiesen/ daß solcher mißbrauch/
wie andre auch/ allgemach eingeschlichen/ und in der urältesten kirche nicht
gewesen seye.

3. Wir werden mit unrecht beschuldigt/ ob hätten unsre bekenner eine
lästerung
begangen/ daß den Papisten auch beygemessen worden/ daß
Christus nur vor die erbsünde gelitten hätte/ so keiner nie gethan ha-
be. Denn ihr berühmte schul-lehrer Thomas Aquinas T. 15. opusc. de ve-
nerab. sacr. alt. c.
1. schreibt austrücklich: Sicut corpus Domini semel ob-
latum est in cruce pro debito originali: sic offertur jugiter pro quotidianis
nostris delictis in altari.
Wo wir zwahr die Papisten nicht bloß dahin be-
schuldigen/ gleich wolten sie gar nicht zugeben/ daß Christus auch vor die
würckliche sünde gnug gethan/ sondern wie andere Thomam selbs also er-
klähren/ daß zur versöhnung der erbsünde nichts anders als der tod und opf-
fer Christi erfordert werde/ aber zu der gnugthuung vor die würckliche sün-
de werde auch das meß-opffer und menschen wercke erfordert. Welches
auch allein die meinung des vorwurffs ist/ welchen die unsrige dem gegen-
theil thun.

4. Wenn

Das erſte Capitel.
Aber L. 21. de civ. Dei c. 26. handelt er weitlaͤufftig davon/ und faͤllet uns
darinnen mehr zu. Jnsgeſamt bekennet er/ wie Bellarminus den ort
ſelbs anfuͤhret/ von dieſem ſpruch: ſententia plane ad intelligendum diffi-
cilis.
Aus dergleichen orten aber laſſen ſich je keine ſtreitige glaubeus-ar-
ticul erweiſen. Von dem ort 2. Macc. 25. ſetze ich nichts weiters hinzu/
in dem bereits davon gehandelt. 5. Wie in der fuͤnfften forderung/ daß wir
die meß vor einen GOtt wolgefaͤlligen dienſt erkennen ſollten/
der
Jeſuit ſelbs bekennet/ es ſeye ſolches eine nothwendige folge der vorigen
ſaͤtze/ ſo faͤllt auch dieſelbe von ſelbs hin/ da die vorige untuͤchtig befunden/
zuſammt 6. der ſechſten/ daß deßwegen die meß zu Straßburg anzurichten
ſeye.

Was darnach folget/ daß die proteſtirenden endlich accordiret haben/
(von denen man aber begehren ſolte/ daß er ſie zeigte wer ſie ſeyen) iſt auch
bald abgelehnet 1. daß wir die meſſe oder das heil. Abendmal vor ein gedaͤcht-
nuͤß-opffer halten/ iſt wahr/ aber deßwegen iſts kein wahres eigentliches
opffer/ ſondern nur ein gedaͤchtnuͤß eines eigentlichen opffers. Daß auch
eine verſoͤhnung in dem heiligen Abendmal ſeye/ iſt auch wahr/ und von
uns nie gelaͤugnet/ in dem die vergebung der ſuͤnden darinnen ertheilet/ und
alſo der menſch mit GOtt verſoͤhnet wird. Falſch aber iſt/ daß ſolches ei-
gentlich dem opffer und nicht dem Sacrament zukomme: vielmehr iſt des
opffers art die vergebung zu wege zu bringen/ des Sacraments/ ſolches
zuzueignen.

2. Daß allgemach auch vor die todte in der alten kirchen geopffert wor-
den/ haben die unſrige nie gelaͤugnet/ aber gewieſen/ daß ſolcher mißbrauch/
wie andre auch/ allgemach eingeſchlichen/ und in der uraͤlteſten kirche nicht
geweſen ſeye.

3. Wir werden mit unrecht beſchuldigt/ ob haͤtten unſre bekenner eine
laͤſterung
begangen/ daß den Papiſten auch beygemeſſen worden/ daß
Chriſtus nur vor die erbſuͤnde gelitten haͤtte/ ſo keiner nie gethan ha-
be. Denn ihr beruͤhmte ſchul-lehrer Thomas Aquinas T. 15. opuſc. de ve-
nerab. ſacr. alt. c.
1. ſchreibt austruͤcklich: Sicut corpus Domini ſemel ob-
latum eſt in cruce pro debito originali: ſic offertur jugiter pro quotidianis
noſtris delictis in altari.
Wo wir zwahr die Papiſten nicht bloß dahin be-
ſchuldigen/ gleich wolten ſie gar nicht zugeben/ daß Chriſtus auch vor die
wuͤrckliche ſuͤnde gnug gethan/ ſondern wie andere Thomam ſelbs alſo er-
klaͤhren/ daß zur verſoͤhnung der erbſuͤnde nichts anders als der tod und opf-
fer Chriſti erfordert werde/ aber zu der gnugthuung vor die wuͤrckliche ſuͤn-
de werde auch das meß-opffer und menſchen wercke erfordert. Welches
auch allein die meinung des vorwurffs iſt/ welchen die unſrige dem gegen-
theil thun.

4. Wenn
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[142/0158] Das erſte Capitel. Aber L. 21. de civ. Dei c. 26. handelt er weitlaͤufftig davon/ und faͤllet uns darinnen mehr zu. Jnsgeſamt bekennet er/ wie Bellarminus den ort ſelbs anfuͤhret/ von dieſem ſpruch: ſententia plane ad intelligendum diffi- cilis. Aus dergleichen orten aber laſſen ſich je keine ſtreitige glaubeus-ar- ticul erweiſen. Von dem ort 2. Macc. 25. ſetze ich nichts weiters hinzu/ in dem bereits davon gehandelt. 5. Wie in der fuͤnfften forderung/ daß wir die meß vor einen GOtt wolgefaͤlligen dienſt erkennen ſollten/ der Jeſuit ſelbs bekennet/ es ſeye ſolches eine nothwendige folge der vorigen ſaͤtze/ ſo faͤllt auch dieſelbe von ſelbs hin/ da die vorige untuͤchtig befunden/ zuſammt 6. der ſechſten/ daß deßwegen die meß zu Straßburg anzurichten ſeye. Was darnach folget/ daß die proteſtirenden endlich accordiret haben/ (von denen man aber begehren ſolte/ daß er ſie zeigte wer ſie ſeyen) iſt auch bald abgelehnet 1. daß wir die meſſe oder das heil. Abendmal vor ein gedaͤcht- nuͤß-opffer halten/ iſt wahr/ aber deßwegen iſts kein wahres eigentliches opffer/ ſondern nur ein gedaͤchtnuͤß eines eigentlichen opffers. Daß auch eine verſoͤhnung in dem heiligen Abendmal ſeye/ iſt auch wahr/ und von uns nie gelaͤugnet/ in dem die vergebung der ſuͤnden darinnen ertheilet/ und alſo der menſch mit GOtt verſoͤhnet wird. Falſch aber iſt/ daß ſolches ei- gentlich dem opffer und nicht dem Sacrament zukomme: vielmehr iſt des opffers art die vergebung zu wege zu bringen/ des Sacraments/ ſolches zuzueignen. 2. Daß allgemach auch vor die todte in der alten kirchen geopffert wor- den/ haben die unſrige nie gelaͤugnet/ aber gewieſen/ daß ſolcher mißbrauch/ wie andre auch/ allgemach eingeſchlichen/ und in der uraͤlteſten kirche nicht geweſen ſeye. 3. Wir werden mit unrecht beſchuldigt/ ob haͤtten unſre bekenner eine laͤſterung begangen/ daß den Papiſten auch beygemeſſen worden/ daß Chriſtus nur vor die erbſuͤnde gelitten haͤtte/ ſo keiner nie gethan ha- be. Denn ihr beruͤhmte ſchul-lehrer Thomas Aquinas T. 15. opuſc. de ve- nerab. ſacr. alt. c. 1. ſchreibt austruͤcklich: Sicut corpus Domini ſemel ob- latum eſt in cruce pro debito originali: ſic offertur jugiter pro quotidianis noſtris delictis in altari. Wo wir zwahr die Papiſten nicht bloß dahin be- ſchuldigen/ gleich wolten ſie gar nicht zugeben/ daß Chriſtus auch vor die wuͤrckliche ſuͤnde gnug gethan/ ſondern wie andere Thomam ſelbs alſo er- klaͤhren/ daß zur verſoͤhnung der erbſuͤnde nichts anders als der tod und opf- fer Chriſti erfordert werde/ aber zu der gnugthuung vor die wuͤrckliche ſuͤn- de werde auch das meß-opffer und menſchen wercke erfordert. Welches auch allein die meinung des vorwurffs iſt/ welchen die unſrige dem gegen- theil thun. 4. Wenn

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/158>, abgerufen am 19.05.2024.