Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. Welcher ferner in ihm wircket/ und ihn zu einer wohnung/ dem Vater/ Sohn/und ihm selbst bereitet. Was nachmals der mensch gutes thut/ kommet nicht mehr allein von aussen/ sondern auch von innen/ nemlich was bereits durch das wort und den H. Geist gewircket ist worden. 5. Diese von Quackern vorgegebene wesentliche einwohnung Christi in aller menschen hertzen/ ist wol zu unter scheiden von der erstmal zugestandnen wesentlichen gegenwart GOttes bey und in allen creaturen/ und also auch in den menschen/ indem diese eine wolthat des ersten articuls ist/ und un- sre seligkeit nicht wircket/ hingegen jene solte eine wolthat des dritten articuls und die ursach unsrer heiligung seyn. Daher obwol die schrifft jene lehret/ diese sich dadurch noch nicht erweisen lässet. 6. Was anlanget des S. Ardnts lehr. Wahr. Christenth. 1. c. 7. von dem innerlichen und eusserlichen zeugnüß/ so erklähret er sich solches orts/ allerdings gnug/ wie er dann in dem gantzen capitul von dem zeugnüß des den hertzen eingepflantzten gewissens handelt/ welches ich oben num. 2. selbst zugegeben habe. Aber es bleibet ein grosser unterscheid unter solchem gewissen/ und der vorgegebenen einwohnung GOttes in allen menschen: Das gewissen ist zwahr ein werck GOttes/ und in gesundem verstand eine stimme GOttes in den seelen/ aber es ist nicht GOtt oder Christus wesent- lich. 2. Das gewissen hat sich zu allen zeiten bey allen menschen gefunden/ wo ich aber der Quacker lehr recht gefasset/ so meinen sie/ Christus seye erst in die welt gekommen/ das liecht aller menschen also zu seyn/ daß er in ihnen wohnete/ daß also solches eine wolthat allein des Neuen Testaments wäre. 3. Das gewissen gehet allein um mit wercken des gesetzes/ aber zeigt uns den weg der seligkeit durch Christum nicht/ daher das gewissen uns noch nicht zum heil selbs bringen könte/ wie doch die vorgeschützte einwohnung Christi thun müste. Also haben wir das gewissen und dessen innerliches zeugnüß von dem/ was gut oder böse ist/ nicht zu verwerffen/ sondern müssen es frey- lich erkennen/ ja wir fühlen es wol selbs/ aber daraus folgt die wesentliche einwohnung Christi noch nicht. 7. Meine wort in meiner postill p. 412. lauten also: Es gibt manch- mal der Heil. Geist auch gottlosen menschen gutes ein/ wo er sie all- gemach von der welt will abziehen/ und zu GOtt führen. GOTT gibt auch gottlosen guts ein/ 1. wann er das wort ihnen predigen/ und sie et- was von dessen krafft in sich fühlen lässet/ ob sie wol meistes demselben wi- derstreben. 2. Wenn er offt ihre gewissen rege macht/ sonderlich bey denen die ein buchstäbliches erkäntnüß haben/ das ihnen dasselbe vorrückt/ es wer- de mit solchem leben nicht gut thun/ da haben sie ein innerliches zeugnüß. 3. Wenn er zuweilen ihnen unmittelbar einige gute gedancken und bewegungen ein-
Das erſte Capitel. Welcher ferner in ihm wircket/ und ihn zu einer wohnung/ dem Vater/ Sohn/und ihm ſelbſt bereitet. Was nachmals der menſch gutes thut/ kommet nicht mehr allein von auſſen/ ſondern auch von innen/ nemlich was bereits durch das wort und den H. Geiſt gewircket iſt worden. 5. Dieſe von Quackern vorgegebene weſentliche einwohnung Chriſti in aller menſchen hertzen/ iſt wol zu unter ſcheiden von der erſtmal zugeſtandnen weſentlichen gegenwart GOttes bey und in allen creaturen/ und alſo auch in den menſchen/ indem dieſe eine wolthat des erſten articuls iſt/ und un- ſre ſeligkeit nicht wircket/ hingegen jene ſolte eine wolthat des dritten articuls und die urſach unſrer heiligung ſeyn. Daher obwol die ſchrifft jene lehret/ dieſe ſich dadurch noch nicht erweiſen laͤſſet. 6. Was anlanget des S. Ardnts lehr. Wahr. Chriſtenth. 1. c. 7. von dem innerlichen und euſſerlichen zeugnuͤß/ ſo erklaͤhret er ſich ſolches orts/ allerdings gnug/ wie er dann in dem gantzen capitul von dem zeugnuͤß des den hertzen eingepflantzten gewiſſens handelt/ welches ich oben num. 2. ſelbſt zugegeben habe. Aber es bleibet ein groſſer unterſcheid unter ſolchem gewiſſen/ und der vorgegebenen einwohnung GOttes in allen menſchen: Das gewiſſen iſt zwahr ein werck GOttes/ und in geſundem verſtand eine ſtimme GOttes in den ſeelen/ aber es iſt nicht GOtt oder Chriſtus weſent- lich. 2. Das gewiſſen hat ſich zu allen zeiten bey allen menſchen gefunden/ wo ich aber der Quacker lehr recht gefaſſet/ ſo meinen ſie/ Chriſtus ſeye erſt in die welt gekommen/ das liecht aller menſchen alſo zu ſeyn/ daß er in ihnen wohnete/ daß alſo ſolches eine wolthat allein des Neuen Teſtaments waͤre. 3. Das gewiſſen gehet allein um mit wercken des geſetzes/ aber zeigt uns den weg der ſeligkeit durch Chriſtum nicht/ daher das gewiſſen uns noch nicht zum heil ſelbs bringen koͤnte/ wie doch die vorgeſchuͤtzte einwohnung Chriſti thun muͤſte. Alſo haben wir das gewiſſen und deſſen innerliches zeugnuͤß von dem/ was gut oder boͤſe iſt/ nicht zu verwerffen/ ſondern muͤſſen es frey- lich erkennen/ ja wir fuͤhlen es wol ſelbs/ aber daraus folgt die weſentliche einwohnung Chriſti noch nicht. 7. Meine wort in meiner poſtill p. 412. lauten alſo: Es gibt manch- mal der Heil. Geiſt auch gottloſen menſchen gutes ein/ wo er ſie all- gemach von der welt will abziehen/ und zu GOtt fuͤhren. GOTT gibt auch gottloſen guts ein/ 1. wann er das wort ihnen predigen/ und ſie et- was von deſſen krafft in ſich fuͤhlen laͤſſet/ ob ſie wol meiſtes demſelben wi- derſtreben. 2. Wenn er offt ihre gewiſſen rege macht/ ſonderlich bey denen die ein buchſtaͤbliches erkaͤntnuͤß haben/ das ihnen daſſelbe vorruͤckt/ es wer- de mit ſolchem leben nicht gut thun/ da haben ſie ein innerliches zeugnuͤß. 3. Wenn er zuweilen ihnen unmittelbar einige gute gedancken und bewegungen ein-
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Das erſte Capitel.
Welcher ferner in ihm wircket/ und ihn zu einer wohnung/ dem Vater/ Sohn/
und ihm ſelbſt bereitet. Was nachmals der menſch gutes thut/ kommet nicht
mehr allein von auſſen/ ſondern auch von innen/ nemlich was bereits durch
das wort und den H. Geiſt gewircket iſt worden.
5. Dieſe von Quackern vorgegebene weſentliche einwohnung Chriſti in
aller menſchen hertzen/ iſt wol zu unter ſcheiden von der erſtmal zugeſtandnen
weſentlichen gegenwart GOttes bey und in allen creaturen/ und alſo auch
in den menſchen/ indem dieſe eine wolthat des erſten articuls iſt/ und un-
ſre ſeligkeit nicht wircket/ hingegen jene ſolte eine wolthat des dritten articuls
und die urſach unſrer heiligung ſeyn. Daher obwol die ſchrifft jene lehret/
dieſe ſich dadurch noch nicht erweiſen laͤſſet.
6. Was anlanget des S. Ardnts lehr. Wahr. Chriſtenth. 1. c. 7.
von dem innerlichen und euſſerlichen zeugnuͤß/ ſo erklaͤhret er ſich ſolches
orts/ allerdings gnug/ wie er dann in dem gantzen capitul von dem zeugnuͤß
des den hertzen eingepflantzten gewiſſens handelt/ welches ich oben num. 2.
ſelbſt zugegeben habe. Aber es bleibet ein groſſer unterſcheid unter ſolchem
gewiſſen/ und der vorgegebenen einwohnung GOttes in allen menſchen:
Das gewiſſen iſt zwahr ein werck GOttes/ und in geſundem verſtand eine
ſtimme GOttes in den ſeelen/ aber es iſt nicht GOtt oder Chriſtus weſent-
lich. 2. Das gewiſſen hat ſich zu allen zeiten bey allen menſchen gefunden/
wo ich aber der Quacker lehr recht gefaſſet/ ſo meinen ſie/ Chriſtus ſeye erſt
in die welt gekommen/ das liecht aller menſchen alſo zu ſeyn/ daß er in ihnen
wohnete/ daß alſo ſolches eine wolthat allein des Neuen Teſtaments waͤre.
3. Das gewiſſen gehet allein um mit wercken des geſetzes/ aber zeigt uns den
weg der ſeligkeit durch Chriſtum nicht/ daher das gewiſſen uns noch nicht
zum heil ſelbs bringen koͤnte/ wie doch die vorgeſchuͤtzte einwohnung Chriſti
thun muͤſte. Alſo haben wir das gewiſſen und deſſen innerliches zeugnuͤß
von dem/ was gut oder boͤſe iſt/ nicht zu verwerffen/ ſondern muͤſſen es frey-
lich erkennen/ ja wir fuͤhlen es wol ſelbs/ aber daraus folgt die weſentliche
einwohnung Chriſti noch nicht.
7. Meine wort in meiner poſtill p. 412. lauten alſo: Es gibt manch-
mal der Heil. Geiſt auch gottloſen menſchen gutes ein/ wo er ſie all-
gemach von der welt will abziehen/ und zu GOtt fuͤhren. GOTT
gibt auch gottloſen guts ein/ 1. wann er das wort ihnen predigen/ und ſie et-
was von deſſen krafft in ſich fuͤhlen laͤſſet/ ob ſie wol meiſtes demſelben wi-
derſtreben. 2. Wenn er offt ihre gewiſſen rege macht/ ſonderlich bey denen
die ein buchſtaͤbliches erkaͤntnuͤß haben/ das ihnen daſſelbe vorruͤckt/ es wer-
de mit ſolchem leben nicht gut thun/ da haben ſie ein innerliches zeugnuͤß. 3.
Wenn er zuweilen ihnen unmittelbar einige gute gedancken und bewegungen
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/170>, abgerufen am 16.02.2025. |