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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XVII.
SECTIO XVII.
Ob Christus so wol der gesetz-geber als ersüller
seye/ und der Sohn GOttes bey gebung des gesetzes
sich offenbahret habe?

NAchdem der letzte brieff von einer wichtigen frage lautet/ so habe mir
zeit nehmen sollen/ hiemit meine meinung darüber zu erklähren. 1. Ob
ich wol ihres Pastoris predigt/ und wie er die angerührte materie aus-
geführet/ weder gehöret/ noch etwas weiter als das überschriebene davon
weiß/ so kan gleich wol solche in zweiffel gezogene worte/ daß der Sohn
GOttes sich bey gebung des gesetzes sonderlich geoffenbahret/
und so
wol der gesetz-geber als erfüller seye/ nicht anders als billigen: wie sie dann
der lehr unsrer gantzen Evangelischen kirchen/ zum allerfordristen der Heil.
Schrifft völlig gemäß ist. 2. Hat diese lehr allerdings mit dem irrthum der
Socinianer (den ich selbs wie anderswo also auch in der glaubens-lehr pag.
925. widerleget habe) nichts gemein/ als welcher nicht darinnen bestehet/
daß der Sohn GOttes das gesetz in dem A. T. gegeben habe/ als welchen sie
nicht einmahl glauben in dem A. T. gewesen zu seyn/ sondern daß sie Chri-
stum in seinem amt/ wie er von seinem Vater zu einem Meßia in die welt ge-
sandt worden ist/ zu einem gesetz-geber des N. T. machen/ und zwahr der ein
vollkommeners gesetz gegeben habe/ als in dem Alt. Test. gegeben gewesen.
Diesem irrthum widersprechen wir nun/ und erkennen in dem Neuen Te-
stament kein anderes gesetz/ als welches auch in dem alten gewesen:
lehren auch/ daß das amt Christi/ da er in die welt gekommen/ nicht gewe-
sen ein gesetz zugeben/ als darinne er dem Mosi entgegen gesetzet wird.
Joh. 1/ 17. Daher er vielmehr das Evangelium/ gnade und wahrheit ge-
offenbahret und gebracht/ mit dem gesetz aber nach seinem amt nichts anders
zu thun gehabt/ als daß er es nach seinem Prophetischen amt erklährte/
und von irrigen auslegungen rettete/ nach dem Hohenpriesterlichen amt aber
mit seinem gehorsam erfüllete. 3. Also ist Christus nach seinem amt kein ge-
setzgeber; indessen bleibet er dennoch als der Sohn GOttes der jenige/ der
und durch ihn der vater das gesetz gegeben hat: wie dieser dann alles durch
seinen Sohn zu thun pfleget. Welches bey den Theologen vor eine solche
ausgemachte sache gehalten wird/ daß unter den erweißthümern/ daß Chri-
stus oder der Sohn GOttes wahrer GOtt seye/ eben dieser auch geführet
wird/ weil er das gesetz gegeben habe: wie unter andern der bekannte
D. Nicol. Hunnius in seiner epitome credendorum oder kurtzen begriff
Christlicher lehr; so in vielen händen ist/ p. 66. austrücklich also schliesset aus

Psal.
T 2
SECTIO XVII.
SECTIO XVII.
Ob Chriſtus ſo wol der geſetz-geber als erſuͤller
ſeye/ und der Sohn GOttes bey gebung des geſetzes
ſich offenbahret habe?

NAchdem der letzte brieff von einer wichtigen frage lautet/ ſo habe mir
zeit nehmen ſollen/ hiemit meine meinung daruͤber zu erklaͤhren. 1. Ob
ich wol ihres Paſtoris predigt/ und wie er die angeruͤhrte materie aus-
gefuͤhret/ weder gehoͤret/ noch etwas weiter als das uͤberſchriebene davon
weiß/ ſo kan gleich wol ſolche in zweiffel gezogene worte/ daß der Sohn
GOttes ſich bey gebung des geſetzes ſonderlich geoffenbahret/
und ſo
wol der geſetz-geber als erfuͤller ſeye/ nicht anders als billigen: wie ſie dann
der lehr unſrer gantzen Evangeliſchen kirchen/ zum allerfordriſten der Heil.
Schrifft voͤllig gemaͤß iſt. 2. Hat dieſe lehr allerdings mit dem irrthum der
Socinianer (den ich ſelbs wie anderswo alſo auch in der glaubens-lehr pag.
925. widerleget habe) nichts gemein/ als welcher nicht darinnen beſtehet/
daß der Sohn GOttes das geſetz in dem A. T. gegeben habe/ als welchen ſie
nicht einmahl glauben in dem A. T. geweſen zu ſeyn/ ſondern daß ſie Chri-
ſtum in ſeinem amt/ wie er von ſeinem Vater zu einem Meßia in die welt ge-
ſandt worden iſt/ zu einem geſetz-geber des N. T. machen/ und zwahr der ein
vollkommeners geſetz gegeben habe/ als in dem Alt. Teſt. gegeben geweſen.
Dieſem irrthum widerſprechen wir nun/ und erkennen in dem Neuen Te-
ſtament kein anderes geſetz/ als welches auch in dem alten geweſen:
lehren auch/ daß das amt Chriſti/ da er in die welt gekommen/ nicht gewe-
ſen ein geſetz zugeben/ als darinne er dem Moſi entgegen geſetzet wird.
Joh. 1/ 17. Daher er vielmehr das Evangelium/ gnade und wahrheit ge-
offenbahret und gebracht/ mit dem geſetz aber nach ſeinem amt nichts anders
zu thun gehabt/ als daß er es nach ſeinem Prophetiſchen amt erklaͤhrte/
und von irrigen auslegungen rettete/ nach dem Hohenprieſterlichen amt aber
mit ſeinem gehorſam erfuͤllete. 3. Alſo iſt Chriſtus nach ſeinem amt kein ge-
ſetzgeber; indeſſen bleibet er dennoch als der Sohn GOttes der jenige/ der
und durch ihn der vater das geſetz gegeben hat: wie dieſer dann alles durch
ſeinen Sohn zu thun pfleget. Welches bey den Theologen vor eine ſolche
ausgemachte ſache gehalten wird/ daß unter den erweißthuͤmern/ daß Chri-
ſtus oder der Sohn GOttes wahrer GOtt ſeye/ eben dieſer auch gefuͤhret
wird/ weil er das geſetz gegeben habe: wie unter andern der bekannte
D. Nicol. Hunnius in ſeiner epitome credendorum oder kurtzen begriff
Chriſtlicher lehr; ſo in vielen haͤnden iſt/ p. 66. austruͤcklich alſo ſchlieſſet aus

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[147/0163] SECTIO XVII. SECTIO XVII. Ob Chriſtus ſo wol der geſetz-geber als erſuͤller ſeye/ und der Sohn GOttes bey gebung des geſetzes ſich offenbahret habe? NAchdem der letzte brieff von einer wichtigen frage lautet/ ſo habe mir zeit nehmen ſollen/ hiemit meine meinung daruͤber zu erklaͤhren. 1. Ob ich wol ihres Paſtoris predigt/ und wie er die angeruͤhrte materie aus- gefuͤhret/ weder gehoͤret/ noch etwas weiter als das uͤberſchriebene davon weiß/ ſo kan gleich wol ſolche in zweiffel gezogene worte/ daß der Sohn GOttes ſich bey gebung des geſetzes ſonderlich geoffenbahret/ und ſo wol der geſetz-geber als erfuͤller ſeye/ nicht anders als billigen: wie ſie dann der lehr unſrer gantzen Evangeliſchen kirchen/ zum allerfordriſten der Heil. Schrifft voͤllig gemaͤß iſt. 2. Hat dieſe lehr allerdings mit dem irrthum der Socinianer (den ich ſelbs wie anderswo alſo auch in der glaubens-lehr pag. 925. widerleget habe) nichts gemein/ als welcher nicht darinnen beſtehet/ daß der Sohn GOttes das geſetz in dem A. T. gegeben habe/ als welchen ſie nicht einmahl glauben in dem A. T. geweſen zu ſeyn/ ſondern daß ſie Chri- ſtum in ſeinem amt/ wie er von ſeinem Vater zu einem Meßia in die welt ge- ſandt worden iſt/ zu einem geſetz-geber des N. T. machen/ und zwahr der ein vollkommeners geſetz gegeben habe/ als in dem Alt. Teſt. gegeben geweſen. Dieſem irrthum widerſprechen wir nun/ und erkennen in dem Neuen Te- ſtament kein anderes geſetz/ als welches auch in dem alten geweſen: lehren auch/ daß das amt Chriſti/ da er in die welt gekommen/ nicht gewe- ſen ein geſetz zugeben/ als darinne er dem Moſi entgegen geſetzet wird. Joh. 1/ 17. Daher er vielmehr das Evangelium/ gnade und wahrheit ge- offenbahret und gebracht/ mit dem geſetz aber nach ſeinem amt nichts anders zu thun gehabt/ als daß er es nach ſeinem Prophetiſchen amt erklaͤhrte/ und von irrigen auslegungen rettete/ nach dem Hohenprieſterlichen amt aber mit ſeinem gehorſam erfuͤllete. 3. Alſo iſt Chriſtus nach ſeinem amt kein ge- ſetzgeber; indeſſen bleibet er dennoch als der Sohn GOttes der jenige/ der und durch ihn der vater das geſetz gegeben hat: wie dieſer dann alles durch ſeinen Sohn zu thun pfleget. Welches bey den Theologen vor eine ſolche ausgemachte ſache gehalten wird/ daß unter den erweißthuͤmern/ daß Chri- ſtus oder der Sohn GOttes wahrer GOtt ſeye/ eben dieſer auch gefuͤhret wird/ weil er das geſetz gegeben habe: wie unter andern der bekannte D. Nicol. Hunnius in ſeiner epitome credendorum oder kurtzen begriff Chriſtlicher lehr; ſo in vielen haͤnden iſt/ p. 66. austruͤcklich alſo ſchlieſſet aus Pſal. T 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/163>, abgerufen am 21.11.2024.